Gütersloh Hier in Gütersloh gibt es Lebensmittel zum Schnäppchenpreis

Gütersloh. Zugegeben: Ich liebe Überraschungen. Ganz klar also, dass dieses Experiment wie für mich gemacht ist. &bdquo;Du bekommst immer eine Überraschungstüte zu einem vergünstigten Preis und tust der Umwelt damit etwas Gutes“ – mit genau diesem Spruch wirbt die App &bdquo;Too good to go“ (dt.: zu schade zum Wegwerfen). Klingt super, oder? Das Konzept Das Konzept dahinter ist ziemlich simpel: Die App verbindet Kunden mit Restaurants und Geschäften, die unverkaufte, überschüssige Lebensmittel haben und diese zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer verkaufen. Den Preis und den Abholzeitpunkt bestimmen die Händler. Kunden stöbern durch die App und bekommen angezeigt, welche Lokale in der Nähe übrige Produkte im Angebot haben. Schnell sein lohnt sich So weit, so gut. Ich merke allerdings ziemlich schnell: Wenn ich eine Überraschungstüte haben möchte, dann muss ich mich beeilen. Regelmäßig checke ich die Angebote in der App, fast immer sind die Tüten überall ausverkauft. An einem Nachmittag habe ich dann Glück. Für den nächsten Abend ergattere ich gleich zwei Überraschungstüten: eine beim Kara Markt an der Georgstraße und eine bei der Bäckerei Liening an der Königstraße. Den Reservierungscode gibt es direkt in der App, bezahlt wird im Vorfeld mit Paypal oder Kreditkarte. Beide Tüten kann ich zwischen 18 und 18.30 Uhr abholen. Was ich bekomme? Keine Ahnung. Überraschung eben. Lesen Sie auch: Welche Supermärkte in Gütersloh Lebensmittel nach Hause liefern Obst, Gemüse, Chips Mein erster Halt dann am nächsten Abend: der Kara Markt. Schon beim Betreten des Ladens sehe ich am Eingang einen Aufkleber, der anzeigt, dass der Markt bei &bdquo;Too good to go“ mitmacht. Als ich an der Kasse mein Handy zücke, um meine Bestellung vorzuzeigen, weiß man sofort Bescheid. Innerhalb weniger Sekunden bekomme ich eine prall gefüllte Kiste in die Hand gedrückt. &bdquo;Viel Freude damit!“ Ich bin fast zu perplex, um zu antworten. Ich bedanke mich noch und schleppe dann die Kiste raus. Zehn Tomaten, drei Bananen, fünf Paprika, eine Peperoni, elf (!) Äpfel, zwei Möhren, vier Packungen Brotchips, eine Packung mit türkischen Backwaren. Statt 12 Euro habe ich hierfür gerade mal vier Euro gezahlt. Ich freue mich – bereue aber auch kurz, am Morgen mit der Bahn und dem Fahrrad zur Arbeit gekommen zu sein. Nur die Hälfte der Produkte bekomme ich in meinem großen Rucksack verstaut. Den Rest muss ich also im Karton tragen und bis nach Hause balancieren. Und ich habe ja noch nichtmal alles eingesammelt. Brot, Kuchen, Brötchen Mein nächster Halt: die Bäckerei Liening. Auch hier weiß man sofort Bescheid – ich brauche gar nicht viel sagen. Eine Mitarbeiterin holt drei Tüten, kontrolliert nochmal alles und wünscht mir einen schönen Abend. Draußen vor dem Laden schaue ich nach, was sich nun noch zu meinen Äpfeln, Tomaten und Co. gesellt: ein ganzes Körnerbrot, ein Streuselkuchen, zwei helle und zwei dunkle Brötchen und ein Käsebrötchen. Gezahlt habe ich 3,30 statt zehn Euro. Während ich vollbepackt zum Bahnhof laufe, mache ich einen Kassensturz. Die gefühlten zehn Kilo Lebensmittel haben mich am Ende 7,30 Euro gekostet. Normal hätte ich 22 Euro zahlen müssen. Wow! Insgesamt machen in Gütersloh aktuell 22 Läden bei &bdquo;Too good to go“ mit. Darunter unter anderem &bdquo;hey.fratelli“ an der Bielefelder Straße, die laut Betriebsleiter Dennis Harms wöchentlich bis zu 20 Überraschungstüten abgeben, oder auch die Filiale des Denns Biomarkt an der Strengerstraße. Pro Tag werden dort laut Regionalleiter Michael Rosenboom bis zu zehn Überraschungstüten verkauft. Seit Start im vergangenen Jahr seien mehr als 3.500 Tüten an die Kunden gebracht. Enthalten seien zum Beispiel Obst und Gemüse, Backwaren, Trockenware wie Haferdrinks, Schokolade, Riegel oder Chips - aber auch Milch, Wurst und Käse, die sich dem Mindesthaltbarkeitsdatum nähern. "Das Interesse ist nach wie vor hoch", sagt Rosenboom, "die App erfreut sich großer Beliebtheit und weckt bei einer breiten Bevölkerungsgruppe das Bewusstsein für einen sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln. Jeder kann mitmachen. Das begrüßen und unterstützen wir.“ Lesen Sie auch:Wo sind die Lebensmittel am günstigsten? Wir machen den Test! 8.000 Portionen gerettet Im vergangenen Jahr retteten die Gütersloher laut Sprecherin Viktoria Prillmann insgesamt 10.250 Portionen vor der Tonne. Im Jahr 2022 wurden bis jetzt aktuell bereits rund 8.000 Portionen vor der Verschwendung gerettet. Die Macher der App würden besonders in den vergangenen Wochen und Monaten eine deutlich höhere Nachfrage bemerken, so Prillmann Im vergangenen halben Jahr sei die Anzahl der täglich geretteten Portionen in ganz Deutschland kontinuierlich gestiegen – von etwa 20.000 auf aktuell etwa 30.000 Portionen pro Tag. Auch die Anzahl der monatlich neu registrierten Nutzer sei seit Beginn des Jahres leicht gestiegen. &bdquo;Lebensmittel retten per App ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für den Geldbeutel“, betont Prillmann, &bdquo;in Anbetracht der gestiegenen Lebenshaltungskosten natürlich ein dankbarer Nebeneffekt. Eine Möglichkeit, die viele Nutzer gerade jetzt gerne nutzen.“ Tortellini und Fleisch Auch das Restaurant &bdquo;LokalLiebe“ in Isselhorst macht mit. Einmal in der Woche füllen Inhaberin Svenja Petersen und ihr Team die Überraschungstüten – meistens mit übrigen Wochengerichten wie Tortellini oder Geschnetzeltem. Aber auch Kuchen oder Dessert sind manchmal drin. &bdquo;Wir sind seit etwa einem Jahr dabei“, berichtet Petersen, &bdquo;angefangen haben wir im harten Lockdown. Wir hatten einfach viele Lebensmittel übrig, die viel zu schade zum Wegwerfen waren.“ Bis zu neun Tüten hat Petersen damals in der Woche verkauft. Mittlerweile sind es zwar etwas weniger, aufhören will sie aber trotzdem nicht. Gerade aktuell bemerke sie eine deutlich höhere Nachfrage. Anfangs hätten vor allem viele Stammkunden das Angebot wahrgenommen – derzeit seien aber auch immer wieder neue Gesichter dabei. &bdquo;Das Konzept ist super – ich würde mich freuen, wenn noch mehr Restaurants mitmachen würden. Andere Städte sind da schon etwas weiter.“ Überraschung zum Schluss Übrigens: Ich selbst habe an dem Abend alle Produkte heile nach Hause bekommen. Von der Einkaufsliste habe ich direkt etliche Posten gestrichen – und anschließend sofort einen großen Topf Apfelmus gekocht. Immerhin wollten elf (!) gerettete Äpfel verarbeitet werden. Was ich gelernt habe? Man kann mit der App ziemlich viel Geld sparen. Und sollte nächstes Mal eine größere Tasche mitnehmen. Achja: Beim Auspacken aller Lebensmittel habe ich ganz hinten im Karton noch eine Birne gefunden. Ich sage ja: Ich liebe Überraschungen.

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