Enger Zu Besuch bei einer Pferdeflüsterin

Enger. Schon fast ein wenig verträumt steht Musheera an der Wasserfurt unter den hohen alten Pappeln. Die 21-jährige Araberstute hat auf ihrem Mittagsspaziergang Pause gemacht und die wärmenden Strahlen der Märzsonne lassen ihr weißes Fell noch ein wenig heller leuchten. Ihre Besitzerin Jennifer Krimp geht langsam auf sie zu und spricht sie an. Die Stute schaut, kommt ihr gemächlich entgegen und lässt sich streicheln. In diesem ganz kurzen Augenblick strahlen beide eine tiefe Zufriedenheit, eine Einigkeit, aus.Sekunden später will Musheera dann doch nicht das, was ihre "Chefin" möchte. Das Pferd soll in Richtung Fotograf schauen. Will es aber nicht. Es hat andere Pläne, strebt Richtung Stallung. Doch Jennifer Krimp kann Musheera überzeugen. Das erste Foto auf dem Hofgut Krimp ist im Kasten. Das Geheimnis, warum die Araberstute dann doch in die Linse schaute, erläutert die Besitzerin gern.Ein Stock als Zeigeinstrument Sie hat dem Pferd mithilfe eines Stocks "die Richtung vorgegeben". Dabei dient der als eine Art Verlängerung der Hand. Die Gesten werden dadurch deutlicher. Wird sind die Gerte als "Zeige-Instrument" genutzt, so ist das hier der Ast. Er verdeutlicht, was die "Chefin" will. Ohne Gewalt, ohne unbedingten Zwang. "Was will ich denn hier haben?" fragt Pferdeflüsterin Jennifer Krimp. "Will ich ein gesundes, ein zufriedenes Pferd; eins, das Spaß hat und ausgeglichen ist? Dann muss ich ihm Freiheit lassen." Genau die bekämen die Pferde auf dem Oldinghausener Hofgut Krimp. 25 tummeln sich in drei Herden auf 6.000 Quadratmeter Fläche. Macht rein rechnerisch 240 Quadratmeter pro Tier. Macht jedoch praktisch eine wesentlich größere Fläche, denn die Tiere laufen ja frei. Im Sommer und im Winter. "Ganz wie sie wollen", erklärt Bernd Krimp, der den Hof zusammen mit seiner Frau bewirtschaftet. "Das hat einfach auch etwas mit Respekt zu tun." Und dann zeigt er ein Foto, wie die Vierbeiner augenscheinlich fröhlich sogar mit Schnee toben. Dabei dürften sich die Vierbeiner jederzeit in ihre großen Unterstände zurückziehen. "Aber sie müssen es nicht", erklärt Krimp. Bei den Krimps genießen die 22 Gast-Pferde und die drei eigenen eine Menge Freiheit. "Das ist so wie bei Kindern", erläutert die Mutter eines Sechsjährigen, "wenn die draußen toben und spielen dürfen, sind sie zufrieden und guter Dinge." Bernd Krimp sieht eine Analogie: "Ein dreckiges Pferd ist ein glückliches Pferd."Reithalle, Weideflächen, Trails und eine Wasserfurt In Oldinghausen leben die Pferde nach dem Paddock-Trail-Prinzip. Sie bleiben - wie Wildpferde - in ihren Herden, bewegen sich ständig auf den bekannten Wegen, den Trails, sie gehen aber auch ohne Probleme über verschiedene Böden. Alles das haben Jennifer und Bernd Krimp berücksichtigt, als sie 2015 den Hof übernahmen. Es gibt eine Reithalle, Weideflächen, Trails, eine Wasserfurt, einen Reitplatz und Ställe.Die Pferdetrainerin hat sich im Bereich Horsemanship ausbilden lassen. Darin geht es um den fairen Umgang zwischen Mensch und Pferd. Der kenntnisreiche, respektvolle, freundliche Umgang mit dem Tier schaffe gegenseitiges Vertrauen und gegenseitigen Respekt. Sie sagt: "Das Ziel des Horsemanships ist die harmonische Partnerschaft zwischen Mensch und Tier durch ein klares, fürs Pferd verständliches Training, basierend auf der Pferdepsychologie und Körpersprache. Eine Philosophie, die mich voll und ganz überzeugt hat." Diese Art des Umgangs bringt sie auch den Besitzern der Tiere, die auf ihrem Hof stehen, als Trainerin bei. Auf dem Hof werden die Tiere aber auch gefordert: Im großen Reitstall, wenn sie die Kutsche ziehen, wenn sie lernen neben der Trainerin spazieren zu gehen und auch bei der klassischen Dressur nach der École de Légèreté, die sogenannte Schule der Leichtigkeit. Gründer Philippe Karl wird das Zitat zugeschrieben: “Das Pferd schuldet uns nichts. Wir sind es, die uns dem Pferd verständlich machen müssen.” Und diese Art der Dressur korrespondiere hervorragend mit dem Pferdeverständnis in Oldinghausen. Koordination im Mikado-ParcoursDazu passt aber auch der Übungsplatz neben dem Teich. Hier lernen die Pferde, über breite hölzerne Treppenstufen einen Hügel hinauf und wieder hinab zu laufen, sie stellen ihre Vorderhufe ganz mutig auf einen hohen Baumstumpf, waten bis zum Bauch durchs Wasser und zeigen ihr Koordinationsvermögen, wenn sie mit ihren vier Beinen durch Baumstämme, die wie beim Mikado auf dem Boden liegen, tänzeln. "Das ist natürlich nicht unbedingt etwas für Pferde, die im S-Springen an den Start gehen", sagt die Pferdeflüsterin schmunzelnd. "Für Freizeitpferde schon." Und es wird deutlich: Der 17-jährigen Freiberger-Pony-Stute Molly macht alles das sogar Spaß. Vor allen dann, wenn ihr Jennifer Krimp Anweisungen gibt. Dieses Mal mit der Gerte; nicht mit einem Stock. Obwohl auch das funktioniert.

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