Herford "Ärzte nehmen die Selbstbestimmung": 25-Jährige kämpft für Sterilisation

Kreis Herford. Katja Konrad weiß seit ihrer frühen Jugend, dass sie keine Kinder bekommen möchte. Seit etwa fünf Jahren hat die 25-Jährige den Gedanken, sich sterilisieren zu lassen. Seit zweieinhalb Jahren führt sie eine Beziehung, auch ihr Partner wünscht sich keine Kinder. Die Kupferspirale verträgt sie zwar, aber der Gedanke an eine mögliche Schwangerschaft versetzt sie regelrecht in Panik. Eigentlich ist also alles klar. Ärzte und Ärztinnen im Kreis Herford sehen das allerdings anders und verwehren ihr den Eingriff - weil sie zu jung sei. Warum reicht für dich eine herkömmliche Verhütung nicht aus? KATJA KONRAD: Ich habe für mich entschieden: Ich möchte keine Kinder. Und mir keinen Kopf mehr machen, keine Panik bekommen, wenn meine Periode zu spät kommt. Mein Hauptgrund ist, dass ich kein Kind in die Welt setzen möchte. Ich sehe mich nicht in der Lage, eine vernünftige Mutter zu sein. Ich habe diagnostizierte PTBS, Depression und bin Borderlinerin. Das alles spielt da mit rein. Wann hast du das erste Mal darüber nachgedacht, dich sterilisieren zu lassen? Das erste Mal mit 20, 21 Jahren. Aber klar, da macht man's dann nicht. Es steht immer im Raum, ob die Muttergefühle doch noch aufkommen. Aber sie kamen nie auf. Ich habe zwei Nichten, und da kam nie das Gefühl, dass ich das auch will. Ich bin ein totaler Familienmensch, bin gern mit meiner Familie zusammen. Aber es ist kein Lebensziel von mir, Mutter zu werden. Ich bin glücklich, und ich brauche dafür absolut kein Kind. Ich bin damit schon früh zu meiner Mutter gegangen, um darüber zu reden. Wie hat deine Mutter reagiert? Sie sagte: 'Mach, was du für richtig hältst. Versau dir das Leben nicht mit Kindern.' Das klingt hart, aber mich hat das total bestärkt. Sie sagte, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, würde sie auch keine Kinder bekommen. Obwohl sie uns liebt. Ich möchte mein Leben nicht dafür opfern. Wenn du ein Kind bekommst, bist du erst mal nur Mutter. Wie war das für dich, von deiner Mutter zu hören, dass sie sich rückblickend gegen Kinder entscheiden würde? So klar hat sie das vorher noch nicht gesagt, aber wir haben schon immer sehr offen geredet. Als meine Schwester schwanger wurde, hat meine Mutter gesagt: 'Ein Kind ist schön, aber sei dir bewusst, was das bedeuet.' Sie hat nie einen Hehl darum gemacht. Klar sind das harte Worte, aber ich kann es voll und ganz nachvollziehen. Du opferst dein Leben für das Kind auf. Ich war da nicht getroffen, weil ich selbst an dem Punkt bin und weiß, dass sie uns liebt. Ich will mein Leben weiter so führen, wie es ist. Ich war deswegen nie sauer. Wie reagiert dein Umfeld auf deinen Sterilisationswunsch? Tatsächlich wissen es alle und niemand reagierte negativ. Einige waren etwas verstimmt, fragten wieso, ob das wirklich das Richtige ist, und sagten, ich solle es mir gut überlegen. Als ich einem Freund sagte, dass ich glaube, dass ich keine gute Mutter wäre, sagte er: 'Ich glaube, du wärst eine tolle Mutter.' Das hat mich irgendwie geschockt. Glaubst du, dass Frausein und Muttersein heute immer noch eng miteinander verknüpft sind? Total. Eine Frau hat Muttergefühle, möchte sich um ein Kind kümmern. Es ist die Erfüllung einer Frau. Dass das nicht auf alle zutrifft, verstehen manche einfach nicht. Ich denke, dass viele Frauen sich gar nicht trauen, das offen zu sagen. Und dass viele auch nicht ehrlich zu sich selber sind. Viele haben im Hinterkopf: Du musst als Frau Kinder haben wollen. Der Eingriff steht jetzt kurz bevor. Hattest du zwischendurch auch Zweifel? Nein, gar nicht. Das schwirrt schon so lange in meinem Kopf rum. Die Chance, dass sich das ändert, liegt bei Null. Das macht mich absolut nicht nervös. Mein Freund hat auch schon darüber nachgeacht, sich sterilisieren zu lassen. Die Vasektomie ist ein deutlich kleinerer Eingriff als die Sterilisation einer Person mit Uterus. Warum lässt du dich sterilisieren? Es geht mir nicht darum, in dieser Beziehung keine Kinder zu wollen. Es geht um mich, nicht um meinen Partner. Ich will für meinen Körper, dass die Chance nicht mehr vorhanden ist. Unabhängig von der Außenwelt. Wann habt ihr in eurer Beziehung darüber gesprochen, kinderfrei bleiben zu wollen? Wir haben das von Anfang an beide gesagt, das war nach ein paar Wochen klar. Alle um dich rum kriegen Kinder und heiraten. Da stand für mich fest: Das will ich absolut nicht. Wir haben das offen kommuniziert, da gibt es absolut keine Diskussion. Wann bist du den Eingriff konkret angegangen? Vor anderthalb bis zwei Jahren habe ich grob geschaut, was in der Gegend möglich ist. Auf der Seite von 'Selbstbestimmt steril' gibt es eine Übersicht an Praxen und Kliniken, die solche Sterilisationen anbieten. Aber für den Kreis Herford findest du nichts darüber. Ich habe etwa 15 Krankenhäuser und Frauenkliniken abtelefoniert. Die waren alle nett, aber haben gesagt: Unter 35 keine Chance. Einmal habe ich nachgefragt, warum. Da sagten sie mir, junge Menschen können das noch nicht entscheiden. Sie wollen auf der sicheren Seite sein. Wie hat sich das Argument, du wärst zu jung, angefühlt? Ich hatte schon vorher keine große Hoffnungen. Aber trotzdem: Du bist über 18 Jahre, das ist dein Körper. Und die Ärzte nehmen dir deine Selbstbestimmung weg. Die sagen: Das kann sich noch ändern, warte mal fünf, zehn Jahre. Deine aktuelle Situation, dass du dich seit fünf Jahren damit auseinandersetzt, wird gar nicht beachtet. Es wird dir einfach abgesprochen, dass du das entscheiden kannst. Wie hast du dann trotzdem einen Termin bekommen? Ich habe über 'Selbstbestimmt steril' einen Arzt in Dortmund entdeckt, der sehr gut und respektvoll sein soll. Dort habe ich angerufen, und sie sagten, sie machen das ab 21 Jahren. Ich habe mich total gefreut, obwohl ich das vorher wusste. Innerhalb von drei Wochen hatte ich einen Termin, vor ein paar Tagen war ich zur Beratung da. Wie lief das Beratungsgespräch ab? Der Arzt hat mir den Ablauf erklärt, aber nicht nach meinen Gründen gefragt. Dass er nicht danach gefragt hat, fand ich richtig. Das hat mir gezeigt: Er nimmt mich ernst. Das Gespräch war sehr respektvoll, ohne Vorurteile. Was geschieht bei dem Eingriff? Bei mir wird eine Bauchspiegelung, eine Laparoskopie, durchgeführt. Dabei werden die Instrumente durch einen Schnitt an meinem Bauchnabel und einen Schnitt am Schambein geführt. Der Bauchraum wird dann mit Gas gefüllt, damit der Arzt was sieht. Dann werden die Eileiter an mehreren Punkten verödet, also mit Hitze punktuell zerstört. Das Ganze dauert etwa 20 Minuten. Die Sterilisation kann schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden. Macht dich diese Endgültigkeit nervös? Nein, eigentlich bin ich nur glücklich. Ich habe gar keine Bedenken. Und falls ich zehn Jahren doch sagen sollte, okay, da fehlt was, dann gibt es immer noch Adoption. Mein Körper ist immer noch meiner. Das ist der richtige Weg. Was hat dir auf dem Weg zur Sterilisation geholfen? Ich folge dem Account von 'Selbstbestimmt steril' seit etwa zwei Jahren. Das hilft. Auch wenn man viel Negatives liest über Ärzte, weil jemand seinen Frust rauslassen möchte - was auch absolut verständlich und richtig ist - gibt es auch viel Positives. Es hilft, beide Seiten zu sehen. Es gibt viele Post-OP-Bilder, die Frauen reinstellen, die sagen, dass sie es endlich geschafft haben. Das ist total schön.

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