Fachkräftemangel Autowerkstatt im Kreis Gütersloh zieht die Reißleine und nimmt keine Neukunden mehr an

Rheda-Wiedenbrück. Daran hat man sich inzwischen gewöhnt: Ruft man beim Arzt an, wird man gefragt, ob man schon mal dort war. Dass man diese Frage auch in einer Kfz-Werkstatt hört, ist überraschend. Für Paul Rosin jedoch, ist sie inzwischen gang und gäbe. Denn ihm fehlt Personal und darum kümmert er sich nur noch um die Autos von Bestandskunden. Der 71-Jährige ist mit seinem freien Kfz-Meisterbetrieb seit 1997 an der Straße Am Sandberg zu finden, als Selbstständiger. Da war noch alles gut. "Doch seit zehn Jahren ist es schwierig gutes Fachpersonal zu finden, es sei denn, man bildet selbst aus", sagt der Kfz-Meister. Lehrlinge hat er immer gerne genommen, "egal, ob sie von der Hauptschule oder vom Gymnasium kamen, das Wichtigste war, dass ihnen der Job Spaß macht". So wie Rosin selbst. Mit 15 Jahren kam er in die Lehre, seit 55 Jahren arbeitet er, kümmert sich um alle Autos, vom Gogo bis zum Jaguar. "In 99,5 Prozent der Fälle bin ich gut gelaunt." Das ändert sich nur, wenn ein Kunde ihn richtig ärgert oder wenn er ein ungelöstes Kfz-Problem hat, das ihm nachts noch auf die Bettdecke kommt. Für solche Herausforderungen findet der 71-Jährige immer eine Lösung. Für eine andere Schwierigkeit gilt das nicht: den Fachkräftemangel. Zettel im Autohaus Knemeyer verteilt Vier Gesellen beschäftigt Rosin in seiner Werkstatt, einer von ihnen ist sein 21-jähriger Enkel Liam. Das Büro managt seine Tochter Sonja, seine Frau Roswitha arbeitet in Teilzeit mit. "Ich habe aber fünf Bühnen, hätte ich fünf Leute, bräuchte ich nichts mehr zu tun", meint der 71-Jährige augenzwinkernd. Denn er arbeitet gerne. "Keine Leute zu finden, ist aber die unerfreuliche Seite meines Berufs." Dabei versuche er seit rund fünf Jahren alles. Von der Agentur für Arbeit wurden Rosin seit Anfang Juni sechs Arbeitslose genannt, allesamt Kfz-Mechatroniker. "Von denen ist aber nicht einer zum Gucken hierhin gekommen." Auch Praktikanten, die potenzielle Auszubildende sind, kommen nicht mehr. Zuletzt hat der 71-Jährige Zettel mit Jobangeboten bei dem traditionsreichen Autohaus Knemeyer in Gütersloh abgegeben, das zum Jahresende seinen Betrieb einstellt. Betroffen davon sind 19 Mitarbeitende und vier Auszubildende. Bislang gab es auf diese Mitarbeiter-Werbeaktion keine Reaktion. Dabei beschreibt sich der Kfz-Meister selbst als freundlich, nett und zugewandt. "Ich verzeihe natürlich auch Fehler, die mache ich ja auch." Samstags wird bei ihm nicht mehr gearbeitet, auch an Brückentagen bleibt die Werkstatt geschlossen. Weil "meine Leute dennoch am Anschlag laufen, habe ich Stopp gesagt, um mein Team nicht zu überlasten". Kein Gedanke an den eigenen Ruhestand Seine bisherigen Kundinnen und Kunden müssen sich seither auf längere Wartezeiten einstellen, bis zu zwei Monate. Galt für Autoreparaturen einst die Devise "morgens reins, abends raus", so werden Altkunden heute nur noch sofort bedient, wenn ein Reifen platt ist, eine Scheibe kaputt ist oder eine Bremse auf Eisen läuft. Um rechtzeitig einen TÜV-Termin vereinbaren zu können, schreibt Sonja Rosin Bestandskunden einen Monat im voraus an. Neue Kunden indes haben das Nachsehen. Auf die verzichtet der Kfz-Meister, um seine Stammkunden weiter bedienen zu können. Dabei ist die Nachfrage in der freien Kfz-Werkstatt zuletzt gestiegen. Denn Michael Buschmeier hatte aus Alters- und Gesundheitsgründen nach 52 Jahren den Kfz-Betrieb "Auto Beuthner" geschlossen. Wer dort bislang sein Auto reparieren ließ, dem bleiben in Rheda-Wiedenbrück nun drei weitere freie Werkstätten: der Kfz-Meisterbetrieb Großeaschoff, die Venjacob Meisterwerkstatt und die Schraubwerker Fahrzeugtechnik GmbH. Wer bei ihm anfragt, dem erklärt Rosin die Gründe für seinen Aufnahme-Stopp. Er will die Lage für seine Stammkunden nicht durch noch längere Wartezeiten verschlechtern, sondern sie weiter pflegen. "Die meisten reagieren verständnisvoll", sagt der 71-Jährige. Wie lange er selbst noch schrauben wird, das ist offen. Unklar ist auch, ob seine Tochter und sein Enkel die Werkstatt übernehmen werden. "An meinen Ruhestand denke ich aufgrund der Lage also erst mal nicht", sagt der 71-Jährige.

Mehr zum Thema