Kreis Gütersloh Kaufmann haucht Fachwerk-Ruine nach 20 Jahren neues Leben ein

Halle. &bdquo;Es war eine Sanierung mit Augenmaß. Was noch taugt, muss auch bleiben", erklärt Bauherr Joachim Kummrow seine Devise bei der Sanierung des ungewöhnlichen Doppelhauses aus der Ackerbürgerzeit unweit des Lindenplatzes. Mehr als 250 Jahre nach der Grundsteinlegung des zum Kirchplatz gelegenen Gebäudeteils und 135 Jahre nach der Erweiterung durch den direkt an der Bahnhofstraße gelegenen Gebäudeteil, erstrahlt das geschichtsträchtige Gebäude äußerlich im alten Glanz und innen in einem modernen Gewand. In den Jahren 2020 und 2021 hat es der Haller Kaufmann Joachim Kummrow in enger Zusammenarbeit mit der Oberen Denkmalbehörde von Grund auf saniert. Als siebter Besitzer in den vergangenen gut zweieinhalb Jahrhunderten hat der gelernte Journalist somit für die Lindenstadt ein Stück Geschichte bewahrt. Erste Bewohner des 1767 erstmals in der neu geschaffenen Liste mit den Namen und Adressen aller Steuerpflichtigen erwähnten Hauses war eine Familie Tappe, wobei eine Verwandtschaft des damaligen Maurers zum heutigen Bürgermeister nicht bekannt ist. Dennoch ließ es sich das aktuelle Stadtoberhaupt nicht nehmen, nun bei der kleinen Eröffnung des Hauses kurz vor Abschluss der letzten Feinarbeiten vorbeizuschauen. Die letzte Bewohnerin zieht 2002 aus &bdquo;Das Gebäude ist ein Juwel am Kirchplatz und es bringt ihn noch mehr zum Leuchten", sagte Thomas Tappe. Er dankte Kummrow dafür, dass dieser Geld in die Hand genommen und Mut bewiesen habe, um das Gebäude, das abgesehen vom gewerblich genutzten Erdgeschoss seit 20 Jahren leer stand und lediglich während des Nikolausmarkts als Lagerraum genutzt wurde, wieder aufzubauen. Zur Eröffnung überreichte er eine Denkmalsplakette, die kurz darauf neben der Eingangstür angebracht wurde. &bdquo;Das Haus wusste, was es werden sollte", sagte Kummrow. Er habe nur die notwendigen Schritte eingeleitet. &bdquo;Da die Handwerker mit Augenmaß gearbeitet haben, konnten wir im Kostenrahmen bleiben", sagt Kummrow. Diese beliefen sich laut Bauherr auf rund 2.000 Euro pro Quadratmeter. Die Sanierung habe sich über rund fünf Jahre hingezogen, die Bauzeit habe bei 20 Monaten gelegen. Die Außensanierung mit Dach und Fenstern habe etwa fünf Monate, die Innensanierung etwa 15 Monate angedauert. Während der Dachstuhl aus Fichte aus dem Jahr 1885 erneuert werden musste, konnte der Eichendachstuhl aus dem Jahr 1750 erhalten bleiben. Entstanden sind drei jeweils 50 Quadratmeter große Wohnungen, die Kummrow der Stadt zunächst für die Unterbringung von Flüchtlingen angeboten hat. Die lichtdurchfluteten Räume verleihen dem historischen Haus eine moderne Atmosphäre. Toleranter als bei einem Neubau &bdquo;Wir haben Dinge akzeptiert, die bei einem Neubau nicht möglich wären", sagt Dr. Barbara Pankoke von der LWL-Denkmalpflege in Münster. So musste beispielsweise die steile Treppe zwischen den Stockwerken, die in einem Neubau keine Chance hätte, erhalten bleiben. &bdquo;Allerdings muss alles sicher sein, sonst geht das nicht", sagt Pankoke. &bdquo;Das Ergebnis ist toll geworden. Andere wollten das Haus kaputtmachen, Herr Kummrow wollte es erhalten." Zur kleinen Feierstunde war auch Marga Graf erschienen, die 1945 in dem Haus geboren wurde und bis 1953 dort lebte. &bdquo;Ich erinnere mich gerne an diese Zeit. Das Haus war immer voller Kinder", sagt Graf. Bis 1976 verkauften hier Helmut und Charlotte Grundmann Tabakwaren, so dass das Haus &bdquo;Haller Zigarrenhaus" genannt wurde. Charlotte Grundmann verließ 2002 das Haus als letzte Bewohnerin, drei Jahre später verstarb sie im Seniorenheim Eggeblick. Zuvor hatte sie das Gebäude an Hans Schoregge verkauft, dessen Sohn Michael dort bis vor knapp 20 Jahren ein Lotto-Geschäft samt Reisebüro betrieb. Das Haus verfiel schließlich, im Dachgeschoss hatten längst Tauben ein neues Zuhause gefunden. Vor zehn Jahren verkaufte die Kreissparkasse Halle dann das Gebäude an Tamara und Volker Stelkens, die jedoch erste Pläne einer Sanierung schnell aufgaben und 2016 nach Mallorca auswanderten. Im selben Jahr erwarb Joachim Kummrow das Haus und beantragte Denkmalschutz. Im Ladenlokal ging es schon 2021 wieder los Schließlich vergingen weitere dreieinhalb Jahre, bis die Sanierung starten konnte. Grund waren vor allem die vollen Auftragsbücher der Handwerker. Baustart war im Dezember 2020. Das Fachwerk wurde komplett saniert, die beiden Dächer des Doppelhauses wurden erneuert und die Fassaden wurden aufgearbeitet und gestrichen. Der Ladeneingang im Erdgeschoss wird verlegt und das Innere auf Vordermann gebracht. Während Celina Schröter und Steffen Knauer hier im Juni 2021 ihren Unverpackt-Landen &bdquo;Erdreich" eröffnen, entstehen im ersten und zweiten Stock die drei Wohnungen. Sie sind alle gleich groß, haben jedoch ganz unterschiedliche Charaktere. &bdquo;Im neuen Dachgeschoss des jüngeren Gebäudeteils gibt es eine moderne Studiowohnung mit hoher Decke, im ersten Stock darunter ein Bel-Etage-Appartement", erklärt Kummrow. Die dritte Wohnung sei eher historisch geblieben. Niedrige Decken und Türen sowie über 250 Jahre alte Eichendielenboden, sie erinnern an die Anfangszeiten des Gebäudes. Zudem gibt es eine Art Kellerraum im ersten Stock, in dem früher wohl Saatgut und Würste aufbewahrt wurden. Der Dachboden bleibt übrigens unausgebaut. &bdquo;Ich habe keine Genehmigung erhalten, dort ein Dachfenster einzubauen", sagt Kummrow. Somit bot es sich nicht an, dort eine weitere Wohnung zu schaffen. In Zusammenspiel mit einer komplett neuen Haustechnik entstand somit innerhalb von fünf Jahren aus einer Ruine eine Art von Neubau mit geschichtlichem Kern. &bdquo;Die Sanierung war günstiger, als ein Haus dieser Größe neu zu bauen", erklärt Kummrow. Die Sanierung bewahre die interessante Historie des Hauses und stärke das beliebte Haller Herz. &bdquo;Ohne den Denkmalschutz wäre ein Erhalt kaum mehr wirtschaftlich darstellbar gewesen", sagt Kummrow. Er hoffe, dass andere seinem Beispiel folgten, und noch mehr Besitzer von alten Immobilien rund um den Kirchplatz eine Sanierung wagen. &bdquo;Denkmalschutz ist heute mehr Segen als Fluch. Die Zusammenarbeit mit den Behören hat viel Freude bereitet."

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