Gütersloh Gütersloher Expertin erklärt, was der Nutri-Score in Supermärkten aussagt

Gütersloh. Beim Griff ins Supermarktregal kommen viele Verbraucher kaum noch an den bunten Buchstaben vorbei, die auf der Vorderseite eines Produkts aufgedruckt sind. Mal ist es ein grünes A, womöglich auch ein gelbes C oder im ungünstigsten Fall ein rotes E. Die fünfstufige Skala in Ampelfarben wird Nutri-Score genannt und soll es Konsumenten ermöglichen, den Nährwert von Lebensmitteln aus derselben Produktkategorie zu vergleichen. Doch wie kommt die Bewertung eines Lebensmittels zustande und wie ist der Nutri-Score zu verstehen? Die NW hat bei der promovierten Ernährungswissenschaftlerin Dr. Claudia Anna Böwingloh aus Gütersloh nachgefragt. Eingeführt worden ist die Kennzeichnung für Lebensmittel 2020 hierzulande weil, "ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit Jahren auf dem Vormarsch sind", schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Webseite. "Der Nutri-Score dient rein einer Bewertung im präventiven Sinn, er ist dazu gedacht, eine gesunde Ernährungsform zu unterstützen", sagt Böwingloh. Keineswegs sei er dazu geeignet, Lebensmittel bezüglich ihrer Eignung für bestimmte Erkrankungen beziehungsweise diätische Kostformen zu verwenden. Welche Hersteller womöglich auf den Score verzichten Verpflichtend ist die Verwendung des Nutri-Scores für die Produzenten übrigens nicht. "Hersteller von weniger gesunden Lebensmitteln verzichten daher in der Regel auf die Angabe", sagt Böwingloh. Weil die Berechnung zudem mit Aufwand und Kosten für den Hersteller verbunden sei, werde er ihrer Wahrnehmung nach von Anbietern sogenannter No-Name-Produkte weggelassen. "Dieses führt aus meiner Sicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. Dem Verbraucher wird hierdurch suggeriert, dass Produkte, die mit dem Nutri-Score ausgezeichnet sind, eventuell besser, gesünder sein könnten." Beim konkreten Vergleich sei das aber oft nicht der Fall, die Produkte häufig gleichwertig. Welche Bestandteile als günstig und ungünstig gelten Das Berechnungssystem des Nutri-Scores ist von unabhängigen Wissenschaftlern aus Frankreich und Großbritannien entwickelt worden. Für die Inhaltsstoffe eines Produkts werden dabei Punkte von -15 bis 40 vergeben und schließlich addiert. Der Gesamtwert entscheidet darüber, wo das Produkt auf der Skala von A bis E einsortiert wird. Als günstig für die Bewertung im Nutri-Score gelten Obst- und Gemüseanteile, Ballaststoffe oder Eiweiße, sie werden mit einer niedrigen Punktzahl verrechnet. Eher ungünstig sind hingegen Bestandteile wie Zucker, Salz oder gesättigte Fettsäuren, die mit einem hohen Punktewert versehen werden. Aus ihrer Sicht seien bei der Berechnung des Nutri-Scores grundsätzlich alle wichtigen Inhaltsstoffe berücksichtigt worden, sagt Böwingloh. Sie vermisst jedoch zwei Faktoren, um das Lebensmittel gut einschätzen zu können. Neben dem Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen sind das auch die womöglich enthaltenen Zusatzstoffe wie Aroma-, Süß-, Farb- oder Konservierungsstoffe. Diese seien gesundheitlich oft negativ zu bewerten. "Da diese Gruppierung in der Berechnung keine Beachtung findet, werden viele Lebensmittel besser dargestellt, als sie in Wirklichkeit sind." Bei welchen Produkten sich der Blick auf den Score lohnt Die Gütersloher Ernährungswissenschaftlerin weist zudem darauf hin, dass für die Berechnung des Nutri-Scores lediglich 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Produkts betrachtet werden. "Nimmt der Verbraucher von einem laut Score gesunden Lebensmittel deutlich größere Mengen zu sich, kann sich die Aussage verschlechtern", sagt Böwingloh, denn dadurch würden womöglich auch größere Mengen an Zucker, Salz oder gesättigten Fettsäuren aufgenommen. Für Verbraucher lohnt sich der Blick auf den Nutri-Score laut Böwingloh vor allem bei Fertigprodukten und -gerichten, weil sich darin unter anderem oft Salz, Zucker und Co. verstecken. "Auch bei Milchprodukten ist die Deklarierung von Vorteil. Hier sieht man sehr schön, dass die 'Naturprodukte' ohne weitere Zusätze gut wegkommen und die gesüßten Produkte durch ihren in der Regel sehr hohen Zuckerzusatz eher mit einem Score von D bewertet sind", sagt Böwingloh. Ähnliches gilt nach ihrer Auffassung für die Gruppe der Müsliprodukte. Bei diesen Lebensmitteln empfiehlt sich genaues Hinsehen Aufpassen sollten Verbraucher unterdessen bei Light-Getränken, wie Cola oder Limonaden sowie veganen Fertigprodukten und Pizzen. Ein Score von A oder B ist in dieser Kategorie oftmals trügerisch. Die Light-Getränke etwa enthielten viele Zusatzstoffe und synthetische Süßstoffe. Vegetarische Fertigprodukte bringen es durch den hohen Anteil an Gemüse und das Fehlen gesättigter Fettsäuren zwar ebenfalls auf einen guten Score-Wert, "enthalten jedoch eine Vielzahl von synthetischen Geschmacksstoffen und Farbstoffen", erklärt Böwingloh. Auch bei den erwähnten Pizzen aus der Tiefkühltruhe würde der Gemüseanteil die reichlich vorhandenen gesättigten Fettsäuren und Salze ausgleichen. "Hier schlägt natürlich das Thema Zusatzstoffe wieder zu, auch das Mengenproblem." Kein Fertiggericht wiege nur 100 Gramm, betont Böwingloh.

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