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GÜTERSLOH Ein Abend voller Harmonie

Neue Stimmen: Glanzvolles Abschlusskonzert in der Bertelsmann-Stiftung

VON MATTHIAS GANS
22.11.2010
Beim großen Finale in der Bertelsmann- Stiftung, das von vier Pianisten an zwei Flügeln üppig begleitet wurde, verabschiedeten sich die 14 Sängerinnen und Sänger fröhlich winkend, gerührt und dankbar vom begeisterten Publikum. - © FOTOS: RAIMUND VORNBÄUMEN
Beim großen Finale in der Bertelsmann- Stiftung, das von vier Pianisten an zwei Flügeln üppig begleitet wurde, verabschiedeten sich die 14 Sängerinnen und Sänger fröhlich winkend, gerührt und dankbar vom begeisterten Publikum. | © FOTOS: RAIMUND VORNBÄUMEN

Gütersloh. Bei einem Wettbewerb gibt es die Pflicht und die Kür. Beim Meisterkurs der "Neuen Stimmen", der im Zweijahrestakt zwischen dem Gesangswettbewerb der Bertelsmann-Stiftung stattfindet, scheint alles nur Kür zu sein. Und vor allem ein großer Spaß. Den hatten die Nachwuchskünstler und rund 300 geladenen Gäste in der Bertelsmann-Stiftung am Samstag nicht nur beim offiziellen Programmteil, sondern auch beim anschließenden Empfang.

Für Gustav Kuhn ist es der 8. Meisterkurs von Neue Stimmen, "und der erste, bei dem Reinhard Mohn nicht mehr dabei ist", sagte der sichtlich gerührte Künstlerische Leiter zu Beginn des Abends. "Dennoch will ich positiv in die Zukunft schauen." Dazu gab das Abschlusskonzert reichlich Anlass. 14 Sängerinnen und Sänger aus 13 Ländern ließen die Herzen der Opernfreunde schneller schlagen. "Das ist Globalisierung in ihrer schönsten Form", meinte Präsidentin Liz Mohn zum diesjährigen Treffen des internationalen Gesangsnachwuchses.

Zwei, sogar drei Weltklassestimmen will das Dozententeam um Gustav Kuhn in den erstmals zehn Tage dauernden Meisterkurs gehört haben. Für den Großteil des Publikums klangen sie alle schön. Und dass die Arbeit an der Stimme in Gütersloh nicht nur bei Fortgeschrittenen, sondern auch an der Basis, bei den Kindern, erfolgreich stattfindet, machte der Auftritt von drei Sängern des Gütersloher Knabenchors deutlich. Jannis Maskerstingjoost, Simon Borkowski und Carl Louis Lange sangen ihr Terzett aus der Zauberflöte so innig und schön, dass es der begleitenden Sopranistin die Sprache verschlug: Sie verpasste prompt ihren Einsatz. "Herr Bothmann, Sie machen hier eine fantastische Arbeit", lobte Gustav Kuhn den Chorleiter in höchsten Tönen.

Tenor Ángel Ruz Gómez scheint auf ein Zeichen der Zuneigung von Yuang Zhang, Chia-Ling Ho, Catalina Cuervo und Cigdem Soyarslan (v. r.) zu hoffen.
Tenor Ángel Ruz Gómez scheint auf ein Zeichen der Zuneigung von Yuang Zhang, Chia-Ling Ho, Catalina Cuervo und Cigdem Soyarslan (v. r.) zu hoffen.

Die Einschätzung Liz Mohns, dass der diesjährige Jahrgang ein außergewöhnlich hohes Niveau habe, sollte voll bestätigt werden. Viele Stücke, die man in Gütersloh noch nie gemacht habe, so Kuhn, bereicherten den Abend. Die intensive Arbeit, die nicht nur stimmliche, sondern auch darstellerische Aspekte betraf, fand schönsten Niederschlag in den verschiedenen Auftritten. So übertrug sich die leidenschaftliche Musik im Duett aus Leoncavallos "Bajazzo" so gründlich auf die Interpretation, dass Sopranistin Narine Yeghiyan (Armenien) und der ukrainische Bariton Iurii Samoilov die Ausdruckskraft ihrer Stimmen mit einem innigen Kuss besiegelten.

Lieblinge des Abends waren zwei Herren. Der mexikanische Tenor Carlos Osuna sang mit so viel Glanz und Kraft in der Stimme, dass er sicherlich in die Fußstapfen von Francisco Araiza treten könnte, der einmal mehr in Gütersloh unverzichtbar als Dozent wirkte. Und dem erst 24-jährigen Argentinier Fernando Radó eine grandiose Karriere vorauszusagen, bedarf es angesichts seiner voluminösen Bassstimme und seines natürlichen Spieltriebs keiner außergewöhnlichen Seherkräfte.

Doch auch im Sopranbereich dürften Kenner Entdeckungen gemacht haben. Amanda Tarver (USA) ließ ausdrucksstark mit einer Klagearie von Purcell mitleiden, wunderbar differenzierte Pianokultur offenbarte die Taiwanesin Chia-Ling Ho in einer Kurzoper von Samuel Barber. Und wie sehr der "Hölle Rache" in ihrem Herzen kochte, ließ die Türkin Cigdem Soyarslan mit dramatischer Wucht wissen. Opernlegende Grace Bumbry, die erstmals als Dozentin in Gütersloh dabei war, wird vieles mit Freude gehört haben.

Das große Finale mit 14 Stimmen und vier Pianisten an zwei Flügeln beim Trinklied aus Guiseppe Verdis "La Traviata" gab die Richtung des inoffiziellen Abends vor. Da wurde nicht nur gut gelaunt das Gehörte besprochen, sondern auch mit Vergnügen dem Reigen der Lieder zugehört, die die Sänger am Flügel sangen.

Was hatte Liz Mohn anfangs über die jungen Künstler gesagt? "Über alle kulturellen, sprachlichen und politischen Grenzen hinweg sind sie Freunde geworden." Harmonischer hätte dieser Satz nicht bestätigt werden können.