Vier Rippen gebrochen Nach 30 Jahren ist Schluss: Bekannter Verler beendet "Hüttis Balkanhilfe"

Verl. Nach 30 Jahren ist Schluss. Wenn am 10. Januar der 457. Lastwagen mit einer Hilfslieferung nach Rumänien abgefahren ist, wird es der letzte gewesen sein. Auch das Lager auf dem Hof Balsfulland an der Bleichestraße 268, in dem der Verein Hüttis Balkanhilfe seit dem Jahr 2014 samstags Spenden angenommen hat, wird dann für immer geschlossen. Der Verein trägt nicht umsonst seinen Namen – die Balkanhilfe ist Günter Hüttenhölschers Lebenswerk. Jetzt hat er 84-Jährige beschlossen, dass es genug ist. Dass ihn kürzlich zwei Helfer während des Verladens der vom Verler St.-Anna-Altenheim gespendeten Betten unter einem Vorwand mit der Arbeit sitzen ließen, war nur der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. &bdquo;Ich habe mich sehr geärgert“, sagt Hütti, wie ihn ganz Verl liebevoll nennt. Aber die Wahrheit ist: &bdquo;Es geht nicht mehr so wie früher.“ Früher, das waren die Jahre, in denen Günter Hüttenhölscher wirklich der Motor der Hilfsaktion war. Er sammelte zahlreiche freiwillige Helfer um sich, akquiriert Spenden, organisierte dem Verein kostenlos zur Verfügung gestellte Lastwagen. Er fuhr mit nach Rumänien. Alljährlich im Herbst kletterte Hüttenhölscher drei Tage hintereinander von morgens bis abends eine lange Leiter hoch und runter und erntete 5.000 Kiwis, die an der Fassade seines Hauses in der Schillerstraße wachsen. Anschließend stand er stundenlang auf dem Wochenmarkt und bot sie gegen eine Spende für die Balkanhilfe zum Kauf an. Und wenn es kälter wurde, stand der gelernte Bäcker und Konditor daheim in seiner Backstube im Keller und stellte über Stunden und Tage leckere Stutenkerle und Kekse her, die er als Dank an Helfer und Unterstützer verschenkte. Vier Rippen gebrochen Seit er sich Ende April vier Rippen gebrochen hatte, muss sich Günter Hüttenhölscher mit einem Gehstock behelfen. Der Weg in den Keller ist nur noch mit dem festen Griff an den Handlauf möglich. Kistenweise Backwaren hoch schleppen, &bdquo;das geht nicht mehr“. Ebenso wenig kann der Vereinsgründer, der für sein Engagement über all die Jahre mit dem Bundesverdienstkreuz und der Bundesverdienstmedaille, dem Papst-Orden &bdquo;Pro Ecclesia et Pontifice“, der Pilger-Medaille des Erzbistums Paderborn und der Ehrennadel der Stadt Verl ausgezeichnet worden ist, für die Kiwi-Ernte auf eine hohe Leiter steigen. In diesem Jahr mussten erstmals Helfer die Früchte pflücken. Hütti blieb am Boden. Auf dem Markt wird der 84-jährige vor Weihnachten ebenfalls nicht mehr stehen. Die Aktion &bdquo;Weihnachten im Schuhkarton“, die er seit Jahren mit den Schulen in der Stadt durchführt, wird die letzte dieser Art sein. 910 Tage unterwegs gewesen Die Geschichte von Hüttis Balkanhilfe begann am 27. November 1992. Damals startete der erste Hilfstransport, Ziel war ein Priesterseminar im kroatischen Zagreb. Weil eine Näherei am Tag vor der Abfahrt etliche Kinder-Jeans spendete, die dort aber nicht gebraucht wurden, suchte Hüttenhölscher in der Umgebung ein Waisenhaus auf, das in einem ehemaligen Pfarrhaus 36 Kinder beherbergte. Diese Spende war vor allem Günter Hüttenhölschers 2001 verstorbener Frau Brigitte wichtig, die selbst als Waisenkind aufgewachsen war. In den vergangenen 30 Jahren ist Hüttenhölscher 130-mal auf den Balkan gefahren. 107-mal gings nach Rumänien, 13-mal nach Kroatien. Sechsmal war Bosnien-Herzegowina das Ziel, dreimal die Ukraine und einmal der Kosovo. Hüttenhölscher hat ausgerechnet, dass er dafür insgesamt 910 Tage unterwegs gewesen ist. In den ersten neun Jahren war er noch berufstätig und opferte dafür seinen Jahresurlaub. Als er im Jahr 2001 Rentner wurde, eröffnete Hüttenhölscher in Verl ein Lager, an dem die Balkanhilfe an jedem Samstag zwischen 9 und 12 Uhr Sachspenden entgegennahm und verpackte. Auch auf diese Weise verbrachte er 233 Tage für die gute Sache. Verein soll weiterleben Immer war er dabei, wenn ein Lastwagen mit Hilfsgütern beladen werden musste. Bisher 456-mal. Meist dauerte das zwischen sieben und acht Stunden. Backen, danke sagen, organisieren: So sind vier Jahre zusammengekommen, die sich Hüttenhölscher für seine gute Sache eingesetzt hat. Anfang Januar ist Feierabend. Der Verein Hüttis Balkanhilfe aber soll weiterleben. In den vergangenen 30 Jahren hat der Verler einige Dauerspender gewonnen, deren finanzielle Zuwendungen den Menschen in Rumänien weiterhin helfen sollen. &bdquo;Wir werden für das Geld Lebensmittel einkaufen“, sagt Hüttenhölscher. Eine rumänische Spedition, die regelmäßig nach Brilon und zum VW-Werk nach Kassel fährt, holt diese Lebensmittel dann in Verl ab und nutzt die Rückfahrt, bei der der Lastwagen sonst leer wäre. Die Lebensmittel kommen einer Armenküche in der Stadt Satu Mare zugute, welche die Balkanhilfe seit etwa 20 Jahren unterstützt. Ein neues Lager dafür hat Günter Hüttenhölscher wieder organisiert: bei der Firma Arnold Deppe, die ihm in all den Jahren voll getankte Lastwagen für die Fahrten nach Rumänien zur Verfügung gestellt hat.

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