Gütersloh (NW). Rudolf Wendorff ist tot. Die langjährige Bertelsmann-Führungskraft verstarb im Alter von 97 Jahren in Gütersloh. Wendorff war neben Reinhard Mohn, Herbert Multhaupt und Manfred Fischer von 1971 bis 1975 Mitglied des ersten Vorstandes der Bertelsmann AG.
"Rudolf Wendorff war einer der engsten Wegbegleiter meines Mannes beim Aufbau von Bertelsmann", sagte Liz Mohn. "Er hat unser Unternehmen und vor allem die Verlagsarbeit ganz wesentlich geprägt. Hierfür sind wir ihm zu tiefem Dank verpflichtet und trauern mit seiner Familie."
Der am 29. März 1915 in Berlin geborene Wendorff musste sein geisteswissenschaftliches Studium aufgrund des Kriegsbeginns 1939 abbrechen. In der US-amerikanischen Kriegsgefangenschaft lernte Wendorff Reinhard Mohn kennen, auf dessen Einladung hin er 1946 nach Gütersloh kam. Am 20. März des Jahres begann er bei Bertelsmann, zunächst in der Verwaltung von Papier und Buchbindereimaterial, später als Lektoratsmitarbeiter im C. Bertelsmann Verlag. 1949 übernahm Wendorff den neuen Bereich der Fachbücher und Ratgeber und setzte in den folgenden Jahren zahlreiche Impulse in der Verlagsarbeit, unter anderem mit den ersten Ausgaben des "Bertelsmann Ratgebers" (1952) und des "Bertelsmann Lexikons" (1953) sowie mit der Gründung der "Deutschen Bauzeitschrift", die ab 1953 auf seine Anregung hin als erste Fachzeitschrift bei Bertelsmann erschien.
1959 wurde Wendorff Geschäftsführer des C. Bertelsmann Verlages und reorganisierte mit Ausnahme des theologischen Bereichs die gesamte Verlagsarbeit bei Bertelsmann. So initiierte er unter anderem die Gründung der Verlagsgruppe Bertelsmann, deren Leitung er 1968 übernahm. In dieser Funktion erweiterte er das Verlagsprogramm um weitere Fachzeitschriften und gründete den Schulverlag sowie den Wissenschaftlichen Verlag.
Am 1. Januar 1971 wurde Wendorff zum Mitglied des Vorstandes der neugegründeten Bertelsmann AG ernannt, in dem er für den Bereich "Verlage" verantwortlich zeichnete. Kurz nach Vollendung seines 60. Lebensjahres schied er Ende März 1975 plangemäß aus dem Unternehmen aus.
In den folgenden Jahren veröffentlichte Wendorff mehrere wissenschaftliche Bücher. Sein Erstlingswerk trug den Titel "Zeit und Kultur. Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa". In seinen Büchern beschäftigte sich Wendorff mit soziologischen, entwicklungspolitischen und auch kulturpolitischen Themen. Zu einigen seiner Werke referierte er weltweit.
Auch nach seiner Pensionierung blieb Wendorff rund vier Jahrzehnte eng mit Bertelsmann verbunden und verfolgte die Entwicklung des Unternehmens mit großer Aufmerksamkeit. An seinem 90. Geburtstag im Jahr 2005 blickte Wendorff im Gespräch mit der NW auf sein bisheriges Leben zurück. Der Aufbau der eigentlichen Verlagsarbeit im Haus Bertelsmann sowie die Veröffentlichung seiner Bücher seien wichtige Eckpfeiler, sagte Wendorff.