Gütersloh Eltern dokumentieren den Stundenausfall

Gütersloh. Eltern sollen den Unterrichtsausfall in den Schulklassen ihrer Kinder dokumentieren. Darum bittet der Verein Kreisschulpflegschaft Gütersloh - und trifft offenbar den Nerv vieler Eltern. Eine Excel-Datei, die seit Mittwoch auf der Internetseite der Kreisschulpflegschaft angeboten wird, wurde bis Donnerstagabend bereits mehr als einhundert Mal heruntergeladen. "Diese Anzahl ist vielversprechend, wir erhoffen uns dadurch wirklich gutes Zahlenmaterial, mit dem wir weiterarbeiten können", sagt die Vereinsvorsitzende Edith Mathmann.Die Kreisschulpflegschaft bemängelt seit Jahren das Stichprobensystem des Landes NRW. Während andere Bundesländer akribisch den Schulausfall für jede Schule dokumentieren und sogar veröffentlichen, wird in NRW mit Hilfe von Stichproben nur ein durchschnittlicher Wert ermittelt. Demnach sollen aktuell in den Schulen 1,7 Prozent der Stunden ausfallen. Das wären pro Schule gerade mal zwei Stunden im Monat. Edith Mathmann hält diese Quote für realitätsfern. Und ist damit nicht die einzige.Auch der Landesrechnungshof hatte in der Vergangenheit Zweifel daran. Berechtigt, wie eine Untersuchung der Schuljahre 2007/08 bis 2012/13 für die Sekundarstufe aller Gymnasien und Realschulen in NRW ergab: Neben den Stunden, die zeitweise ausfallen, werden nach Feststellungen der Kontrollbehörde an vielen Gymnasien und Realschulen etliche Pflichtstunden gar nicht erst eingeplant. Im aktuellen Jahresbericht 2015 teilte der Rechnungshof mit, dass 67 Prozent der Gymnasien und sogar 76 Prozent der Realschulen die in der Sekundarstufe I vorgeschriebene Gesamtstundenzahl nicht erreicht hätten. Zahlen für einzelne Schulen - zum Beispiel aus dem Kreis Gütersloh - weist der Bericht aber ebenfalls nicht auf.Auch deshalb handelt die Kreisschulpflegschaft jetzt selbst. "Wir wollen ein möglichst genaues Bild vom Schulausfall im Kreis Gütersloh über alle Schulformen bekommen", sagt Edith Mathmann. Dem Verein gehe es darum, dem Bildungsministerium NRW den Spiegel vorzuhalten. "1,7 Prozent? Diese Zahl könnte für das Land NRW noch blamabel werden." Schon jetzt sorge sie sich um die Zukunft der Jugend."Manche Schüler können die einfachsten Grundrechenaufgaben nicht lösen" "Ich führe viele Gespräche mit Ausbildungsbetrieben. Was ich dort zu hören bekomme, ist alarmierend. Es gibt Schulabgänger, die die geforderten Qualifikationen nicht mitbringen. Meistens geht es um mathematische und naturwissenschaftliche Eignungen - eben die Bereiche, in denen häufig Lehrer fehlen. Manche Schüler können die einfachsten Grundrechenaufgaben nicht lösen. Die Errechnung der Fläche einer Tischplatte zum Beispiel." Bei den Ursache spiele auch der Unterrichtsausfall eine Rolle. Mit Nachhilfe könnten solche Lücken vielleicht geschlossen werden. Aber nicht alle Familien seien in der Lage, ihren Kindern Nachhilfeunterricht zu finanzieren. So hänge also die Bildung am sozialen Status der Eltern. Und das dürfe nicht sein.Dr. Christian Legeland, ebenfalls Mitglied der Kreisschulpflegschaft, hatte von Beginn des aktuellen Schuljahres an den Stundenausfall in den Klassen seiner beiden Kinder im Evangelisch Stiftischen Gymnasium dokumentiert. In der Klasse 9d sind demnach bereits jetzt 6 Prozent der für das gesamte Schuljahr geplanten Stunden ausgefallen. In der 7d sollen es sogar 11 Prozent sein. "Wir gehen davon aus, dass es in anderen Schulen nicht anders aussieht", sagt Edith Mathmann.Die Ergebnisse der Auswertung will der Verein zusammen mit einigen Forderungen an das Schulministerium NRW senden. "Wir fordern eine umfassende Protokollierung des Stundenausfalls an allen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Und wir fordern, dass der Stundenausfall endlich lückenlos durch die Einstellung neuer Lehrer kompensiert wird", erklärt Mathmann.