Gütersloh Wird Gütersloh künftig zur Biostadt? Das wären die Vorteile davon

Frau Hirsch, sie sind Montag zu Gast in Gütersloh. Der Klimabeirat will dem Rat empfehlen, Mitglied im Netzwerk der Biostädte zu werden. Was ist denn überhaupt eine Biostadt? DARYA HIRSCH: Die Biostadt ist keine Einzelinitiative oder Projekt, das ist ein Netzwerk der Biostädte, Gemeinden und Landkreise. Es geht darum, den ökologischen Landbau, Weiterverarbeitung und Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in der Region zu fördern. Im Fokus stehen kurze Transportwege und regionale Wertschöpfung. In öffentlichen Einrichtungen und bei Veranstaltungen werden in diesen Städten vorrangig Bio-Lebensmittel verwendet, zum Beispiel in der städtischen Kita- und Schulverpflegung, aber auch bei Empfängen der Stadt. Ist das nicht nur etwas für reiche Städte? Biolebensmittel sind ja teurer als konventionell erzeugte Produkte. So eine Umstellung erfolgt ja nicht abrupt. Gerade am Anfang soll die Umstellung kostenneutral sein. Man beginnt erst mit einem kleinen Anteil: In Bonn waren es 10 Prozent des monetären Einkaufskorbs, insbesondere Trockenprodukte wie Nudeln oder Reis. Solch eine bewusste Ernährung muss nicht immer teurer sein. Denn gerade der direkte Bezug von regionalen und saisonalen Lebensmitteln ermöglicht es, gute Produkte zu guten Preisen zu erhalten. Es wird also nicht erwartet, dass die komplette Mahlzeit aus Bio-Produkten besteht? Nein, man fängt langsam an. Bei uns in der Stadt Bonn haben wir derzeit eine Bio-Anteil von 20 Prozent in der Verpflegung von städtischen Kitas und Schulen. Dieser soll perspektivisch auf 50 Prozent ansteigen – dann müsste man vermutlich über eine Erhöhung der Elternbeiträge nachdenken. Hierbei gilt es alle Beteiligten einschließlich der politischen Entscheidungsträger transparent zu informieren und frühzeitig einzubinden. Welche Vorteile sehen Sie denn in Verwendung von Produkten der ökologischen Landwirtschaft? Der Bio-Landbau schont Böden, sorgt für weniger belastetes Abwasser, fördert die Artenvielfalt und trägt dazu bei, unser Klima zu schonen. &bdquo;Bio“ steht somit für Nachhaltigkeit, den sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt und eine möglichst artgerechte Tierhaltung. Was hat sich in Bonn geändert, weil die Stadt seit 2019 Bio-Stadt ist? Wir bringen mehr Bio in die Kindergarten- und Schulverpflegung zu erschwinglichen Preisen und fördern die regionale Wertschöpfung. Wir verstehen uns als Botschafter einer nachhaltigen Lebensweise, indem wir als Verbraucherin mit gutem Beispiel voran gehen. Außerdem hat die Stadt Bonn noch 230 Hektar landwirtschaftliches Land, welches an ortsansässige Landwirte verpachtet ist. Diese Flächen sollen nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien bewirtschaftet werden. Außerdem hat sich ein Nachhaltigkeits-Festival &bdquo;Bonn-Rundum nachhaltig“ (https://rundum-nachhaltig.bonn.de/) etabliert, das im September die verschiedenen Initiativen und Organisationen, die im Bereich Nachhaltigkeit engagiert sind, zusammenbringt. Wir informieren Verbraucherinnen und Verbraucher, geben Bio-Einkaufsführer heraus oder veranstalten ökologische Vernetzungstreffen mit Akteurinnen und Akteuren der nachhaltigen Ernährungssysteme. Dabei arbeiten wir eng mit örtlichen Bildungseinrichtungen, Umweltverbänden und Initiativen zusammen. Bildungsprojekte sollen das Thema Bio auch direkt in die Schulen bringen, etwa durch Hoffahrten und Aktionen mit den Bio-Caterern. Diese Projekte planen und konkretisieren wir zurzeit. Gab es Widerstände gegen die Bio-Stadt Bonn seitens der konventionell wirtschaftenden Landwirte? Wir zwingen ja niemanden, auf Öko umzustellen. Wir befinden uns in einem guten Dialog mit unseren Pächtern, der Kreisbauernschaft Rhein-Sieg, aber auch mit der Landwirtschaftskammer NRW und der zuständigen Bio-Station. Die Stadt Gütersloh ist als Faitrade-Town zertifiziert, ein Ratsbeschluss unterstützt die Einführung eines veganen Klimamenüs. Braucht es jetzt noch den Titel Biostadt? Diese Initiativen gehen alle Hand in Hand. Die Aktivitäten der Biostadt stehen nie für sich alleine. In dem Netzwerk ist nichts vorgeschrieben. Jede Kommune findet ihren eigenen Weg und definiert eigene Ziele. Das Netzwerk bietet die Möglichkeit,voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Gibt es im Netzwerk der Biostädte auch Leuchtturmprojekte? Bisher haben sich 25 Städte, Gemeinden und Landkreise dem Netzwerk angeschlossen. Die Stadt Bremen beispielsweise, seit 2015 Biostadt, wird alle Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen in ihrer unmittelbaren Einflusssphäre auf bis zu 100 Prozent biologische und möglichst regionale Produkte umstellen. Die Stadt Augsburg hat ein erfolgreiches Konzept für die Hoffahrten von Drittklässlern ausgearbeitet und durchgeführt. Was muss Gütersloh tun, um Biostadt zu werden? Dazu braucht es einen Ratsbeschluss und für die jeweilige Stadt definierte Ziele. Und es muss im Vorfeld geklärt sein, wer sich in der kommunalen Verwaltung darum kümmert – in vielen Biostädten ist die Koordination mit einer halben Stelle im Umweltamt angegliedert. Die Basis der Netzwerkarbeit bildet eine Kooperationsvereinbarung, die alle Mitglieder unterschrieben haben. Im Vordergrund stehen Erfahrungsaustausch, gemeinsame Projekte, die Akquise von Fördermitteln und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Welche Vorteile hätte Gütersloh von einem Beitritt zum Netzwerk der Biostädte? Durch den Beitritt zum Netzwerk profitiert die Stadt von der langjährigen Erfahrung anderer Biostädte. Denn diese können wichtige Informationen weitergeben. Zum Beispiel dazu, wie sich Qualitätsmanagement und Lebensmitteleinkauf bei der Umstellung der Mittagsverpflegung in den Kindereinrichtungen auf Bio am besten organisieren lassen. Auch zur Vernetzung von Akteuren entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Bio-Lebensmitteln, wie für den Aufbau direkter Erzeuger-Verbraucher-Beziehungen, gibt es schon viele erprobte Konzepte, auf welche die Stadt Gütersloh als Teil des Netzwerks dann zurückgreifen kann.

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