Neue Gebühren Steigende Tierarztkosten: "Wer sich kein Haustier leisten kann, der soll sich auch keins zulegen"

Herford. Alma will hier nicht sein. Windschief steht die Beaglehündin auf dem Metalltisch im Behandlungszimmer bei Johannes-Wolfgang Otto. Der hört die Hündin ab, zückt dann die Antibiotikum-Spritze und setzt die Nadel. Johannes-Wolfgang Otto ist seit 24 Jahren Tierarzt, routinierte Handgriffe laufen parallel zum Redefluss, der das Vorgehen kommentiert. Nach wenigen Minuten können Alma und ihre Tierhalterin Mariana Zhembus das Behandlungszimmer verlassen. Dann kommt der vielleicht unangenehmste Teil des Besuchs - die Rechnung begleichen. Und die wird ab dem 22. November deutlich höher ausfallen, weil eine neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft tritt. Die neu überarbeitete Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) ist am 22. August im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Es ist die erste umfangreiche Überarbeitung seit 1999. Der Grundpreis für Almas Injektion liegt laut alter GOT bei 5,77 Euro, der neue Preis beträgt 11,50 Euro. Das entspricht einer Preissteigerung von gut 100 Prozent. "Dass die Preissteigerung ausgerechnet jetzt kommt, ist auch für mich überraschend. Der Zeitpunkt ist vielleicht unglücklich gewählt", sagt Johannes-Wolfgang Otto. "Aber Preiserhöhungen kommen ja immer ungelegen." Hier geht es zum passenden Kommentar: Tierarzt findet steigende Gebühren angemessen: Haustiere nur noch für Reiche? Er hält die Überarbeitung der GOT für angemessen und überfällig. "Viele Tierärzte sind vorher nur schlecht klargekommen." Laut der Tierärztekammer Westfalen-Lippe waren die alten Gebührensätze "nicht mehr kostendeckend" und nach dem "veterinärmedizinischen Erkenntnisstand im Jahr 1999 erfolgt". Neue kostspielige Verfahren wie die Computertomografie, "für die häufig auch teure medizinische Geräte angeschafft werden müssen, müssen Tierärztinnen und Tierärzte natürlich auch angemessen abrechnen können." Zudem beruhe die Gebührenerhöhung auf einer vor zwei Jahren durchgeführten Studie, die die aktuellen Ereignisse wie Energiekosten und Inflation nicht mit berücksichtigen. "Insofern sind die neuen Gebührensätze tatsächlich nicht in dem Maße erhöht worden, wie dies eigentlich notwendig gewesen wäre", so Oliver Bergers von der Tierärztekammer Westfalen-Lippe. Tierärzte können die Grundpreise nach Ermessen zwei- oder dreifach berechnen Einen Hund einschläfern zu lassen kostet im Moment 19,24 Euro, mit der neuen Verordnung 30,78 Euro. Das seien aber nur die Grundpreise, erklärt Otto. Beim Einschläfern kommen immer auch die Kosten für die vorausgehende Untersuchung, Narkose und das jeweilige Medikament für die tödliche Injektion hinzu. "Realistisch liegt der Preis im Moment zwischen 100 und 130 Euro." Auch die Größe des Tieres spielt eine Rolle beim Preis, weil entsprechend mehr oder weniger Medikamente gegeben werden müssen. "Bei einem Zwergpinscher liegt das Einschläfern aktuell bei ungefähr 50 Euro." Das Abwägen verschiedener Faktoren wie Größe eines Hundes, Schwierigkeitsgrad einer Operation oder Standort der Tierarztpraxis erlauben es den Tierärzten bereits jetzt, den Grundpreis zweifach oder dreifach zu berechnen. "Ich rechne den zweifachen Satz ab", sagt Otto, und er kenne auch niemanden im Umkreis, der den einfachen Satz berechne. "Ich könnte ab November auf den einfachen Satz zurückgehen, dann ist die Preiserhöhung kein so großer Sprung", sagt er. "Aber das liegt in der Gutwilligkeit des Einzelnen." "Wer sich kein Haustier leisten kann, der soll sich auch keins zulegen." Bei Johannes-Wolfgang Otto sind schon häufig Tierhalter aufgeschlagen, die sich die Behandlung ihres Tieres nicht leisten konnten. Oft habe er Ratenzahlungen angeboten oder auch mal umsonst behandelt. "Aber das mache ich nicht mehr", sagt er. Die Raten würden oft nicht bezahlt, wenn das Tier erst einmal gesund sei. "Die Halbwertszeit des Dankes ist recht kurz", so der Tierarzt, und die kostenfreien Behandlungen hätten überhand genommen. Leider müsse er nicht zahlungsfähige Tierhalter fortschicken. "Es gibt kein Recht auf ein Haustier. Wer es sich nicht leisten kann, der soll sich auch keins zulegen", sagt Johannes-Wolfgang Otto. Er empfiehlt Tierhaltern, sich eine private Versorgungskasse anzulegen. 30 bis 50 Euro pro Monat solle man sich mit Anschaffung eines mittelgroßen Hundes zurücklegen, damit man auf den Krankheitsfall vorbereitet ist. Auch Tierkrankenversicherungen seien eine Option, aber da stecke der Teufel oft im Kleingedruckten. Mariana Zhembus und Alma müssen vorerst nicht wiederkommen, die Behandlung ist abgeschlossen. Die Hündin aufgrund der erhöhten Preise abzugeben, komme für sie nicht in Frage, sagt Mariana Zhembus. "Alma gehört zur Familie."

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