Bielefeld. Konkurrenz durch Verbrauchermärkte, veränderte Ernährungsgewohnheiten - die fetten Zeiten fürs Schlachterhandwerk sind vorbei. Von 200 Betrieben in der Innenstadt Mitte der 70er Jahre sind 12 geblieben, rechnet Siegfried Damisch vor. Der Schlachtermeister bleibt nach Schließung seiner Filiale im Jahnplatz-Forum in Bielefeld mit fünf weiteren Geschäften präsent. Über Ursachen der rückläufigen Entwicklung seiner Zunft und über Alternativen hat Heidi Hagen-Pekdemir mit dem Unternehmer gesprochen.
Herr Damisch, fünf Läden in der Stadt, das hört sich noch immer ganz gut an. Doch früher waren es deutlich mehr.
SIEGFRIED DAMISCH: Zu unseren besten Zeiten hatten wir 15 Niederlassungen in der Region, unter anderem in den Marktkauf-Filialen zwischen Gütersloh und Löhne. Zur Situation des Fleischerhandwerks kann ich ergänzen, dass zur Innungsversammlung im Jahr 1981 hier in Bielefeld 40 Mitglieder teilgenommen haben.
Haben die Kunden keinen Appetit mehr auf Fleisch? Wenn ja: Warum?
DAMISCH: Es ist keineswegs so, dass weniger Fleisch konsumiert wird. Ein Großteil der Kundschaft deckt ihren Bedarf anderweitig. Da ist vor allem unsere Konkurrenz durch die Verbrauchermärkte. Sehen Sie sich diese Anzeige an. Ein Kilo Schweinenacken ohne Knochen für 3,99 Euro. So viel kosten etwa zwei Tassen Cappuccino. Zum Vergleich: 1968 hat die gleiche Menge Fleisch bei uns schon 12,80 Mark gekostet. Da läuft doch irgendetwas falsch.
Wissen Sie, was?
DAMISCH: Das Qualitätsbewusstsein sinkt. Wenn Sie die Billigangebote genauer prüfen, werden Sie feststellen: Die Bratenstücke sind oft trocken und faserig. Alles eine Folge der Zucht und des Futters. Wer billig einkaufen will, muss Qualitätseinbußen in Kauf nehmen. Billige Fleischproduktion bedeutet Massentierhaltung.
Es ist wohl nicht der Preisdruck allein, der Ihnen zusetzt?
DAMISCH: Nicht ausschließlich. Die Struktur der Verbraucher hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Mein ganz persönliches Rechenbeispiel: 10 Prozent der früheren Kundschaft leben im Ausland. Etwa 30 Prozent sind Jugendliche, die sich auf der Straße von Fastfood ernähren. 20 Prozent decken ihren Fleischbedarf in Verbrauchermärkten, der Rest verteilt sich auf Vegetarier und Menschen mit Migrationshintergrund. Die letztgenannte Gruppe zählt ebenfalls nicht zu unserem Stammpublikum. Sie deckt ihren Bedarf anderweitig.