Anzügliche Plakate in Gütersloh zum Teil entfernt: Kein Skandal, sondern ein Hilferuf

Keine Leserbriefe, keine Anrufe und keine Pressemitteilungen: Da berichtet die NW über die schlüpfrige Werbekampagne einer Feuerwehr, und es kommen wenige Reaktionen. Das ist überraschend. Es ist, als wüsste die Öffentlichkeit selber nicht, was sie davon hält. Genauer gesagt: halten soll, halten darf. Haben wir, die Bürger, das nun doof zu finden? Unpassend, aus der Zeit gefallen, sexistisch? Oder finden wir eine solche Kampagne völlig okay, trauen uns nur nicht, das zu äußern? Die Frage, worüber wir uns empören sollten und worüber nicht, stellt sich immer wieder. Wie schwer sie zu beantworten ist, zeigt sich auch in diesem Fall: Gegen manche der Werbesprüche schritt die Stadt ein und ordnete das Abhängen der Plakate an, gegen andere nicht. Einzelne Formulierungen gingen ihr zu weit, andere nicht. Man kann sich vorstellen, wie schwierig dazu auch intern die Diskussion gelaufen sein muss. Mehr dazu: Anzügliche Plakate in Gütersloh sorgen aktuell für Aufregung – Gag oder Sexismus? 14 Plakatmotive hingen an den Bäumen und Straßenlaternen Friedrichsdorfs, nun sind es noch elf. &bdquo;Geil auf Einsätze – weil Zuschauen keine Option ist“ durfte hängen bleiben, ebenso wie &bdquo;Wir geraten nicht in Panik!“, &bdquo;Held sein ist kein Filter, zieh die Uniform an“ oder &bdquo;Warum hast du keine Maske auf?“ Drei Plakate musste die Freiwillige Feuerwehr entfernen Entfernen mussten die Blauröcke dagegen diese drei Sprüche: &bdquo;Bei uns sind nur die Schläuche klitschnass“, &bdquo;Bei uns werden nur Bäume flachgelegt“ und &bdquo;Unsere Kettensägen sind rattenscharf“. Die Feuerwehrleute seien mit viel Engagement und Kreativität zu Werke gegangen, lobte die Stadt, aber bei diesen Motiven sei die Umsetzung über das Ziel hinaus geschossen. Mag jeder Leser, jede Leserin selbst entscheiden, wo er oder sie die Linie gezogen hätte und ob überhaupt. Aber deutlich wird: Die Grenzen dessen, was man anstößig findet, sind fließend, und sie sind individuell. Dass die Gesellschaft dennoch einen Grundkonsens in dieser Frage braucht, ist ebenso unstrittig. Entscheidend ist, dass wir über einen solchen Grundkonsens streiten dürfen. Auch öffentlich. Dazu gehört, Ton und Maß zu wahren. Niemand, der über zweideutige Sprüche schmunzeln kann, ist gleich ein Sexist, niemand, der differenziert über Probleme im Stadtbild spricht, ist gleich ein Rassist, niemand, der weniger Flüchtlinge ins Land lassen will, ist gleich ein Nazi, niemand, der vor einer Spirale der Aufrüstung warnt, ist gleich ein Putin-Freund, niemand, der eine höhere CO2-Steuer fordert, ist gleich ein Industriefeind. Es täte uns gut, nicht immer gleich die große Moralkeule zu schwingen und stattdessen verbal und emotional herunter zu dimmen. Der Freiwilligen Feuerwehr fehlt Nachwuchs Wichtig ist das Motiv, das die Freiwillige Feuerwehr Friedrichsdorf zu ihrer Werbekampagne veranlasst hat. Sie sucht und braucht Aufmerksamkeit. Ihr fehlt der Nachwuchs. Mit ihrer konventionellen Mitgliederwerbung kam sie nicht weiter, weder ein Tag der offenen Tür noch die Präsenz bei Dorfveranstaltungen wirkten sich in der Weise aus, dass sich jemand für den ehrenamtlichen Feuerwehrdienst gemeldet hätte. Nur noch 30 Mitglieder hat der Löschzug, langsam wird’s eng. Also setzte sich ein kleines Kreativteam zusammen, bestehend aus sieben Mitgliedern, darunter drei Frauen. Gemeinsam heckten sie eine Kampagne aus, die bewusst provokant daher kommen sollte. Lesen Sie auch: Kohlenmonoxid-Alarm: Tödliche Gefahr beschäftigt die Gütersloher Einsatzkräfte &bdquo;Wir sind null sexistisch, sondern weltoffen und sehr divers“, heißt es aus deren Reihen. &bdquo;Unser Ziel war es allein, ins Gespräch zu kommen, im Dorf wieder sichtbarer zu werden und das Interesse zu wecken.“ Man habe niemanden vor den Kopf stoßen wollen. Zweideutige Plakate zum Wohle der Gemeinschaft Das klingt glaubhaft. Der Punkt ist: Hier steht kein breitbeiniger Macho auf der Matte, der aus Eigeninteresse Sprüche raushaut, sondern hier agiert eine Gruppe, der es um unser Gemeinwohl geht. Dass sie zu dem Ergebnis gelangte, sie erreiche dieses Ziel vielleicht am ehesten mit zweideutigen Plakaten, ist eher ein Indiz dafür, wie schlecht es um unsere Bereitschaft für Ehrenamt bestellt ist. Das ist das, was uns zu denken geben sollte. Die Aktion ist kein Skandal, sie ist ein Hilferuf. Und sie hält uns den Spiegel vor. Wenn eine ehrenamtliche Organisation glaubt, auf solche Weise Aufmerksamkeit erzielen zu müssen, sagt das weniger über den Initiator als über unsere Gesellschaft aus. Wenn Empörung, dann darüber. Aktuelle News erhalten Sie täglich über den Whatsapp-Kanal der NW Gütersloh P.S.: Ein weiteres Motiv, das noch hängt, lautet so: &bdquo;Die Plakate gefallen dir nicht – hilf uns, besser zu werden.“

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