Gütersloh Hilfe, die ankommt: Bald auch für Ukrainer

Gütersloh. In ihrer Bekanntheit steht die Walter Blüchert Stiftung manchen anderen nach. In ihrer Verbreitung und der Wirksamkeit ihres Tuns nicht: Annähernd 15.000 Menschen haben die Projekte der Stiftung seit deren Gründung vor zehn Jahren durchlaufen: Das ist die Zahl, die der Vorstandsvorsitzende Gunter Thielen (79) gestern bei einem Pressegespräch zum runden Geburtstag nannte. Demnächst, so Thielen, werde sich die Stiftung auch um ukrainische Flüchtlinge kümmern. Thielen sagte, der Stiftung stehe unverändert ein Jahresetat von rund vier Millionen Euro zur Verfügung. Damit zählt sie in Ostwestfalen-Lippe zu den größten. Der Schwerpunkt der Projekte liegt in NRW, darunter Bielefeld und Kreis Gütersloh. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Benachteiligten zu helfen – Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, die mit persönlichen und gesellschaftlichen Barrieren zu kämpfen haben. Auch auf die Corona-Herausforderung rasch reagiert Sieben Programme betreut die Stiftung derzeit. Sie richten sich an Schüler, Flüchtlinge, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Lehrlinge. Das mit Abstand größte heißt &bdquo;Angekommen“: Es hilft jungen Flüchtlingen und Zuwanderern, einen Schulabschluss zu machen und einen Beruf zu lernen. Annähernd 60 Prozent aller Blüchert-Schützlinge entfallen darauf.Dieses und andere Projekte seien geeignet, sich auch für die Ukrainer zu öffnen. Die vielen Mütter, die Krieg und Flucht zu Alleinerziehenden machte, ihre Kinder: &bdquo;Sie benötigen unsere Hilfe. Wir sind gewillt, rasch zu handeln“, sagt Thielen. Mit einigen Partnern sei bereits beredet, wie man die Projekte anpasse. Das Geld und die Bereitschaft seien da. Auch bei der Corona-Pandemie war es der Stiftung gelungen, binnen kürzester Zeit zu reagieren. Ein väterlicher Freund des ehemaligen Bertelsmann-BossesAls Thielen, der ehemalige Bertelsmann-Boss, die Stiftung aus der Taufe hob, sagte einem der Name wenig. Wer war Walter Blüchert? Thielen stellte Blüchert (1920-2007) als einen erfolgreichen Kaufmann dar, als einen Mann, der aus bescheidenen Verhältnissen kam und dem daran gelegen war, den Notleidenden zu helfen. Blüchert zählte sowohl Reinhard Mohn als auch Axel Springer zu seinen Freunden, Thielen lernte ihn während seiner Bertelsmann-Zeit kennen und erlebte ihn, so berichtet er, als väterlichen Freund. Als Blüchert 2007 starb, hinterließ er ein enormes Vermögen. Thielen, sein Testamentsvollstrecker, gründete damit die Stiftung mit Sitz in Hamburg und Verwaltung in Gütersloh. Fünf Jahre später, 2012, nahm sie ihre aktive Arbeit auf – vor zehn Jahren. Das Besondere an der Stiftung sei, dass sie für alle Projekte Partner habe: Kommunen, Arbeitsagenturen, Bildungsträger, Universitäten, andere Stiftungen, das Land, NGOs (Nichtregierungs-Organisationen). Auch ein Fußballverein wie Borussia Dortmund zähle dazu. In der Regel würden Verträge mit drei Jahren Laufzeit geschlossen, mit Verlängerungsoption. Diese Option sei bislang stets genutzt worden, keines der Projekte sei ausgelaufen. Lediglich die Orte hätten mitunter gewechselt. Lange Laufzeiten, räumliche Verbreitung und inhaltliche Fokussierung: Das sei das, woran der Stiftung liege. Ebenso Nachhaltig- und Übertragbarkeit: Alle Projekte werden wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Zahl der Programme ist beschränkt – es sind gerade mal sieben - &bdquo;Angekommen“: 2015 in Dortmund gestartet, läuft es inzwischen auch in Bielefeld, Münster, Essen und im Kreis Recklinghausen. Geholfen wird jungen jungen Flüchtlingen und Zuwanderern, vor allem beim Schulabschluss und Berufsstart. Mehrere tausend machten bislang mit. - &bdquo;Durchstarten“: Läuft im Kreis Gütersloh. Mentoren helfen jungen Leuten, eine Lehrstelle zu finden und bei der Stange zu bleiben; die Betreuung ist eng, die Stiftung übernimmt 80 Prozent der Ausbildungskosten. Rund 20 Jugendliche haben das Programm bislang durchlaufen, zwei Drittel packens. - &bdquo;Gut:gehen“: Eine Antwort auf Corona. Im November an drei Grundschulen in Bielefeld gestartet. Grundschulkinder, denen Pandemie und Distanzunterricht zugesetzt hat, werden an die Hand genommen und stabilisiert. &bdquo;Gut und ausbaufähig“, sagt Ingrid Kramer, stellvertretende Stiftungsvorsitzende. Gelsenkirchen habe schon angefragt. - &bdquo;Hochform“: Eine Förderung für Flüchtlings-Akademiker. Syrer und Afghanen, die aus ihrer Heimat einen Studienabschluss mitbringen (oft in MINT-Fächern), können ein Zusatz-Studium draufsatteln. &bdquo;Das läuft sehr erfolgreich“, sagt Thielen, die Personalchefs von Firmen wüssten, was sie an diesen Leuten haben. Mittlerweile ist das Programm auf Medizinstudenten ausgeweitet, Voraussetzung: Sie müssen als Ärzte bereit sein, aufs Land zu gehen. - &bdquo;Neustart“: Richtet sich an Langzeitarbeitslose. Sie bekommen Qualifizierungen und Umschulungen, werden zu Altenpflegern, Lkw-Fahrern, Produktionshelfern. Läuft in mehreren Städten. - &bdquo;Was geht!“ In Gütersloh das bekannteste Programm. Es hilft Schülern, zumal Realschülern, sich beruflich zu orientieren. Jugendliche lernen ihre Interessen, Stärken und ihr Potenzial kennen, verbessern so ihre Startchancen, machen sich fit für den Arbeitsmarkt. Auch in Bielefeld und anderen Orten etabliert. - &bdquo;Wir2“: Für Alleinerziehende mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter. Das Programm, entwickelt von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, stärkt und stabilisiert die Eltern. Sie bekommen Workshop-Sitzungen, Reha-Maßnahmen, Kuren. Die Krankenkassen ziehen mit. Aktuell testet die Stiftung eine Online-Alternative mit der Bielefelder Awo. INFO-KASTEN - Die Stiftung ist gemeldet in Hamburg, hat aber ihren Verwaltungssitz in Gütersloh in der alten Fricke-Villa an der Eickhoffstraße (Baujahr 1897). - Benannt ist sie nach ihrem Stifter, dem Finanzmakler und Verleger Walter Blüchert (1920-2007).- Stiftungskapital: 220 Millionen Euro. Langfristig angelegt, stabil ausschüttend. Jahresetat vier Millionen Euro.- Zehn Beschäftigte in Voll- und Teilzeit. Vorsitzender Gunter Thielen, Stellvertreterin Ingrid Kramer. Stiftungsrat ist der Schweizer Reto Mengiardi, ehemaliger Finanzminister des Kantons Graubünden.

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