Bünde Euthanasie und Mord: Die Geschichte zweier Holocaustopfer aus Bünde

Bünde. Über 60 Stolpersteine liegen in der Stadt verteilt. Sie erinnern an die Namen der Juden in Bünde, die auf verschiedenste Weisen zu Opfern des Nationalsozialismus wurden. Im Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 will die NW an einige ihrer Geschichten erinnern. Zwei von ihnen sind Dorothea Ahrndt und Franziska Spiegel. Eine von ihnen stirbt im Zuge des Euthanasie-Programms der Nazis. Die andere wird ermordet und ihre Mörder werden nie zur Rechenschaft gezogen. Dorothea Ahrndt Dorothea Ahrndt war nicht nur eine der ersten Jüdinnen aus Bünde, die dem NS-Massenmord zum Opfer fielen - sie war eine der ersten Jüdinnen überhaupt, die von den Nazis ermordet wurde. Doch sie wurde nicht nur wegen ihrer Herkunft ermordet, sondern auch wegen ihrer körperlichen Einschränkungen. Sie war ein frühes Opfer der Euthanasie im dritten Reich - der gezielten Ermordung psychisch kranker und körperlich behinderter Menschen.Geboren wurde Dorothea am 30. August 1916. Schon früh litt sie an Eppilepsie. 1935 wurde sie dann auch in die Heilanstalt Bethel eingewiesen. Sie war damals nur 19 Jahre alt. Fünf Jahre war Bethel ihr Zuhause. Dann - 1940 - mussten auch jüdische und nichtjüdische Patienten voneinander getrennt werden. Vorausgegangen war ein Befehl des Reichsinnenministeriums, alle jüdischen Patienten zu erfassen und sie verschiedenen Tötungsanstalten zuzuführen. 14 jüdische Patienten sind davon in Bethel betroffen. Einige von ihnen haben das Glück, stattdessen bei Familie oder in Gemeinden unterzukommen. Sie sind vorerst gerettet. Doch nicht Dorothea. Bei ihr werden keine Verwandten gefunden. So wird sie mit sechs anderen jüdischen Patienten am 21. September 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf gebracht. Die Pflegeanstalt in Niedersachsen sollte der Ausgangspunkt der Deportation von 370 Menschen werden, die fast alle umkamen. Nur sechs Tage später geht es für Dorothea von dort aus mit dem ersten Transport weiter in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel. Die Anstalt trug damals den absichtlich trügerischen Namen &bdquo;Landes-Pflegeanstalt Brandenburg an der Havel“. Doch jeder der dort hinkam, wurde kurz nach der Ankunft getötet. Die Patienten wurden schon am Eingang nach Geschlecht getrennt. Dann mussten sie sich entkleiden. Es gab einen Stempel auf die Brust. Die Personalien wurden überprüft. Dann erfand ein Arzt einen fiktiven Grund für die Todesursache. Es wurden Fotos von den "Patienten" gemacht. Dann ging es in die Gaskammer.Ein Arzt ließ Kohlenmonoxid in die Kammer ein und beobachtete durch ein Fenster, wie die wehrlosen Menschen starben. Dorothea Ahrndt war zu diesem Zeitpunkt nur 24 Jahre alt. Eines der ersten Opfer des NS-Völkermords. Ein Stolperstein zu ihren Ehren befindet sich an der Borriesstraße 17.Franziska Spiegel Ein ganz anderes Schicksal ereilte Franziska Spiegel. Der Mord an ihr ist bis heute nicht restlos aufgeklärt. Am 4. November 1944 wurde sie von SS-Männern erschossen. Ihre Leiche wurde mit einem Zettel gefunden, auf dem stand: "Sie war eine Jüdin." Die genauen Täter wurden trotz Zeugen nie ermittelt. Ihr Mann versuchte trotz Gestapo-Überwachung Klarheit über ihren Tod zu bekommen. Geheiratet hatten Franziska und Gottfried Spiegel 1928. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten nur wenige Jahre später sollte Gottfried als arisch gelten, doch seine Frau hatte eine jüdische Abstammung. Ihr gemeinsamer Sohn Rolf - geboren 1930 - galt damit schon seit frühester Kindheit als Halbjude. Ein Status wegen dem er in der NS-Zeit immer mehr Rechte verlieren sollte. Ab 1939 wurde das Studieren für Halbjuden verboten worden. 1942 auch der Besuch von höheren Schulen und im Oktober 1943 auch der Besuch von Berufsschulen. Im selben Jahr zog die Familie Spiegel nach Werfen. Die Deportation von Bünder Juden war damals schon abgeschlossen. Die Familie kam dort im Kotten eines Bauern unter. Franziska Spiegel durfte sich zur eigenen Sicherheit nicht öffentlich sehen lassen. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt schon Vater und Bruder an die Nazis verloren. Gottfried und Sohn Rolf Spiegel mussten sie mit ihren eigenen Rationen versorgen, damit Franziska Spiegel etwas zu essen hatte. Einige Nachbarn halfen; stellten nachts Lebensmittel vor die Tür des Kotten. Franziska Spiegel war krank.Doch nur rund ein Jahr später wurde sie getötet. Wahrscheinlich hat ein Mitbürger sie verraten. Am Nachmittag des 4. Novembers 1944 kamen drei SS-Männer zum Kotten der Familie. Sie waren damals in Hunnebrock stationiert. Zwei von ihnen passten draußen bei den Fahrrädern auf. Der dritte betrat das Gebäude und zwang sie heraus. Franziska Spiegel war zu dem Zeitpunkt allein.Zwei der SS-Männer führten sie über einen Feldweg zum Hückerholz. Dort wurde sie durch einen Schuss in den Hals getötet. Ihr Mann Gottfried kam gegen 16.50 Uhr nach Hause und fand das Haus leer vor. Ihm wurde davon erzählt, wie die SS-Männer Franziska fortgeführt hatten. Er brachte seinen Sohn zu seinen Eltern nach Bünde. Die Leiche von Franziska Spiegel wurde noch am Abend von zwei jungen Leuten gefunden. Laut einer späteren Aussage von Gottfried habe der damalige Ortsgruppenleiter der NSDAP gesagt, dass er froh sein solle, von seiner Ehefrau &bdquo;befreit“ worden zu sein. Die Ermittlungen wurden trotz Zeugen schnell eingestellt. Die Täter hatten nichts zu fürchten. 1948 nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zwar wieder auf, doch die Täter wurden nie zur Verantwortung gezogen. Seit den 90ern erinnert ein Gedenkkreuz an Franziska Spiegel. An der Lenastraße liegen zudem Stolpersteine mit den Namen der Spiegels.

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