Kreis Gütersloh Putins Atomwaffen reichen bis Gütersloh: Was würde im Ernstfall passieren?

Gütersloh. Nachdem Putin wochenlang erklärt hatte, bei dem militärischen Aufmarsch handele es sich um eine Übung, erfolgte am 24. Februar der Angriff. Kurz darauf stellte er einen Atomangriff in Aussicht, wenn man sich seinen Zielen widersetzt. Kaliningrad (Königsberg), ein mit Atomwaffen ausgerüsteter Stützpunkt, ist 870 Kilometer von Gütersloh entfernt. Der gesamte Kreis Gütersloh ist also mit taktischen Atomwaffen (Kurzstreckenraketen) erreichbar. Unter diesem Aspekt ist es sinnvoll, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen - zumal in der Nacht zu Freitag bereits Europas größtes Atomkraftwerk in Saporischschja beschossen und in Brand gesetzt wurde. Die Angst, dass im Krieg auch Atomwaffen eingesetzt werden könnten, sorgt derzeit für eine erhöhte Nachfrage nach Jod-Tabletten in den Apotheken im Kreis Gütersloh. &bdquo;Seit einigen Tagen kommen immer wieder besorgte Patientinnen und Patienten in die Apotheken vor Ort, die sich mit Jod-Tabletten bevorraten wollen“, erklärt Apothekerin Claudia Scherrer, Sprecherin der Apothekerschaft im Kreis Gütersloh. &bdquo;Ich rate jedoch dringend davon ab, sich durch eine selbstständige Einnahme der Tabletten vor einer vermeintlichen Belastung mit radioaktivem Jod zu schützen.“Die Katastrophenschutzbehörden in Deutschland hätten 189,5 Millionen hochdosierte Kaliumiodid-Tabletten (Jod-Tabletten) eingelagert, um diese bei Bedarf an die Bevölkerung im Umkreis von 100 Kilometern um den Unfall-Reaktor auszugeben. Wichtig: &bdquo;Eingenommen werden sollten die Tabletten ausschließlich nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Behörden“, betont die Apothekerin. Nicht verwechseln sollte man diese hoch dosierten Jod-Tabletten mit denen, die manche Patienten regelmäßig zur Jodsubstitution einnehmen müssen, denn &bdquo;die wären im Falle einer Freisetzung radioaktiven Jods um das 100- bis 1000-Fache unterdosiert“. Eines müsse der Bevölkerung allerdings klar sein, wie Scherrer betont: &bdquo;Sollten andere radioaktive Stoffe wie Caesium, Strontium oder Plutonium freigesetzt werden, helfen Jodtabletten nicht.“Aber wie ist die Verteilung der Tabletten im Ernstfall geregelt? Aber wie ist die Verteilung der Tabletten im Ernstfall geregelt? &bdquo;Im Kreis Gütersloh haben wir für den Ernstfall 384.576 Faltschachteln mit jeweils 4 Jodtabletten“, erklärt Kreissprecher Jan Focken gegenüber der NW. Die Verteilung erfolge vorgeplant über die Städte und Gemeinden im Kreis Gütersloh. Zu beachten sei, dass nur ein Teil der Bevölkerung die Jodtabletten nehmen darf. Dafür gebe es bestimmte Richtlinien, etwa sollte man ab 48 Jahren vorsichtig sein und vor Einnahme mit einem Arzt sprechen. &bdquo;Der Bedarf für den Bevölkerungsteil ist mit den Tabletten mehrfach abgedeckt“, so Focken. Zu beachten sei ferner, dass mit Ernstfall hier eher ein Reaktorunglück gemeint sei und die Tabletten unter diesem Eindruck angeschafft worden sind.Ein Angriff mit Atomwaffen in Gütersloh, was macht man dann? Öffentliche Schutzräume wie Luftschutzbunker gibt es nicht mehr. Im Jahr 2007 beschlossen Bund und Länder gemeinsam, öffentliche Schutzräume nicht weiter zu erhalten. &bdquo;Mit dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts schien das Szenario eines konventionellen Krieges mit großflächigen Bombardierungen und dem Einsatz chemischer und nuklearer Waffen nicht mehr zeitgemäß“, heißt es beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Berlin. Viele Sirenen wurden im Laufe der Zeit abgeschafft Auch in Gütersloh findet man keinen offiziellen Bunker mehr. Mit der Grundsanierung der Tiefgarage Daltropstraße vor rund fünf Jahren wurde die Zivilschutzanlage außer Betrieb gesetzt. Die Garage sollte einst bis zu 1.600 Personen im Kriegsfalle Schutz bieten. &bdquo;Doch auch ohne öffentliche Einrichtungen gibt es natürlich Schutzmöglichkeiten“, so das BBK und meint &bdquo;Guten Schutz bietet generell die vorhandene Bebauung, sowohl vor fliegenden Objekten als auch vor Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen.“ Man bleibe also am besten in den eigenen vier Wänden – weg von den Fenstern, die können splittern.Was ebenfalls im Laufe der Zeit abgeschafft wurde, sind zahlreiche Sirenen auf öffentlichen Gebäuden. Sie schienen zwischenzeitlich schlichtweg überflüssig weil man sich auch hier auf die Beendigung des Ost-West-Konflikts konzentrierte. Dass es auch andere Katastrophen wie nächtliches Hochwasser geben könnte, rückt neu ins Bewusstsein. Zwei Sirenen sind deshalb im Kreis Gütersloh wieder im Aufbau. &bdquo;Nach aktuellem Stand gibt es insgesamt 149 Sirenenstandorte im Kreis Gütersloh. Sie setzen sich wie folgt zusammen: 134 fest installierte Sirenen, 15 mobile Sirenen“, so Pressesprecher Focken. Gütersloh hat auch mobile Sirenen im Einsatz Die Stadt Gütersloh hat derzeit 17 Sirenen-Standorte: Blücherstraße, Sieweckestraße, Thomas-Morus-Straße, Herzebrocker Straße, Ludwigstraße, Neuenkirchener Straße, Verler Straße 148 und 360, Südring, Haller Straße, Nordhorner Straße, Güthstraße, Feuerwehrweg, Senner Straße, Niehorster Straße, Rathaus, Dresdner Straße, Sundernstraße. &bdquo;Noch wird durch diese stationären Sirenen nicht das komplette Stadtgebiet erreicht“, erklärt Annette Blumenstein vom Presseamt der Stadt Gütersloh. &bdquo;Deshalb erfolgt in den nächsten Jahren ein weitere Ausbau der Standorte.“ Außerdem würden die stationären Sirenen durch fünf mobile Sirenen ergänzt. Vor drei Jahren habe es den letzte landesweiten Warntag gegeben. Während die offizielle Meldung dazu lautete, dass alles reibungslos geklappt hat, meldeten einzelne Städte wie Soest eine große Stille. Die Gesamtauslösung hatten Leitstellenrechner überfordert.Es gibt nur einen Sirenenton für alle Gefahren Am 10. März wäre die nächste Sirenenprobe. Angesichts des Ukraine-Kriegs hat die Landesregierung den Probealarm jedoch kurzfristig abgesagt. Es gehe darum, eine &bdquo;Verunsicherung der Bevölkerung oder sogar Fehlinterpretation“ zu vermeiden. Im vergangenen September hatte die Kreisleitstelle eine eigene Probealarmierung durchgeführt. Ergebnis: &bdquo;Die internen Abläufe haben gut funktioniert, inklusive die Radiounterbrechung durch direktes Einsprechen der Kreisleitstelle in das Programm von Radio Gütersloh“, sagt Jan Focken.Wenn die Sirenen eine Minute lang auf und ab heulen, ist Gefahr. Mit einem einminütigen Dauerton geben Sirenen Entwarnung. Ein weiteres Signal ist ein einminütigen Dauerton mit zweimaliger Unterbrechung. Dies ist aber keine Warnung für die Bevölkerung. Mit diesem Signal werden Feuerwehrleute zum Einsatz gerufen. &bdquo;Der Sirenenalarm ist nur komplett durch ergänzende Infos etwa im Radio, die WarnApps wie NINA“, heißt es aus dem Kreishaus. Was löst einen flächendeckenden Sirenenalarm im Kreisgebiet aus? Was aber müsste konkret passieren, um einen flächendeckenden Sirenenalarm im Kreisgebiet auszulösen? Und wer entscheidet darüber? &bdquo;Die Entscheidung obliegt grundsätzlich der Einsatzleitung. Sofern der Krisenstab aktiviert ist, kann natürlich auch die Krisenstabsleitung in Absprache mit dem politisch Verantwortlichen den flächendeckenden Sirenenalarm auslösen“, so der Kreissprecher. An Szenarien sei alles, was zu einer Katastrophe führe, denkbar“, etwa eine Flutkatastrophe wie im vergangenen Sommer oder auch ein flächendeckender Stromausfall.Und wer informiert im Falle eines Atomangriffs? &bdquo;Die Sirenen sind lediglich die Erstinfo und haben eine Weckfunktion, damit die Menschen wissen, es ist etwas passiert“, der Kreissprecher fordert die Bürger deshalb auf, sich über Radio und andere Kanäle zu informieren. &bdquo;Inwieweit dies bei einem atomaren Krieg noch erfolgversprechend ist, sei dahin gestellt. Außerdem würde die Bevölkerung über die WarnApps und gegebenfalls über Lautsprecherfahrzeuge gewarnt.“Geraten wird Bürgern explizit, sich auf einen Notfall vorzubereiten Während die Länder in Deutschland für die Warnung bei Katastrophen und allgemeinen Gefahrenlagen zuständig sind, obliegt die Warnung vor den besonderen Gefahren eines Verteidigungsfalls dem Bund. Bei Katastrophen und allgemeinen Gefahren nutzen die Länder die technische Warninfrastruktur von MoWaS - bundeseigene Modulare Warnsysteme, um darüber Warnmeldungen an zahlreiche Warnmultiplikatoren, wie etwa die Warn-App NINA auszuspielen.&bdquo;Im Namen des Bundes nimmt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe den gesetzlichen Auftrag zur Warnung im Verteidigungsfall wahr“, heißt es aus der Pressestelle dieses Ministeriums. Von hier aus würde über einen atomaren Angriff gewarnt &bdquo;Für den Fall einer Warnung wird bundeseinheitlich ein einminütiger auf- und abschwellender Heulton verwendet.“ &bdquo;Aktuell erreichen uns vermehrt Anfragen zum Krieg in der Ukraine“, deshalb hat das BBK reagiert und auf der Website eine kurze Übersicht zu den wichtigsten Fragen und Antworten gestellt.Geraten wird Bürgern explizit, sich auf einen Notfall vorzubereiten: Notfallgepäck zusammenstellen, wichtige Dokumente griffbereit zu bündeln, Notvorrat im Haus haben. &bdquo;Versuchen Sie, einen Zeitraum von zehn Tagen mit Ihrem Vorrat abzudecken. Das sollte in der Regel ausreichen, um auch in schwierigeren Lagen die Zeit zu überbrücken, bis staatliche Hilfe eintrifft oder die Notsituation ausgestanden ist.“

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