Kommentar Private Weihnachtsdeko im Kreis Gütersloh in Energiekrise: Das wirkt befremdlich

Gütersloh. Das Kaunitzer Weihnachtshaus leuchtet wieder. Haus und Garten an der Mühlenstraße 173 wurden mit 34.000 LED-Lämpchen ausgestattet – 3.000 mehr als im Vorjahr, damit es weithin sichtbar ist und Weihnachtszauber ausstrahlt. Die Lichter-Show aufgrund der Energiekrise ausfallen zu lassen, war für die Besitzer keine Option, die Leuchtzeit wurde um eine Stunde reduziert. Weil der Besitzer des Hauses selbst Elektriker ist, weiß er, was er tut, vor allem mit Blick auf die Stromrechnung. Kaunitz ist nur ein Beispiel von vielen. Ob man das Ganze nun schön findet oder nicht, ist Geschmacksfrage. Ob man das Ganze im Kontext der Krise vertretbar findet, ist eine Gewissensfrage. Wir alle müssen etwas kürzer treten, um gemeinsam ein Sparvolumen an Energie zu erzielen – diese gebetsmühlenartige Botschaft der vergangenen Wochen scheint irgendwie fehlgeschlagen. Klar gefällt den Kindern ein weihnachtliches Lichtermeer. Auch wir Erwachsene können Licht gebrauchen, weil es im Grundsatz einfach gut tut. Die Trauertage im November sind vorbei, das triste Grau am Himmel nicht. Ein Grund mehr, etwas Helles in den Tag zu bringen, wenn die Sonne es schon nicht schafft. 60 Euro soll die Lichtdeko in Kaunitz während der gesamten Leuchtzeit kosten. Das geht ja, könnte man meinen. Wäre da nicht die zeitgleiche Meldung der Stadt Verl, die Anlaufstellen für einen Blackout festgelegt hat, und den Bürgern Hilfe anbietet, wenn der Strom länger und flächendeckend ausfällt. Statt Blackout rückt eher der Brownout in den Fokus Gütersloh hat den Ernstfall auch durchgeplant. Acht Standorte werden bei längerem Stromausfall zu Notfall-Infopunkten: Feuerwehrgerätehaus Spexard, Verler Straße 360; Feuerwehrgerätehaus Avenwedde, Güthstraße 4; Feuerwehrgerätehaus Friedrichsdorf, Feuerwehrweg 4; Feuerwehrgerätehaus Isselhorst, Niehorster Straße 7; Grundschule Blankenhagen, Dresdner Straße 15; Werkfeuerwehr Mohn-Media, Nordhorn, Carl-Bertelsmann-Straße 161, Pförtnerhaus Tor 3; Rathaus Gütersloh, Berliner Straße 70; Werkfeuerwehr Miele, Gütersloh, Carl-Miele-Straße 29. Vielleicht sollte man sich die Punkte ernsthaft merken, wenigstens den einen in der Nähe. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Blackout kommt? Wohl geringer als noch vor ein paar Wochen. Ein neuer Begriff, an den wir uns wohl gewöhnen müssen, ist der Brownout – ein geplanter Stromausfall in einzelnen Stadtteilen oder einer Region, wenn nicht genügend Energie zur Verfügung steht, es zu Engpässen im (bundesweiten) Netz kommt. Und wie ist die Gaslage? In Bielefeld wurde in dieser Woche von den Stadtwerken großzügig verkündet, dass private Haushalte und systemrelevante Einrichtungen wie Krankenhäuser nicht damit rechnen müssen, dass ihnen der Gashahn zugedreht wird. &bdquo;Nicht geschützte Kunden“ hingegen schon. Das sind große Industrieverbraucher. &bdquo;Nur“ zehn Prozent der Abnehmer würden in Bielefeld unter diese Kategorie fallen. Entspannung sieht anders aus. Auch an den Begriff Energiearmutsrisiko wird man sich gewöhnen müssen Was würde passieren, wenn bei einer Gasmangellage die Firma Bertelsmann als mutmaßlich größter Stadtwerke-Kunde und Hauptarbeitgeber der Stadt Gütersloh keine Energie mehr geliefert bekommt? Längst mutmaßen die Energieexperten, dass die &bdquo;geschützten Kunden“ bei solchen Szenarien nicht mehr die Privathaushalte sein werden, sondern die Wirtschaftsunternehmen. Auf der einen Seite frieren die Menschen &bdquo;nur“, auf der anderen Seite droht ein ganzes System zusammenzubrechen. Diese politische Entscheidung bleibt uns hoffentlich allen erspart. Die Problemlage in vielen Gütersloher Privathaushalten ist bereits jetzt so groß, dass die Stadtwerke im Kundenservice nicht mehr hinterherkommen. Die Angst vor den drohenden Rechnungen wächst. Die Gütersloher werden ab Januar erneut mehr für ihre Energie bezahlen müssen. Drei Monate nach dem Preissprung im Oktober, sechs Monate nach dem im August und zwölf Monate nach dem im Januar sehen sich die Stadtwerke zum vierten Mal gezwungen, die Schraube anzuziehen. Für den Durchschnittshaushalt ergibt das im Vergleich zu heute monatliche Mehrkosten von 17 Euro, trotz Gaspreisbremse. &bdquo;Energiearmutsrisiko“ gehört ebenfalls zu den Begriffen, die neu hinzukommen. Dabei ist er gar nicht so neu. Bereits 2020 lag der Anteil der Bevölkerung, die ihre Wohnung nicht angemessen heizen konnten, in Deutschland bei 9 Prozent. Laut einer EU-Studie lagen die Zahlen nur in Spanien, Griechenland, Litauen und Bulgarien noch höher. Menschen gelten als von Energiearmut bedroht, wenn sie mehr als zehn Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für Energie (Heizen, Warmwasser, Strom) aufwenden müssen. Und nun rechnen Sie selbst mal mit Blick auf Ihre Abrechnung. Bereits im Mai dieses Jahres schoss die Statistik der Energiearmutsquoten an die 25-Prozent-Grenze. Beleuchtung, um Licht ins Dunkel der Welt zu bringen? Die Kirchen schließen ihre Gotteshäuser für mehrere Monate, um Heizkosten zu sparen, öffentliche Verwaltungen reduzieren sich in den Büroflächen, nachts gehen die Straßenlaternen aus – die Liste der Energiesparmaßnahmen ist lang, da der Appell der Bundesregierung ernst genommen wurde und wird. Jede Kilowattstunde zählt. Befremdlich wirkt dagegen die Zurschaustellung von privater Weihnachtsdeko mit 520 Watt, die neun Stunden am Tag und vier Wochen am Stück im Vorgarten leuchtet, um &bdquo;Licht ins Dunkle dieser Welt“ zu bringen. Nach diesem Prinzip müssten wir alle möglichst viele Lampen anknipsen, um die Krisen etwas heller und damit freundlicher erscheinen zu lassen. So einfach ist es dann doch nicht. Leider.

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