Gütersloh Ex-Stromio-Kunden sauer über hohe Rechnung der Stadtwerke Gütersloh

Gütersloh. Viele Gütersloher Stromkunden sind sauer. Erst wirft sie ihr Billiganbieter Stromio einfach so aus dem Vertrag im Dezember vergangenen Jahres, dann sind sie gezwungen ersatzweise zum Grundversorger Stadtwerke Gütersloh zu wechseln - und der langt bei den Neukunden plötzlich richtig ins Portemonnaie. Nach sechs Wochen kommt turnusmäßig die dicke Rechnung. Doch das wollen die Betroffenen nicht einfach so hinnehmen. Bei der Verbraucherzentrale in Gütersloh &bdquo;klingelt das Telefon ohne Ende“, bestätigt Verbraucherberater Julian Lambracht auf NW-Nachfrage. &bdquo;Wir fordern die Verbraucher dazu auf, jetzt nach Erhalt der Rechnung die Stadtwerke anzuschreiben und den Bestandskundenpreis zu fordern“, sagt Lambracht. Betroffene könnten für das Schreiben als Vorlage einen Musterbrief auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW nutzen. "Die Zahlung sollte auf jeden Fall unter Vorbehalt erfolgen, dann sind die Kunden auf der sicheren Seite", erklärt Holger Schneidewindt, Referent für Energierecht bei der Verbraucherzentrale NRW. Aber auch gegen Stromio sollten die Verbraucher Schadensersatzansprüche geltend machen, da nach Ansicht der Verbraucherzentrale die außerordentliche Kündigung ebenfalls nicht rechtens gewesen sei.Nach dem Beschluss des Landgerichts ist jetzt das OLG gefragt Da die von der Verbraucherzentrale NRW abgemahnten Energieanbieter keine Unterlassungserklärung abgeben wollten, liegt es weiter bei den Gerichten über die Rechtmäßigkeit einer preislichen Trennung von Bestands- und Neukunden zu entscheiden. Im Zuge der Abmahnung habe es zwar zeitgleich eine Senkung des Arbeitspreises für Strom pro Kilowattstunde bei den hiesigen Stadtwerken gegeben, doch das sei laut Verbraucherzentrale nicht genug. Lag der Preis im Dezember 2021 bei horrenden 92 Cent, gilt seit dem 1. Februar dieses Jahres 53 Cent. Das ist immer noch deutlich höher als bei Bestandskunden. Wer beispielsweise 2019 einen Vertrag abschloss, zahlt einen Arbeitspreis von etwas 26 Cent.Auf die Nachfrage der NW, ob die Kunden, die im Dezember beim Grundversorger zu einem Arbeitspreis von rund 92 Cent gelandet sind, weiterhin soviel zahlen müssten, erklärt der Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation der Stadtwerke Gütersloh: &bdquo;Für alle Stromkunden, die durch uns seit dem 21. Dezember 2021 als ungeplante Neukunden im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung mit Strom versorgt werden mussten, wurde der Preis für Strom aufgrund der Marktentwicklungen zum 1. Februar 2022 gesenkt. Der Strompreis für diese Kunden beträgt 53,09 ct/kWh, inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer.“ Wie viele der gut 1.000 Neukunden, die zwangsläufig zu den Stadtwerken Gütersloh wechseln mussten, inzwischen gekündigt haben, verraten die Stadtwerke auf NW-Nachfrage nicht. Dazu heißt es nur: &bdquo;Wir verzeichnen in dieser Kundengruppe auch Kunden, die zu einem anderen Energieanbieter gewechselt sind.“ Stadtwerke Gütersloh sehen sich in ihrer Haltung bestätigt Bestärkt sehen sich die Stadtwerke Gütersloh bei ihrer Preisgestaltung jetzt durch einen Beschluss des Landgerichts Dortmund. Dieses hat am Mittwoch den Antrag der Verbraucherzentrale NRW auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, geben beide Seiten bekannt. "In diesem Beschluss des Landgerichts Dortmund sehen wir uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt, dass die Aufteilung unserer Grundversorgung in einen Bestands- und in einen Neukundenpreis rechtmäßig war und ist", heißt es vonseiten der Stadtwerke Gütersloh. Am Landgericht Köln war bereits zuvor die Verbraucherzentrale NRW in dieser Sache gegen den Anbieter Rheinenergie gescheitert. Am Landgericht Düsseldorf gab es im Fall der Wuppertaler WSW Energie & Wasser AG den Verhandlungsauftakt. Hier steht die Bekanntgabe des Ergebnisses noch aus. Beim Wuppertaler Energieversorger hatte der Preis bei 72 Cent gelegen. Ans Aufgeben denkt Holger Schneidewindt trotz der negativen Beschlüsse dennoch nicht. Im Gegenteil: Jetzt gehe es in die nächsthöhere Instanz, dem Oberlandesgericht (OLG). Denn es gebe auch andere Ergebnisse bei der Rechtsfrage zur preislichen Unterscheidung zwischen Bestands- und Neukunden. Beim Landgericht Frankfurt am Main sowie in Mannheim habe der Anbieter Lichtblick Recht bekommen und eine Ungleichbehandlung wurde für unzulässig erklärt. Doch gleich wie die Gerichte letztendlich entscheiden, &bdquo;eine perfekte Lösung gibt es nicht“, sagt Schneidewindt. Denn entweder haben die Neukunden das Nachsehen oder die Bestandskunden müssten mehr zahlen.Künftige Preisentwicklung völlig unklar Und auch wenn die Sache rechtlich noch auf wackligen Füßen stehe, rät die Verbraucherzentrale den Kunden aktiv zu werden. Im Fall Stromio hätten &bdquo;ein bis zwei Fälle den kompletten Schaden ersetzt bekommen“, berichtet der Energierechtsexperte der Verbraucherzentrale NRW. Geltend machen könnten Betroffene derartige Ansprüche weiterhin, auch wenn sie bereits zwangsläufig zum Grundversorger wechseln mussten. Oder inzwischen bei einem anderen Anbieter sind. Es gäbe in der Branche jedoch das Gerücht, dass neben gas.de auch Stromio sich im Mai vom Markt zurückziehen wolle, weiß Schneidewindt. Dann wäre es noch erheblich schwerer, etwas zurückzubekommen.Grundsätzlich müsse das Grundversorgungssystem gerechter gestaltet werden, finden die Verbraucherschützer. Dass es auch anders gehe, zeige der Versorger EWE beispielsweise. Dieser mache keinen Unterschied zwischen Neu- und Bestandskunden und nehme von allen 30 Cent Arbeitspreis. Trotz Erhöhung ab April bleibe der Grundversorger im Vergleich zu anderen günstiger. Wie sich der Energiemarkt künftig entwickeln werde, sei kaum vorhersagbar. Schon gar nicht an Anbetracht des Angriffskrieges durch Russlands Präsident Putin auf die Ukraine und der Energiewende. Günstiger werde es sicher nicht, so der Experte. Auch die Stadtwerke Gütersloh können keine Einschätzung zur weiteren Preisgestaltung geben.

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