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Ole Wolff (l.) vom Fanprojekt Bielefeld und Oliver Nickel (Geschäftsführer der Dokumentationsstätte Stalag 326) zeigen Flyer und Plakate. Die schwarz-weiß-blauen Beine machen deutlich, dass Arminia Bielefeld die Kampagne "Wo stehst Du? Vor dem Ball sind alle gleich" mitgetragen hatte. - © FOTO: BIRGIT GUHLKE
Ole Wolff (l.) vom Fanprojekt Bielefeld und Oliver Nickel (Geschäftsführer der Dokumentationsstätte Stalag 326) zeigen Flyer und Plakate. Die schwarz-weiß-blauen Beine machen deutlich, dass Arminia Bielefeld die Kampagne "Wo stehst Du? Vor dem Ball sind alle gleich" mitgetragen hatte. | © FOTO: BIRGIT GUHLKE

SHS Wider Rechtsextremismus im Stadion

Ole Wolff und Jörg Weltzer werben für mehr Courage in der Fußballwelt

VON BIRGIT GUHLKE
13.06.2014 , 08:02 Uhr

Schloß Holte-Stukenbrock. Dieser Vorfall im Gästeblock des Stadions Mönchengladbach Ende September sorgte bundesweit für Schlagzeilen: Die Mannschaft des damaligen Erstligisten Eintracht Braunschweig spielte auf dem Rasen gegen die der Borussia, auf den Rängen gingen die eigenen Fans aufeinander los. Die Polizei Mönchengladbach sprach seinerzeit von einem "Angriff einer rechten auf eine linke Gruppe". Kein Einzelfall. Nicht für Eintracht Braunschweig, nicht für den Fußball allgemein. Die Dokumentationsstätte Stalag 326 widmete diesem Thema jetzt einen Vortrags- und Diskussionsabend.

Ole Wolff vom Fanprojekt Bielefeld und der Rechtsextremismusexperte Jörg Weltzer erklären an diesem Abend, beschreiben, erzählen vor einem überschaubaren Kreis von sieben Gästen. Oliver Nickel, Geschäftsführer der Dokumentationsstätte hätte sich mehr Resonanz gewünscht – nimmt’s aber auch sportlich. "Sonst sind wir hier noch weniger."

Die mehr als noch weniger hören Einschätzungen, Analysen und Fakten über Fußball und Rechtsextremismus. Ole Wolff ist seit 13 Jahren hauptamtlicher Mitarbeiter beim Fanprojekt Bielefeld, das seit 1996 in Bielefeld Anlaufstelle für Fußball-Fans, aber auch für Einrichtungen ist, die mit Fußball zu tun haben. Jörg Weltzer ist Historiker, Pädagoge, arbeitet, wie er sagt, "auch als Sozialarbeiter". Und er hat als Jugendlicher Nazigruppen in Bielefeld und Gütersloh unterwandert. "Nebenamtlich bin ich Fußballkenner und -freund und seit langem dem DSC verbunden". Und beide sind sich sicher, dass es in jedem Fußballstadion Rechtsextremismus geben kann. Weil sich im Stadion alle Gesellschaftsgruppen versammeln. Rechtsextreme, Linksextreme, Menschen, die glauben, in den Arenen einen unpolitischen Raum zu betreten, Ultras, Hooligans, Fußballfreunde, Rassisten.

"In Bielefeld haben wir nicht unbedingt eine rechte Fanszene, die durch Gesänge auffällt", sagt Ole Wolff. Er und seine Kollegen wollen Kontakt zu allen Gruppierungen haben, bekommen, halten – auch um entsprechend eingreifen zu können, falls es nötig ist. "Es gibt auch welche, die ihre Ausländerfeindlichkeit rauslassen – aber nicht im Stadion". Eine Gruppe fällt Almbesuchern immer wieder auf. Vor den Heimspielen trifft sich diese Gruppe zu Bier und mit tragbarem Abspielgerät an der Turnhalle neben dem Eingang zur Südtribüne – und hört "einschlägige Musik". Eine Zeitlang wählten sie vor Spielbeginn einen anderen Treffpunkt, Ordner hatten sie vertrieben. "Jetzt sind sie wieder da." "Relativ frisch zusammengefunden" habe sich die Gruppe "Blaue Horde", die nach Einschätzung von Ole Wolff bewusst mit der Buchstabenkombination B und H spiele. Das steht für "Blood & Honour" (Blut und Ehre) und ist der Name einer weltweit organisierten Skinhead-Organisation, die vor allem durch Musik versuche, Menschen rechtsextreme Ideologie näherzubringen. Der deutsche Ableger dieser Organisation ist seit September 2000 verboten. Zum ersten Mal, das haben Ole Wolff und seine Kollegen beobachtet, "haben sie beim Auswärtsspiel in Paderborn eine eigene Fahne gezeigt". Gewalt auf den Rängen, vor den Stadien – keine Seltenheit. Gewaltbereitschaft, so sagt Jörg Weltzer, "muss nicht immer gleich was mit Rechtsextremismus zu tun haben". Immer wieder gibt es Diskussionen über Fankultur und was dazu gehören darf und soll. Prügeleien mit Fans des oftmals verhassten Derbygegners – jeder Armine kennt Geschichten rund um den DSC-Erzfeind Preußen Münster. Nicht nur Derbys dieser emotionalen Ausprägung bieten Fangruppen Raum für den Einsatz von Pyrotechnik und Bengalos – die Verwendung im Stadion ist verboten. Wer zündelt und erwischt wird, muss mit Sanktionen rechnen, sowohl von Polizei wie auch vom Verein. In einigen Ultrakreisen gehört Pyrotechnik zur Fankultur – und auch das sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern.

Beim Thema "Rechtsextremismus" ist für Ole Wolff und Jörg Weltzer klar, dass es nicht gelingen werde, Fußball "als Plattform für rechte Ideologie zu missbrauchen", wenn der jeweilige Verein die Haltung gegen Rechts "glaubwürdig mitlebt und vorlebt". Jörg Weltzer: "Auch die Courage des Nebenmannes ist wichtig." Ein antirassistisches Image sei zudem ein Markenkern – "und macht den Verein auch interessanter für Sponsoren". Der Eintracht in Braunschweig empfiehlt Ole Wolff deshalb, mehr zu tun, als nur symbolisch die rote Karte zu zeigen. "Das allein reicht nicht". In Bielefeld greife das Konzept des Fanprojekts gut, aber "man muss immer weiter auf der Spur bleiben".