Angriff auf die Ukraine Wie erklärt man Kindern den Krieg?

Rheda-Wiedenbrück. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine steht die Welt Kopf. Wie aber können Erwachsene das, was sie selbst kaum fassen können, Kindern und Jugendlichen erklären? Wie können sie über das, was sie selbst sprachlos macht, mit jungen Menschen reden? Von Bedeutung seien dabei Ehrlichkeit, Respekt und Authentizität, sagt Solveigh Disselkamp-Niewiarra. Die Psychologin ist im Vorstand des Vereins Soulbuddies. Der bietet ehrenamtlich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Beratung und pädagogische Hilfen an. Das Thema Krieg in der Ukraine spielt bei den Seelenkumpeln aktuell noch keine Rolle. Die Klienten, die jetzt kommen, haben Termine wegen anderer Probleme. Nur ein Jugendlicher habe bislang über seine Kriegsangst gesprochen, sagt Disselkamp-Niewiarra. Das überrascht sie nicht. "Bei Corona hat es auch drei, vier Wochen gedauert, bis es hier angekommen ist." "Mit der Corona-Traumatisierung noch nicht durch" "Weil wir mit der Corona-Traumatisierung noch nicht durch sind", sei der Krieg in Europa eine große Herausforderung, auch hierzulande. Auf Anfrage gibt Disselkamp-Niewiarra Ratschläge, wie Erwachsene mit Kindern und Jugendlichen darüber sprechen können. Wichtig ist, dass die Großen eine sichere Haltung haben. Das ist gerade nicht einfach, denn viele "Erwachsene schwimmen selbst". Das gilt für Menschen, die im Kalten Krieg aufgewachsen sind, bei Friedensdemos dabei waren. Mit Blick auf Putins Überfall auf die Ukraine überdenken sie nun ihre bisherige Positionen, zwangsläufig. Verschweigen sollten sie ihre Unsicherheit und Ängste nicht. Eltern müssten authentisch bleiben. "Viele Erwachsene müssen sich erst mal um sich selbst kümmern, damit sie stabil sind", sagt Disselkamp-Niewiarra. Denn im Austausch mit Kindern und Jugendlichen "ist die innere Ruhe so wichtig wie die äußere." Je jünger die Kinder sind, umso bedeutsamer ist das. Wer selbst aufgeregt und emotional aufgewühlt sei, kann nicht zuhören. Doch genau darum geht es. Und nicht etwa darum, dass Erwachsene in dem Gespräch "ihren eigenen Sorgen einen Raum geben"."Nach Fragen fragen" Erwachsene sollten Kindern und Jugendlichen nicht irgendetwas über den Krieg erzählen, sondern sie "nach Fragen fragen". Nur so erfahren die Großen, was die Kleinen beschäftigt. Junge Menschen können große Empathie für die leidenden Menschen empfinden, sie können auch eine ichbezogene Sicht haben. "Etwa die Frage, ob ein Kind seine Stofftiere behalten darf oder sie für Jungen und Mädchen im Krieg spenden muss." Jede Frage muss toleriert und respektiert werden, betont die Psychologin. Das gilt auch dann, wenn das Geschehen in der Ukraine für Sohn oder Tochter überhaupt kein Thema sei. In der "Ohnmachtssituation, die wir jetzt erleben", bräuchten Kinder und Jugendliche Wahl- und Kontrollmöglichkeiten für ihr eigenes Tun. Sie selbst sollten entscheiden können, mit wem sie sich treffen und wo sie das tun. "In geschützten Räumen ist ein Sicherheitsgefühl möglich", erklärt Disselkamp-Niewiarra. Was sich Jungen und Mädchen auf den Schulhöfen über den Krieg erzählen, "werden wir nur zu einem kleinen Prozentsatz erfahren". "Trotz allem wachsen die Krokusse jedes Jahr wieder" Schützen können Eltern ihren Nachwuchs vor Informationen über Bombardierungen und Kämpfe, Drohungen und Anfeindungen, Leid und Trauer nicht. Natürlich sollten Jungen und Mädchen bis zum Grundschulalter nicht unkontrolliert vor den Fernsehnachrichten sitzen. "Aber ein Verheimlichen der Kriegsnachrichten funktioniert nicht", sagt Disselkamp-Niewiarra. Irgendetwas schnappen Kinder bei Gleichaltrigen immer auf. "Das ist wie mit dem Weihnachtsmann." Eltern können ihren Nachwuchs am besten einschätzen, wüssten wie sensibel oder belastbar Sohn oder Tochter sind. "Die Kinder vertrauen uns." Bei all den schlechten Nachrichten, die aus der Ukraine kommen, ist "es auch wichtig, das Gute im Blick zu behalten", rät die Psychologin. Familien sollten miteinander und füreinander etwas machen - beispielsweise mit einem Lotterieglas. Dort legt jeder fünf Gutscheine hinein, die anderen Freude machen. Das kann fürs Ausräumen der Spülmaschine sein, für einen Besuch in der Eisdiele, für ein Lieblingsessen oder für einen Ausflug mit dem Fahrrad oder zu Fuß. In der Natur erlebten Menschen Stabilität und Lichtblicke. "Trotz allem wachsen die Krokusse jedes Jahr wieder."

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