Rassismus-Kritik nach Tumult in Bielefeld: Herforder kommt in Gewahrsam

Bielefeld/Herford. In der Nacht zu Sonntag, 7. Juni, sorgte die Festnahme zweier Personen durch die Bielefelder Polizei auf dem Kesselbrink für große Empörung. Am Sonntag demonstrierten deswegen 800 Menschen gegen Polizeiwillkür und Rassismus. Einer der beiden Festgenommenen war ein 20-Jähriger aus Herford, gegen den eine Strafanzeige wegen Landfriedensbruch erstattet wurde. Der andere ist ein 23-jähriger Bielefelder, der bis vor zwei Jahren auch in Herford gelebt hat. Der 20-Jährige soll nach Angaben der Polizei eine Gasflasche gegen einen Beamten und einen Streifenwagen geworfen haben. Die Polizei nahm am frühen Sonntagnachmittag Stellung zu dem Vorfall und spricht von einem "Tumultgeschehen im Rahmen eines Widerstandes, bei dem Polizeibeamte angegriffen wurden und die Situation nur mit starken Polizeikräften beruhigt werden konnte". Die Antifa-AG Bielefeld schildert die Situation am Sonntag hingegen anders: "Gestern Nacht gab es einen brutalen Einsatz der Polizei auf dem Kesselbrink. Willkürlich wurde eine schwarze Person von der Polizei kontrolliert und anschließend festgenommen." Handyvideo zeigt Ausschnitt des Geschehens Fest steht, dass es am Samstagabend zu einer Auseinandersetzung zwischen einer sechköpfigen Gruppe auf dem Kesselbrink und der Polizei kam. Danach gehen die Aussagen über den Einsatz allerdings auseinander. Ein Handyvideo, das vermutlich während des Vorfalls aufgenommen wurde, zeigt einen Bruchteil des Geschehens: Mehrere Beamte stehen vor dem Volksbankgebäude am Kesselbrink, während zwei Polizisten neben einem am Boden liegenden Mann seitlich hocken, der wie sich später herausstellt, Soumaila Bande ist. Plötzlich schreit er: "Aua." Weil er sich dagegen sträubt, die Arme zum Fesseln auf den Rücken zu nehmen, greift der Beamte zweimal zu. Die Umstehenden versuchen zu filmen und näher heranzukommen, die Polizei will sie zurückdrängen. Eine Beamtin erklärt einem aufgebrachten Mann mehrfach: "Aber er kann atmen. Er kann atmen." Statement der Polizei Die Polizei schickt am frühen Sonntagnachmittag einen Polizeibericht zu dem Vorfall. Demnach hatten Polizisten gegen 23 Uhr am Kesselbrink sechs Personen kontrolliert, die auf den Stühlen des bereits geschlossenen Lokals saßen und Müll hinterlassen hätten. Dazu führt die Polizei aus: "Der Kesselbrink ist der Polizei als Treffpunkt der hiesigen Drogenszene bekannt." Der 23-Jährige reagierte auf die Polizeikontrolle "sofort aggressiv, beleidigte die Beamten und unterstellte den Beamten rassistische Motive", heißt es von der Behörde. Weil sich er sich weigerte, seine Papiere zu zeigen, fasste ihn ein Beamter am Arm. Die Polizisten hätten zuvor angekündigt, dass er bei weiterem Weigern durchsucht würde. "Daraufhin begann sich der 23-Jährige sofort heftig zu wehren, wobei er versuchte, auf die Polizisten einzuschlagen und einzutreten", heißt es im Polizeibericht. Es kam zu einem Gerangel, bei dem der Mann zu Boden gebracht und festgehalten wurde. Die Gruppenmitglieder sollen die Polizei eingekreist, angebrüllt und bedroht haben, die daraufhin Verstärkung anforderten. "Als Personen aus der Gruppe mit Stühlen bewaffnet weiter auf die Polizisten zugingen, zog einer der Beamten seine Schusswaffe, um sich gegebenenfalls verteidigen zu können", betont Packmohr. Das führte dazu, dass sich die fünf Männer zurückzogen. Auch sei die Polizei "massiv mit Glasflaschen beworfen worden". Erneut setzten die Beamten ihre "Reizstoffsprühgeräte" ein. Laut Polizeibericht beruhigte sich die Situation gegen 23.30 Uhr. Gegen den 23-Jährigen wurde ein Strafverfahren wegen Widerstandes eingeleitet. Gegen den 20-jährigen Herforder wird Strafanzeige erstattet, da er Glasflaschen auf die Einsatzkräfte und Streifenwagen geworfen haben soll. "Er wurde zur Verhinderung weiterer Straftaten in Gewahrsam genommen", so die Polizei. Zwei Polizisten wurden durch Flaschenwürfe im Gesicht und an den Armen verletzt. Auch der Festgenommene erlitt wegen der Flaschenwürfe Schnittverletzungen an den Händen. Ein Streifenwagen wurde beschädigt. Herforder positioniert sich gegen Polizei Yassin Galmami aus Herford, einer der fünf Freunde, widerspricht der Darstellung der Polizei am nächsten Tag: &bdquo;Wir hatten keine Stühle in der Hand." Vielmehr sei es beim Aufrichten des 23-jährigen Kumpels dazu gekommen, dass ihm einer der Polizisten den Arm so um den Hals legte, "dass Soumaila keine Luft mehr bekam. Wir wollten ihm helfen." Das war der Moment, als ein Beamter seine Waffe zog. &bdquo;Der Polizist hat auf meinen Cousin gezielt, als wären wir Schwerkriminelle", sagt Bande. &bdquo;Das hat mir das Herz gebrochen." Kritiker werfen der Polizei bei ihren Kontrollen speziell am Kesselbrink schon seit Jahren strukturellen Rassismus vor. Weil Beamte dort gezielt und oft grundlos Menschen mit schwarzer Hautfarbe kontrollierten. Polizeisprecher Knut Packmohr betont hingegen, dass &bdquo;der Kesselbrink als Treffpunkt der hiesigen Drogenszene bekannt ist." Doch Drogen werden bei Soumaila Bande später nicht gefunden. Galmami ist der Meinung, dass die Polizei diese Situation hätte ganz friedlich lösen können. Doch vor allem ein Beamter habe überreagiert. Es soll der Beamte gewesen sein, der den 23-Jährigen fixierte. Bande erwägt nun, diesen Polizisten anzuzeigen. &bdquo;Ich will Gerechtigkeit", sagt er offen am Mikro der Spontan-Demo einen Tag nach dem Vorfall: &bdquo;Es hätte jeden von uns treffen können. Wenn wir hier kein Zeichen setzen, werden das noch unsere Kinder und Enkelkinder zu spüren bekommen", sagt Bande. Großer Applaus brandet auf. Bande ist sichtlich beeindruckt von den Geschehnissen der Nacht und nun von der Unterstützung der Demo-Teilnehmer.

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