Bielefeld/Herford Der zähe Kampf eines Depressionspatienten um seine Rente

Herford. Es gab einen Punkt, an dem Andreas G. (Name geändert) den Kampf durch die Instanzen aufgeben und seine Forderung zurückziehen wollte. Doch ein Freund ermutigte ihn: &bdquo;Das kannst du nicht machen, kämpfe weiter." Und so versuchte der Depressionspatient, seinen Anspruch auf Zahlung einer privaten Berufsunfähigkeitsrente durchzusetzen. Hilfe bekam er von der Herforder Rechtsanwältin Erika Leimkühler, Fachanwältin für Medizinrecht und Fachanwältin für Versicherungsrecht. &bdquo;Man muss manchmal langen Atem beweisen, aber es lohnt sich häufig, solche Ansprüche durchzufechten", sagt sie. Für sie bestand nie ein Zweifel daran, dass ihr Mandant aufgrund seiner massiven Depressionen einen Anspruch auf Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente hat. 2010 beginnen die Probleme bei dem Mittvierziger, der im Logistikbereich tätig ist. Aus psychosomatischen Störungen werden depressive Episoden. Klinikaufenthalte folgen, die depressiven Phasen werden länger und häufiger. G. beantragt eine Erwerbsminderungsrente, die ihm zeitlich begrenzt bewilligt wird. 2013 stellt er den Antrag auf Zahlung der versicherten monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von 1.500 Euro, weil bei ihm eine mindestens 50-prozentige Berufsunfähigkeit eingetreten ist. An eine Rückkehr in den Beruf ist nicht zu denken. Doch die Versicherung lehnt ab. G. wendet sich ans Landgericht Bielefeld, das ihm recht gibt. Die Freude währt nur kurz – die Versicherung legt Berufung ein, zieht vors Oberlandesgericht in Hamm. Die Begründung: Die Diagnose sei nicht eindeutig. Auch der Zeitpunkt, ab dem G. im Sinne der Versicherung berufsunfähig gewesen sein soll, sei unklar. Die Versicherung legt ein Gegengutachten vor. Es beginnt ein juristisches Tauziehen. In der Expertise des renommierten Gegengutachters ist von &bdquo;Mängeln im Erstgutachten" die Rede, wie Anwältin Leimkühler betont. Sie sieht sich das Verfahren genauer an, erwidert auf die Berufung. Doch auch ein Sachverständiger des OLG kommt zu dem Schluss, dass die Versicherung nicht zahlen müsse. Alle Hoffnung scheint dahin. Doch Andreas G. und die Anwältin bleiben hartnäckig. &bdquo;Inhaltlich hat der Sachverständige auf Erwerbsunfähigkeit abgezielt", kritisiert die Anwältin. &bdquo;Zu überprüfen war aber Berufsunfähigkeit." Der Unterschied: Bei Erwerbsunfähigkeit zählt, ob man noch arbeiten kann – unabhängig vom Beruf. Bei Berufsunfähigkeit wird geprüft, ob und mit welchem Anteil man das im zuletzt ausgeübten Beruf tun kann. Andreas G. und seine Anwältin weisen auch nach, dass die medizinischen Unterlagen, die dem Gutachten zugrunde liegen, unvollständig sind. Lange stationäre Aufenthalte sind nicht berücksichtigt worden. &bdquo;Dem Punkt, ob es sich um depressive Episode oder um eine chronische Depression handelt, wurde zu wenig Bedeutung eingeräumt", sagt die Anwältin. &bdquo;Wenn eine Episode auf die andere folgt – wann hätte mein Mandant dazwischen arbeiten sollen?" Der 26. Zivilsenat des OLG stellt schließlich fest, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leistungspflicht der Versicherung anzunehmen ist. Später räumt der gerichtlich bestellte Gutachter ein, dass bei Betrachtung aller ärztlichen Berichte und Unterlagen sein erstes Urteil vorschnell gewesen sei. Und noch einmal brauchen G. und die Anwältin langen Atem. Das OLG schlägt einen Vergleich vor: 185.000 Euro und das Erlöschen der Versicherung. Das hält die Anwältin nicht für angemessen. &bdquo;Man muss auch die in den Jahren des Rechtsstreits eingezahlten Beiträge berücksichtigen", sagt sie. Am Ende gelingt es ihr, auf dem Weg des Vergleichs 210.000 Euro von der Versicherung für ihren Mandanten zu bekommen. &bdquo;Ich bin froh, dass wir diesen schwierigen Weg gemeinsam zu Ende gegangen sind", sagt Leimkühler. Für Andreas G. gab es in einem Leben voller Sorge und Last einen Lichtblick.