Kreis Gütersloh 15 Tote in vier Wochen - so ist die Corona-Lage auf den Intensivstationen

Kreis Gütersloh. Den ersten Todesfall im Zusammenhang mit Corona vermeldete der Kreis Gütersloh am 24. März vergangenen Jahres. Durch die ersten drei Wellen stieg die Zahl bis zum 18. Mai diesen Jahres auf 307 Personen. In den darauf folgenden dreieinhalb Monaten kamen 13 Tote hinzu. Die Lage entspannte sich und die steigende Impfquote beruhigte. Umso mehr fällt der plötzliche Anstieg im September auf. Innerhalb eines Monats starben im Kreis Gütersloh 15 Menschen, obwohl die Inzidenz fällt. &bdquo;Wir haben mittlerweile zwar weniger Patienten, dafür aber mehr schwer erkrankte", sagt Dr. Gernot Schoch, Chefarzt für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin am St.-Elisabeth-Hospital in Gütersloh. Rund drei Viertel der stationär aufgenommenen Patienten fielen alle in diese Gruppe. Zudem habe es in den Krankenbetten auffällig viele junge Menschen unter 35 Jahren gegeben. &bdquo;Darunter waren auch Patienten ohne schwere Vorerkrankung. Theoretisch kann Corona auch relativ gesunde Menschen schwer treffen", sagt Dr. Schoch. &bdquo;Corona kann auch gesunde Menschen schwer treffen" Die größte Gruppe derer, die schwer an Corona erkranken, bilden in diesen Wochen ungeimpfte Männer. &bdquo;Bis auf eine Ausnahme waren alle Toten ungeimpft", bricht Schoch eine Lanze für die Impfung. Eine Impfquote von 80 bis 90 Prozent unter den Menschen über 30 Jahren sei wünschenswert. &bdquo;Bei einer Quote von 75 bis 80 Prozent hätten wir aber zumindest einen guten Schutz und könnten die schwersten Einschläge verhindern", sagt der gebürtige Rheinländer, der im Januar 2016 den Chefarzt-Posten übernahm. Schoch sieht den Grund dafür, dass immer noch viele Menschen Corona auf die leichte Schulter nehmen, darin, dass die Erkrankung für viele weit weg ist. &bdquo;Es ist für sie sehr abstrakt, sofern sie nicht konkrete Fälle im Umfeld miterlebt haben", sagt Schoch. Insgesamt sieht er in der jüngsten Entwicklung der Zahlen jedoch eine deutliche Stagnation. &bdquo;Vor einem Jahr ging es dagegen richtig rund." Es sei ein Glück, dass so schnell ein Impfstoff gefunden worden sei. Er habe die Hoffnung, dass die Zahl der Patienten in den kommenden Monaten eher abnehmen als zunehmen werde. Arzt gesteht Fehleinschätzung zu Beginn der Pandemie &bdquo;Eine Pandemie in diesem Ausmaß ist auch für uns Mediziner Neuland." Er selbst habe am Anfang gedacht, dass es mit einer Grippe vergleichbar sei. &bdquo;Das war im Nachhinein alles Blödsinn, was ich am Anfang gesagt habe", gesteht Dr. Schoch. Erschwert sei die Situation dadurch, dass es praktisch gegen eine Covid-19-Erkrankung keine therapeutischen Mittel gebe. &bdquo;Im Kreis Gütersloh überwiegen wie auch bundesweit bei weitem die Ungeimpften unter den stationär zu behandelnden Patienten", sagt Jan Focken, Sprecher des Kreises Gütersloh. Er geht von 80 bis 90 Prozent aus, zudem seien die Patienten im Schnitt jünger geworden, was auf die gute Durchimpfung der älteren Jahrgänge zurückzuführen sei. Details zu den aufgetretenen Todesfällen, wie etwa Impfstatus oder Vorerkrankung, werden jedoch, wie bereits in der Vergangenheit üblich, nicht genannt. Lesen Sie auch: Warum es im Kreis Gütersloh trotz Impfungen weiterhin Corona-Tote gibt &bdquo;Es ist kein lokales Ereignis. Wie bundesweit ist es auch im Kreis Gütersloh so, dass Ungeimpfte und Personen mit Vorerkrankungen ein besonders hohes Risiko haben, einen schweren Verlauf durchzumachen. Kommt beides zusammen, steigt das Risiko noch mal an", sagt Focken. Die zeitliche Verzögerung der Todesfälle erklärt Focken damit, dass &bdquo;man in der Regel mit einem zeitlichen Versatz von zwei, drei Wochen bei steigenden Zahlen von Infizierten eine steigende Zahl von stationär zu behandelnden Patienten sieht". &bdquo;Sterblichkeit ist bei uns geringer als im Bundesschnitt" Laut der Statistik des Landeszentrums Gesundheit NRW befinden sich unter den Todesopfern im Kreis Gütersloh bisher sechs Personen unter 35 Jahren. In der Gruppe zwischen 35 und 59 Jahren starben zwölf Männer und sechs Frauen, in der Gruppe zwischen 60 und 79 Jahren starben 61 Männer und 37 Frauen. Die größte Gruppe in der Statistik der Todesfälle bilden die über 80-Jährigen. Hier starben 93 Männer und 120 Frauen. Im gesamten Zeitraum starb im Kreis Gütersloh keine Person unter 18 Jahren am oder mit dem Corona-Virus. &bdquo;Statt einer hohen, ist eine längere Welle zu erwarten", sagt Prof. Dr. Fikret Er, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I – Kardiologie, Rhythmologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum Gütersloh. &bdquo;Für die vierte Welle stehen den Viren weniger zu erkrankende Personen zur Verfügung", sagt Dr. Er. Daher sei zu erwarten, dass sich die Infektionen über einen längeren Zeitraum hinzögen. Dieses Phänomen sei derzeit schon erkennbar. Task-Force im Einsatz &bdquo;Der Zeitpunkt der maximalen Krankheitsausprägung hat sich unwesentlich verändert", sagt Dr. Er mit Blick auf die Veränderungen durch die Delta-Variante. Bei den Toten handele es sich fast ausnahmslos um Ungeimpfte, teilweise seien es Personen aus demselben Haushalt gewesen. Da die meisten über 60-Jährigen geimpft sind, sei in dieser Population nicht mit einem Anstieg der Sterblichkeit zu rechnen. &bdquo;Die Ungeimpften sind eher jünger, sie infizieren sich derzeit mit entsprechenden Folgen bis hin zum Tod", sagt der in Berchtesgaden geborene Sohn türkischer Eltern. Am Klinikum Gütersloh habe man bereits zu Pandemiebeginn eine Task-Force für die Behandlung von Covid-19-Erkrankten gegründet. &bdquo;Wir haben einen hohen Standard in der Behandlung und variieren diesen, sobald neue Erkenntnisse publiziert werden. Bei der Umsetzung dieser Standards ist die beeindruckende Leistung der Ärztinnen und Ärzte sowie der Pflegerinnen und Pfleger hervorzuheben. Entsprechend ist nachweislich die Sterblichkeit im Klinikum Gütersloh im deutschlandweiten Vergleich extrem gering", sagt Er und belegt dies durch Zahlen. Während deutschlandweit in diesem Jahr rund elf Prozent aller stationär behandelten Covid-19-Patienten verstarben, wies das Klinikum Gütersloh nur eine Sterblichkeitsrate von 5,7 Prozent auf. Aktuell sind zehn Patienten im Klinikum Gütersloh in Behandlung. &bdquo;Es werden nur die schweren und schwersten Fälle im Krankenhaus behandelt. Unter diesen Patienten ist die Sterblichkeit hoch und so kann es leider sein, dass in den nächsten Wochen noch weitere Tote zu beklagen sind", sagt Er.

Mehr zum Thema