Gütersloh Kommentar: Autos raus aus dem Gütersloher Zentrum!

Gütersloh. Die Hans-Böckler-Stiftung hat unter der Woche das Ergebnis einer Umfrage vorgelegt. Sie hat die Bundesbürger gefragt, wo sie wegen der hohen Inflation Geld sparen wollen. Jeder Zweite, 53 Prozent, gab an, er wolle weniger Kleidung und Schuhe kaufen. Ähnlich viele wollen seltener in Restaurants und Gaststätten gehen. Verwundert es da noch, dass die Gütersloher Einzelhändler und Gastronomen nervös werden? Dass sie gemeinsam mit Authohändlern und Kreishandwerkerschaft eine Allianz gebildet haben, die darauf drängt, die Innenstadt autofreundlich zu halten, darf man ruhig als einen Akt auffassen, hinter dem eine große Sorge steht: die, dass die Innenstadt verödet. Die, dass es an Kunden mangelt. Es ist zum Verzweifeln Tatsächlich hat es die City, das Geschäftszentrum gerade schwer. Covid-19 hat gesiebt. Wer werktags durch unsere Fußgängerzone schlendert, ist erschrocken, wie wenig Passanten man trifft; kein Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Wir haben das schon zigfach gehört: Die Leute muckeln sich in ihren Privatstübchen ein, sie fühlen sich müde, sie kaufen vom Sofa aus, sie gucken Netflix leer, sie dödeln in asozialen Medien rum, sie meinen, ein Leben auch mit weniger direktem menschlichen Kontakt führen zu können. Es ist zum Verzweifeln, erst recht für jene, die für ihren Lebensunterhalt auf leibhaftige Begegnungen angewiesen sind. Dass sie in solcher Bedrängnis nach jedem Strohhalm greifen, ist naheliegend – dumm nur, wenn es der falsche ist. Denn im Zentrum weiterhin das Auto zu priorisieren, ist das Gegenteil von dem, was sie zum Überleben bräuchte. Lesen Sie auch: Angst um Erreichbarkeit der Gütersloher Innenstadt? Gegenwind für Auto-Allianz Unnötig Fronten aufgebaut Dass die Allianz in ihrem Schreiben an die Stadt mit falschen Unterstellungen gegen Fahrradverbände agitiert und unnötig Fronten aufgebaut hat – geschenkt. Sieht man sich ihre Forderungen näher an, fällt auf, dass es ihnen gar nicht um einen Feldzug gegen die Fahrradlobby geht, sondern um das Stärken der Innenstadt und ein &bdquo;gemeinsames Mobilitätskonzept“. Eines, in dem auch das Auto seinen Platz hat. Nun denn. Wo also hat es seinen Platz? Das ist die Frage, über die in Gütersloh zu streiten wäre. Ist es, um drei Kernforderungen der Allianz aufzugreifen, tatsächlich erforderlich, keine weiteren Straßen für den Autoverkehr zu sperren? Kurzzeitparken kostenlos sein zu lassen? Alle Parkplätze zu erhalten? Nein, ist es nicht. Nichts davon. Einige Straßen könnten gesperrt werden Machen wir es konkret: Die Stadt könnte Schulstraße, Strengerstraße, Kökerstraße und einen Teil der Eickhoffstraße sperren. Vielleicht auch weitere Teile der Moltke-, Münster- und Feldstraße. Sie sollte darauf achten, dass Busse, Patienten, Anlieger und Lieferanten durchkommen, aber alle anderen Motorisierten, ob elektrisch oder fossil, mögen bitte draußen bleiben. Entscheidendes, vielleicht sogar einziges Kriterium: die Parkhäuser zugänglich zu halten. Jedoch nicht alle. Das Sinn-Parkhaus (Karstadt) ist grausam und überflüssig. Die Stadt kann sich die millionenschwere Sanierung sparen und das Geld lieber in eine bürger- und verbraucherfreundliche Umnutzung stecken, damit wäre der City mehr geholfen. Und warum eigentlich wird das womöglich erneut gefloppte Hotel neben dem Theater unverdrossen mit einem Parkhaus geplant? Einen Steinwurf entfernt steht doch eines, meistens ist es gähnend leer. Parkhaus am Langen Weg? Interessanter wäre es, über ein Parkhaus am Langen Weg nachzudenken, auf der anderen Seite des Bahndammes. In ein paar Jahren, wenn die Passage unterm Bahnhof kommt, wäre dieser Standort ideal. Grundgedanke: Es reicht, wenn die Autos vor die Tore des Zentrums gelangen, sie müssen nicht hinein und schon gar nicht hindurch. Oberirdische Parkflächen, sofern man meint, welche zu brauchen, sind auf dem Marktplatz oder hinter der Weberei schon passend platziert. Studien, dass Radfahrer, Fußgänger und Nahverkehrsnutzer durch die Vielzahl ihrer Besuche mehr Geld in den Geschäften als die Autofahrer lassen, gibt es zur Genüge. Eine Kommunalumfrage, 2020 noch von der CDU-geführten Landesregierung in Auftrag gegeben, legt nach. "Die Erreichbarkeit der Zentren mit dem motorisierten Individualverkehr verliert an Bedeutung" &bdquo;Die Erreichbarkeit der Zentren mit dem motorisierten Individualverkehr verliert an Bedeutung“, heißt es darin. Dieser Bedeutungsverlust beziehe sich nicht allein auf Großstädte, sondern auch auf größere und kleinere Mittelstädte. Noch seien Autos das mit Abstand wichtigste Verkehrsmittel, um die Zentren zu erreichen, doch das ändere sich rapide. Der öffentliche Nahverkehr erfahre einen &bdquo;sprunghaften Bedeutungsgewinn“, in spätestens zehn Jahren, sprich 2030, wollten viele Kommunen zugunsten von Bus, Bahn, Rad- und Fußwegen die Autos aus den Innenstädten verbannt haben. Deutlicher konnte CDU-Ministerin Ina Scharrenbach den Trend kaum formulieren. Wie wäre es mit einem City-Bus? Der Zeitpunkt, die Zugänglichkeit des Gütersloher Zentrums neu zu sortieren, ist günstig. Die Stadt ist ohnehin im Begriff, das Post- und Bahnhofsgelände und ihren Busverkehr zu überplanen. Interessant ist die Idee, die der Sprecher des Verkehrsclub Deutschland, Felix Kupferschmidt, äußerte: einen Shuttle durch die Innenstadt und zwischen den Parkplätzen pendeln zu lassen. Das könnten kleine Elektrobusse sein, leise und unauffällig, aber hilfreich vor allem für jene, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Schon zweimal hat es in Gütersloh Anläufe für einen solchen City-Bus gegeben, 1995 und 2007. Beide Male kamen die Stadtwerke und in der Folge die Ratsfraktionen zum Resultat, ein solches Angebot sei zu teuer. Ihre Beschlüsse stammen aus einer Zeit, als der Druck der Klimakrise weniger spürbar war, als es kaum E-Fahrzeuge gab und kein Neun-Euro-Ticket.

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