Radfahrer lag nach Unfall drei Wochen im Koma – Prozess jetzt eingestellt

Bünde. Wegen schwerer Körperverletzung musste sich jetzt ein 50-jähriger Mann aus Kirchlengern vor dem Amtsgericht Bünde verantworten. Im April 2019 stieß er mit seinem Auto mit einem Radfahrer (60) zusammen. Ungewöhnlich daran dürfte vor allem die Tatsache sein, dass er mit seinem Pkw zuvor fast 40 Meter rückwärts fuhr, bis es zur Kollision kam - "ohne Schulterblick", wie er damals gegenüber der Polizei eingestand. Aus welcher Richtung der Radfahrer kam, konnte er nicht sagen. Ebensowenig der Radfahrer selbst, denn der wurde dabei unter anderem am Kopf so schwer verletzt, dass er drei Wochen im Koma lage, mehrere Monate intensivmedizinisch behandelt werden musste und keinerlei Erinnerungen an den Unfallhergang hatte. Er befindet sich derzeit in der beruflichen Wiedereingliederung. Da der Radfahrer womöglich die Rechts-vor-Links-Regel missachtet haben könnte, stellte das Gericht das Verfahren letztlich gegen eine finanzielle Auflage ein. Die Liste der Verletzungen ist erschreckend Als der 60-jährige Manfred K. (alle Namen geändert) an dem Frühlingsabend im April vergangenen Jahres noch eine Runde mit seinem Fahrrad drehen wollte, war er gemütlich unterwegs. Ab einem bestimmten Moment um 18.40 Uhr fehlt ihm bis heute jede Erinnerung. In dem Augenblick stieß er mit dem Heck des Opels von Thomas M. (50) zusammen, der mit seinem Auto vom Fahrenkampweg auf dem Brandmühlenweg bis zur Straße Im Mühlenkamp fuhr. Thomas M., der bei der Verhandlung ausschließlich seinen Verteidiger sprechen ließ, gab den Polizeibeamten damals zu Protokoll, dass er zunächst geglaubt hatte, mit einem Tier kollidiert zu sein. Als er aus seinem Opel ausstieg, sah er den schwer verletzten Manfred K. und dessen Fahrrad hinter seinem Auto. K. wurde kurz darauf mit einem Rettungshubschrauber nach Bielefeld-Bethel geflogen. Die Liste seiner Verletzungen, die von der Staatsanwaltschaft verlesen wurde, klingt erschreckend: Kalottenfraktur (Bruch des Schädeldachs), Subduralhämatome (Blutungen im äußeren Hirnbereich) sowie zahlreiche weitere Verletzungen. Die Folgen: Manfred K. wurde mehrfach operiert, lag im Koma, hat seinen Geruchssinn komplett verloren, hatte zwischenzeitlich Lähmungen und kann erst jetzt nach physiotherapeutischer Behandlung seinen rechten Arm wieder heben. Nach seinen Worten sei er "soweit wieder hergestellt". Voraussichtlich im März - fast ein Jahr nach dem Unfall - könne er vermutlich wieder voll arbeiten. K. trug keinen Helm. Unfallopfer muss aus der Straße "Im Mühlenkamp" gekommen sein Die beiden Polizeibeamten, die im April den Unfall aufnahmen, sagten als Zeugen aus, konnten aber nicht zur Klärung beitragen, ob Manfred K. nun aus dem Brandmühlenweg rechts in die Straße "Im Mühlenkamp" einbiegen wollten, oder ob er aus "Im Mühlenkamp" kam. "Er war damals nicht ansprechbar", sagten beide Beamten. Die Schäden am Autoheck sowie auf der rechten Seite des Fahrrads lassen laut Gericht aber den Schluss zu, dass das als Zeuge geladene Unfallopfer aus der Straße "Im Mühlenkamp" gekommen ist. Somit kam Thomas M. mit seinem Opel auf dem Brandmühlenweg von rechts und war trotz seiner Rückwärtsfahrt vorfahrtberechtigt. Ms. Verteidiger regte an, das Verfahren nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung ("Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit") einzustellen. Zwar seien die Verletzungen von Manfred K. erheblich gewesen, so der Anwalt, der im Namen seines Mandanten das Geschehene mehrfach bedauerte und Manfred K. auch keine Vorwürfe machen wollte, weil er keinen Helm trug. "Aber Rückwärtsfahren ist nicht verboten", so der Verteidiger, der zudem auf das Vorfahrtsrecht seines Mandanten verwies. Insofern stelle sich für ihn auch nicht die Frage nach einem fahrlässigen Verhalten von Thomas M. Das Gericht stellte das Verfahren gegen M. letztlich gegen die Zahlung einer Geldbuße von 600 Euro an den Westfälischen Kinderdorf e.V. ein. Denn schlussendlich sei laut vorsitzendem Richter die relativ lange Strecke der Rückwärtsfahrt verbunden mit dem fehlenden Schulterblick bedenklich. Damit ist der Fall für die Beteiligten aber noch nicht zu den Akten gelegt. Nach diesem Strafprozess werden sich Manfred K. und Thomas M. in Kürze in einem Zivilprozess gegenübersitzen.

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