Kreis Herford. Die Zahlen sind erschreckend: In den vergangenen Jahren verzeichnete die Polizei einen rasanten Anstieg von Betrugsfällen, allein von 2016 bis 2017 hat sich die Anzahl der Delikte in Nordrhein-Westfalen laut der Statistik des Landeskriminalamtes mehr als verdoppelt. Rund 15 Millionen Euro sind den Kriminellen dabei in die Hände gefallen – und dies ist lediglich die Summe der Fälle, die bei der Polizei aktenkundig geworden sind.
Rainer Böker von der Kreispolizeibehörde Herford geht fest davon aus, dass die Betrüger nicht zuletzt mit dem berühmt-berüchtigten „Enkeltrick" tatsächlich ihren Opfern noch viel mehr Geld abgeknöpft haben. „Die Dunkelziffer ist hoch", sagt der Kriminalhauptkommissar. Für viele sei es peinlich, zugeben zu müssen, auf die Masche eines Kriminellen hereingefallen zu sein. „Sie schämen sich", so Böker. „Und sie zögern dann, die Tat überhaupt anzuzeigen."
Die gestiegenen Zahlen haben die Polizei in Herford dazu veranlasst, noch stärker durch Aufklärung und Prävention die Opfer zu warnen und den Betrügern die Masche zu verderben. Hierbei suchen Beamte bewusst den Schulterschluss mit den Banken – in diesem Fall mit der Volksbank Bad Oeynhausen-Herford.
"Schützen Sie sich und Ihr gerade abgehobenes Geld!"
„Schützen Sie sich und Ihr gerade abgehobenes Geld!" steht in großen, fettgedruckten Buchstaben auf einem neu entwickelten Geldumschlag, den die Kreispolizeibehörde jetzt gemeinsam mit der Genossenschaftsbank vorgestellt hat. Das mit der eindringlichen Warnung versehene Kuvert wird ab sofort bei Auszahlungen an den Schaltern der Volksbank-Filialen eingesetzt – um vor allem ältere Bankkunden für den „Enkeltrick" zu sensibilisieren.
Die Banker und Beamten lassen es dabei nicht nur mit der großen Warnung bewenden. Denn die Opfer sind sich während des kritischen Zeitpunkts in der Bank oft gar nicht dessen bewusst, dass sie gerade ihr mühsam Erspartes für einen Kriminellen vom Konto geholt haben. Stattdessen sollen sechs auf den Umschlag gedruckte Fragen Zweifel säen und die trügerische Sicherheit ins Wanken bringen.
„Es wird beispielsweise gefragt, ob das Geld abgehoben wurde, weil jemand telefonisch darum gebeten hat", erläutert Rainer Böker. „Oder ob der Anrufer sich als Familienangehöriger, Polizist, Arzt, Richter oder Notar ausgegeben hat."
"Die Anrufer nutzen die Gutmütigkeit ihrer Opfer aus"
Wenn der oder die Betroffene zwei oder mehr Fragen mit Ja beantworten konnte, wird dringend empfohlen, unter keinen Umständen das Geld an Unbekannte zu übergeben – sondern stattdessen sofort zum Telefon zu greifen und die 110 zu wählen. Die Fragen, die von Volksbank und Polizei gestellt werden, zielen genau auf die Maschen der Betrüger ab und setzen genau an deren Schwachpunkten an. So täuschen die Kriminellen beim „Enkeltrick" meist am Telefon vor, Verwandte wie der namensgebende Enkel oder gute Bekannte zu sein.
Dann erzählen sie von vermeintlichen finanziellen Notlagen und bitten hier um Hilfe. „Durch mehrfache Anrufe wird der psychische Druck erhöht und die Gutmütigkeit der Opfer ausgenutzt", warnt Böker. Das Geld soll dann immer von einem Boten abgeholt werden, weil der vermeintliche Verwandte oder Freund angeblich nicht selbst kommen könne. „In weiteren Fällen geben sich Anrufer sogar als Polizisten aus und fordern die Opfer dazu auf, Geld oder Wertgegenstände zum Schutz vor bevorstehenden Einbrüchen an einen ,Kollegen zu übergeben", berichtet der Experte.
Seitens der Volksbank Bad Oeynhausen-Herford ist der neue Umschlag nicht die einzige Hilfestellung, die potenziellen Opfern gegeben wird. „Unsere Mitarbeiter sind darauf sensibilisiert und weisen unsere Kunden auch aktiv auf mögliche Betrugsmaschen hin, wenn ungewöhnlich hohe Beträge abgehoben werden", sagt Andreas Kelch, Marketingleiter der Genossenschaftsbank. „Mit den Umschlägen schaffen wir bei unseren Kunden noch mehr Bewusstsein dafür und verringern so die Gefahr, dass jemand einem Betrug zum Opfer fällt."
Die sechs Fragen im Überblick
- Haben Sie den Geldbetrag abgehoben, weil Sie angerufen worden sind?
- Sollen Sie das Geld noch heute übergeben?
- Hat der Anrufer Ihnen verboten, über den wahren Zweck der Abhebung zu sprechen?
- Hat sich der Anrufer Ihnen gegenüber als Familienangehöriger, Polizist, Arzt, Notar, Richter etc. ausgegeben?
- Sollen Sie das Geld an eine unbekannte Person übergeben?
- Sollen Sie etwas überweisen oder eine Geldwertkarte kaufen?
- Wenn Sie zwei oder mehr Fragen mit „Ja" beantwortet haben: Wählen Sie sofort die 110.