Gütersloh Festmusik in Moll

Gütersloh. Ihr 20-jähriges Bestehen feierte die Westfälische Kammerphilharmonie Gütersloh mit Beethovens 7. Sinfonie, einer lustvollen "Apotheose des Tanzes", wie Wagner einst schrieb. Zum 25. Geburtstag erscheint das Orchester nicht nur fünf Jahre älter, sondern auch gereifter. Elegische Klänge aus Russland beherrschten das Programm. Doch keine Angst: Auch diese Festmusik in Moll wurde von den rund 500 Gästen in der Stadthalle lange beklatscht.Wie so häufig spielte auch diesmal ein Orchestermitglied den Solopart. Die Geigerin Stephanie Appelhans, so alt wie die Kammerphilharmonie, gehört seit 2007 dazu. Seit 2012 ist sie - mit ihrem Lehrer Klaus Esser im Wechsel - als Konzertmeisterin tätig. Für den Festabend hatte sich die Sauerländerin einen ganz schweren "Brocken" der Violinliteratur des 20. Jahrhunderts ausgesucht: das Violinkonzert Nr. 2 in g-moll von Sergej Prokofiew.Kein Virtuosenreißer hatte der durch die Welt vagabundierende, an Heimweh leidende Russe 1935 geschrieben, sondern ein sinfonisch durchgeformtes Stück. Und doch hatte die Solistin durchgehend schwer zu tun und reichlich Passagenwerk zu verrichten. Fein wie einen Goldfaden spann Stephanie Appelhans diese Endloskette an Tönen, Akzente setzend, doch die Linie immer unter Spannung haltend.Auf Bravo-Rufe folgt die Bach-Zugabe Wirklich aussingen auf ihrem Instrument konnte sich die Musikerin erst im zweiten Satz, einem sanft sich wiegenden Schlummerlied, von zarten Pizzikati der Orchesterstreicher begleitet. Einfach wunderbar. Nur im Mittelteil des Satzes fanden sich im Orchestersatz ein paar giftige Töne, für die Prokofiew berühmt und berüchtigt ist.Die herbe Klangsprache des Kopfsatzes wurde im Finale ins Bukolische gewendet. Hier fand Stephanie Appelhans zu einem saftigen Ton, der prächtig zu diesem derb torkelnden Bärentanz-Rondo - inklusive Kastagnetten - passte. Die Solistin wusste auch hier die kammerphilharmonischen Kollegen ganz auf ihrer Seite. Mit einer Bach-Zugabe bedankte sie sich für die Applaussalven und Bravo-Rufe.Peter Tschaikowskys Sinfonien gehören nicht zum Kernrepertoire des Orchesters, allein schon wegen des notwendig umfangreichen Apparates. Doch zum Geburtstag hatte man sich eine üppige Besetzung mit mehr als 60 Musikern gegönnt, ausreichend für die Fünfte in e-moll. Malte Steinsiek betonte den tragischen Gestus der Sinfonie mit ungewöhnlich breiten Tempi, die die Aufführungsdauer auf knapp eine Stunde ausdehnt - fast 10 Minuten länger als üblich. Das war für die Binnenspannung nicht ohne Risiko.Andererseits gab es Malte Steinsiek Gelegenheit, die Klangkultur seines Orchesters vorzuführen und auf jegliche Effekthascherei zu verzichten, die häufig Tschaikowsky zum Filmmusikkomponisten degradiert. Das Orchester zeigte sich in Topform: homogen-mächtig in den dynamischen Aufschwüngen, delikat in den Soli (grandios: Hartmut Welpmanns Hornsolo im Andante). Insgesamt eine sehr eigene, aber gekonnte Deutung.Wem das alles zu elegisch war: Beim abschließenden Empfang im Foyer wurde lustig und in unterschiedlichen Formationen kammermusiziert. Auch das können sie.