Kreis Gütersloh Reichsbürger missbrauchen Engels-Bild aus Dorfkirche im Kreis Gütersloh

Steinhagen. Grundsätzlich steht der Erzengel Michael auf der guten Seite. Eines seiner wichtigsten Symbole ist das Schwert, mit dem er den Drachen der Finsternis (Luzifer) besiegt. Seit 1922 ziert ein großes Mosaik des Erzengels den Kirchturm der Steinhagener Dorfkirche im Kreis Gütersloh; es befindet sich direkt über dem Haupteingang. Nun taucht das Mosaik in leicht abgewandelter Form in einer Telegram-Chatgruppe des &bdquo;Vaterländischen Hilfsdienstes" (VHD) auf. Der VHD wird laut Verfassungsschutz der Reichsbürgergruppe &bdquo;Bismarcks Erben" zugeordnet. Nach Ansicht von &bdquo;Bismarcks Erben" besteht das Deutsche Kaiserreich fort. Alle auf die Novemberrevolution im Jahr 1918 folgenden Gesetze und Regierungen werden als illegitim betrachtet. Krude Reichsbürgerideologie mit Werbeprospektästhetik Das Ziel der Gruppierung ist laut Verfassungsschutz vielmehr die Wiedererrichtung des Kaiserreiches auf Basis des damals geltenden Rechts- und Gebietsstandes. Wer sich auf die Homepage des &bdquo;Vaterländischen Hilfsdienstes" verirrt, trifft auf krude Reichbürgerideologie in bunter Werbeprospektästhetik. Auch über Nachrichtendienste wie Telegram wirbt der &bdquo;Vaterländische Hilfsdienst" für seine Ziele. Unter anderem mit dem Mosaik von der Steinhagener Dorfkirche. Das mussten die Verwender nicht einmal großartig verändern, um es für ihre Zwecke zu missbrauchen. Allein das Kreuz im Schild des Erzengels Michael wurde durch das VHD-Logo ersetzt. Die schwarz-weiß-roten Flaggen im Logo verraten, weshalb die Reichsbürger offenbar Gefallen an dem Kirchen-Mosaik finden. Unter dem Bild wird Kaiser Wilhelm II. zitiert Denn die Farben des Kaiserreichs befinden sich bereits in der Originalversion des Kunstwerks: Sie schimmern in den Flügeln des Erzengels. Der Künstler Wolfgang Pagenstecher aus Düsseldorf hat das Mosaik für die Dorfkirche 1922 entworfen. Es bildet eine Einheit mit den den beiden Ehrentafeln, die links und rechts neben dem Hauptportal angebracht wurden, und soll an die 116 Steinhagener Opfer des Ersten Weltkriegs erinnern. Eine Reminiszenz, die in der Reichsbürgerszene offenbar eben so gut ankommt wie die schwarz-weiß-roten Engelsflügel. Unter dem verfremdeten Bild im Telegram-Chat wird Kaiser Wilhelm II. zitiert. Es geht um Kameradschaft, preußische Tradition und Vaterlandstreue. Es folgt ein Aufruf, dem &bdquo;Vaterländischen Hilfsdienst" beizutreten: &bdquo;Werde auch du Teil der Lösung und melde dich freiwillig." Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, Anfang Juni, folgen 1.265 Mitglieder dem Telegram-Kanal. Regelmäßige Treffen auch in OWL Nach Angaben des Verfassungsschutzes ein typisches Vorgehen: &bdquo;Der VHD vernetzt sich hauptsächlich über Chatgruppen. Gleichwohl finden auch regelmäßig realweltliche Treffen statt." Recherchen haben ergeben, dass derartige Treffen auch in Ostwestfalen durchgeführt werden. Auf der Homepage des &bdquo;Vaterländischen Hilfsdienstes" werden unter anderem ein Arbeitstreffen am 19. März in Minden und ein Familienausflug in den Teutoburger Wald zum Denkmal des Cheruskerfürsten (Hermannsdenkmal in Detmold) am 30. Januar aufgelistet. Pfarrerin ist entsetzt: "Es raubt mir den Atem" Die evangelische Kirchengemeinde Steinhagen wusste bisher nicht, dass das Mosaik an ihrer Kirche von Reichsbürgern zweckentfremdet wird. Pfarrerin Kirsten Schumann zeigte sich in einer ersten Reaktion entsetzt. &bdquo;Es raubt mir den Atem. Wenn Rechtsradikale unser Siegel für ihre Zwecke missbrauchen, dann können wir natürlich nicht damit übereinstimmen."Kirchengemeinde will rechtliche Schritte prüfen Ihr sei bewusst, dass das Mosaik mit seinem schwarz-weiß-roten Bezug zum Kaiserreich bereits bei seiner Entstehung 1922 ein Anachronismus war. &bdquo;Denn zu diesem Zeitpunkt bestand ja längst die parlamentarische Demokratie in Deutschland. Allerdings gab es in Steinhagen noch viele kaisertreue Kräfte, die das Mosaik so haben wollten." Das Bild müsse darum im historischen Kontext betrachtet werden. Kirchengemeinde prüft rechtliche Schritte Andreas Kleen, Vorsitzender des Presbyteriums der evangelischen Kirchengemeinde, verurteilt generell die Verfremdung von alten, bestehenden Kunstgegenständen. &bdquo;Wir als Kirchengemeinde positionieren uns entschieden gegen die Ideologie der Reichsbürger und gegen deren Verwendung unseres Mosaiks", teilt Kleen mit. Die Kirchengemeinde werde jetzt prüfen, ob sie rechtliche Schritte unternehmen kann gegen eventuell widerrechtlichen Gebrauch des Mosaiks. Der Erzengel Michael gelte nicht nur als Bezwinger des Bösen, sondern auch als Symbol der wehrhaften Kirche, weiß der Presbyteriumsvorsitzende. &bdquo;Und als eben solche werden wir uns auch gegen eine Diffamierung unseres Mosaiks mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen."

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