Krise nach Brand: Unternehmen aus Kreis Gütersloh meldet Insolvenz an und kämpft weiter

Harsewinkel. Auf dem Firmengelände an der Rudolf-Diesel-Straße herrscht Betrieb wie immer. Die weinroten Spezialfahrzeuge für die Kanalreinigung, die noch den Schriftzug &bdquo;Kampwerth“ tragen, fahren rein und raus, Mitarbeiter räumen die Halle auf. Oben im Büro arbeiten sich die Geschäftsführer Ralf Kampwerth und sein Sohn Lars durch Berge von Papier. Der Senior hat für sein von ihm im Jahr 1998 gegründetes Unternehmen ein vorläufiges Insolvenzverfahren eingeleitet. Mit Perspektiven: &bdquo;Wir sind bereits mit mehreren potenziellen Käufern in Verhandlungen“, erklärt der Senior. In den nächsten elf Wochen entscheidet sich, in welche Richtung es geht. &bdquo;Die Kanzlei erstellt jetzt ein Gutachten, ob das Unternehmen durch Verkauf saniert werden kann“, erklärt Ralf Kampwerth. &bdquo;Mehrere Käufer haben ihr Interesse angemeldet, das Unternehmen zu kaufen oder sich zu beteiligen“, erklärt er gegenüber der &bdquo;NW“. Am 1. Juli kommt es zum Tag der Wahrheit: &bdquo;Entweder sind wir dann saniert. Oder es geht in die Insolvenz.“ &bdquo;Für uns geht das Alltagsgeschäft weiter“, betont Ralf Kampwerth, der selbst das Gespräch mit dieser Zeitung gesucht hat, um Gerüchten in Harsewinkel entgegenzutreten. Etwa, dass die Firma Kampwerth schon Insolvenz angemeldet habe. Was als Aussage so nicht stimme, weil der Betrieb weiter voll handlungsfähig bleibt. Es geht dem eingespielten Vater-Sohn-Duo darum, ihr Spezialunternehmen für Straßenreinigung, Havariemanagement, Schüttguttransport, Mietfahrzeuge und -anlagen, Schüttgüter und Betonblocksteine zu erhalten. Lesen Sie auch: Ursache für Großbrand an Autohaus im Kreis Gütersloh weiter ungeklärt Brand im Kreis Gütersloh führt zur Krise bei Kampwerth Die Bielefelder Kanzlei Streitbörger begleitet das vorläufige Insolvenzverfahren. Dieses leitete Kampwerth genau an seinem 60. Geburtstag am 30. April ein, um geschäftsfähig zu bleiben. Für alle Ausgaben, die über den üblichen täglichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, gibt es einen Zustimmungsvorbehalt. In einem ersten Schritt haben die Kampwerths ihre Kanalreinigungssparte mit den bis zu 30 Tonnen schweren und 500 PS starken Spülfahrzeuge inklusive der Kanal-TV-Anlagen an ein in der Region stark vertretenes Entsorgungsunternehmen verkauft. Zwölf Mitarbeiter wechselten den Arbeitgeber. &bdquo;Entlassungen gab es dabei keine“, sagt Ralf Kampwerth, der darüber sehr froh ist. Der Verkauf dieses Firmenteils, mit dem Kampwerth Aufträge für Kommunen in ganz NRW abwickelte, ist eine erste Etappe zur Konsolidierung. Das alleine reicht aber nicht. Auf das vor Corona kerngesunde Unternehmen prasselten mehrere äußere Faktoren ein. Viele äußere Einflüsse spielten hinein. &bdquo;Alles hat mit dem Brand bei Brokamp angefangen“, erinnert der Seniorchef, wie der schleichende Prozess begann. Im Mai 2023 hatte er ein mit einer TV-Kanal-Anlage ausgerüstetes Spezialfahrzeug – Gesamtwert rund 600.000 Euro – zu dem Mercedes-Händler zur Inspektion gebracht. Das auf dem Betriebsgelände abgestellte Fahrzeug brannte bei dem verheerenden Feuer völlig aus. Von dem Schaden sei nur gut ein Drittel als Großschadensereignis ersetzt worden, sagt Ralf Kampwerth. Ein Verlust, den der Mittelständler nicht so einfach wegsteckte. &bdquo;Von jetzt auf gleich fehlte uns das Kamerafahrzeug“, erklärt er, wie ihm 270.000 Euro Jahresumsatz wegbrachen. Kunden der Firma aus dem Kreis Gütersloh können nicht zahlen An schnellen Ersatz war nicht zu denken: &bdquo;Die Bestellzeit für so ein Spezialfahrzeug beträgt mindestens 18 Monate.“ Um den Verlust kurzfristig aufzufangen, stellte Kampwerth auf Zwei-Schicht-Betrieb um. Doch Nachtzuschläge und Probleme bei den Arbeiten in der Dunkelheit fraßen den erhofften Mehrwert auf. &bdquo;Das haben wir schnell wieder eingestellt.“ Dass in dieser Zeit ein Tiefbauer und ein Landschaftsgärtner als bis dato gute Kunden insolvent gingen, waren weitere Rückschläge. &bdquo;Von jeweils gut 100.000 Euro an Außenständen haben wir nur einige Tausend Euro aus der Masse erhalten“, sagt Ralf Kampwerth. Jeder Einzelne dieser Nackenschläge hätte das Unternehmen nicht gefährden können. Doch es gab noch mehr Rückschläge, die dazu führten, dass sein Lebenswerk auf Messers Schneide stehe. Dazu führte auch, dass der geplante Bau eines eigenen Recyclinghofs in Marienfeld an unüberwindbaren Auflagen scheiterte. Die Verhandlungen über das 6.500 Quadratmeter große Gelände, auf dem vor allem Baustoffe recycelt werden sollten, seien kurz zuvor gescheitert. Kampwerths hatten bereits eine Tochterfirma gegründet und erste Mitarbeiter eingestellt. Und er berichtet auch noch von einem dreisten Kriminalfall im Dezember 2024. Da hatte er einen 400.000 Euro teuren Teleskoplader an eine Firma vermietet. Der sollte auf einer Baustelle im Ruhrgebiet im Einsatz sein. Wie die Polizei später ermittelte, war das mit einem GPS-Gerät ausgerüstete Spezialfahrzeug bereits einen Tag später spurlos verschwunden. Unternehmen aus Kreis Gütersloh will nicht aufgeben &bdquo;Die Diebe haben das ausgebaute GPS wochenlang auf der besagten Baustelle bewegt, um keinen Verdacht zu erregen“, erklärt Kampwerth die hochkriminelle Energie, mit der eine mutmaßlich Profibande nicht nur seine Firma schädigte. Auf dem Wege seien einer Firma in Köln gleich vier Fahrzeuge gestohlen worden. &bdquo;Die zahlten pünktlich die ersten Monatsmieten, legten Bescheinigungen vor, es gab einen Handelsregistereintrag, alles passte“, berichtet der 32-jährige Junior, der seit fünf Jahren als Prokurist im väterlichen Betrieb tätig ist. Lesen Sie auch: Großer Discounter ist insolvent: Filiale in Gütersloh schließt – Abverkauf hat begonnen Nach einigen Wochen kamen ihm doch Zweifel. Der angegebene Firmensitz entpuppte sich als Briefkastenfirma. Weil das Fahrzeug verliehen wurde, handele es sich um Unterschlagung, nicht um Diebstahl. Für diesen Fall bestehe kein Versicherungsschutz. Alles zusammen habe dazu geführt, dass die Firma nicht mehr flüssig sei. Die Kampwerths gehen mit ihrer Geschichte in die Offensive. &bdquo;Wir wollen auch zeigen, wie man als Unternehmen unverschuldet in ein vorläufiges Insolvenzverfahren geraten kann.“ Den Kampfgeist und die Zuversicht verlieren sie nicht. &bdquo;Wir machen weiter.“

Meistgelesen