Sennestadt. Zahlreiche Letten, Esten, Polen, Russen, Serben und viele weitere Menschen aus anderen osteuropäischen Ländern fanden nach 1945 in der Beckhofsiedlung eine neue Heimat. Die Rede ist von sogenannten "displaced persons" – heimatlose Ausländer, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten bzw. wollten.Und um auch in der neuen Heimat glauben zu können, entstand wenige Jahre später die Beckhofkirche, welche am kommenden Wochenende ihr 50-jähriges Bestehen feiert.
Entstehung der Beckhofsiedlung
1953 wandte sich Pfarrer Abakus an die von Bodelschwinghschen Anstalten mit der Bitte, Verdienstmöglichkeiten für Heimatlose in Augustdorf zu schaffen.Wilhelm Gebauer, Leiter der Betheler Fürsorgeabteilung, gründete Werkstätten.
1957 brauchte die Bundeswehr das Gelände in Augustdorf, ein neues Siedlungsgebiet war notwendig.
Im Sommer 1957 wurde mit dem Bau der Siedlung auf dem Gelände des ehemaligen Beckhofs begonnen.
Grundsteinlegung für die Unterkünfte für bis zu 250 Heimatlose war am 25. Juli 1957.
Die Jüngeren, Gesunden und Arbeitsfähigen unter den "displaced persons" konnten nach und nach in westliche Länder auswandern. Aber alle, die wegen ihres Alters oder körperlicher Gebrechen Deutschland nicht verlassen konnten, wurden auf dem früheren Wehrmachtsgelände in Augustdorf untergebracht. Die dort herschenden Lebensumstände waren jedoch alles andere als optimal. Bereits 1953 engagierten sich die von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, diesen Menschen ein besseren Leben zu bieten, und schließlich konnte 1958 die Beckhofsiedlung gegründet werden.
In dieser Siedlung lebten dann Menschen aus bis zu 13 Nationen. Was den Menschen noch fehlte war, eine Kirche, und der Wunsch der Bewohner der Beckhofsiedlung nach einem Gotteshaus und einem damit verbundenen geistlichen Leben und einem religiösen Verbund war groß. Weil aber die finanziellen Mittel für den Bau mehrere Kirchen nicht ausreichte, baute man 1962 als religiösen Mittelpunkt eine Kirche, in der alle Konfessionen ihren Platz fanden.

Die kleine schwedische Holzkirche vereinte zu Beginn drei orthodoxe Kirchengemeinden, eine evangelische und eine römisch-katholische Gemeinde unter einem Dach. Ein Teil stand den estnischen, lettischen und evangelisch-lutherischen Christen zur Verfügung, ein weiterer beherbergte römisch-katholischen Polen und einige griechisch-katholische Gläubige aus der Ukraine. Die orthodoxen Christen aus der Ukraine, aus Russland und aus Serbien hatten ebenfalls ihre Räume.
Die Kirche ist einer Baracke nachempfunden und erinnert somit an die Unterbringung der Heimatlosen in Augustdorf. Die Gottesdienste wurden und werden in der jeweiligen Landessprache gehalten, "weil auch das ein Stück Heimat vermittelt", erklärt Artur Herrmann, Mitglied des Fördervereins der Beckhofkirche.
Nach und nach haben einige Gemeinden die kleine Kirche verlassen. Die russisch-orthodoxe Gruppe zog ein paar Häuser weiter in ein eigenes Gemeindezentrum, und die römisch-katholische Gemeinde hatte mit der Zeit zu wenig Mitglieder.
Doch bis heute lebt der ökumenische Gedanke durch die Beckhofkirche weiter: Christen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, verschiedener Sprachen und Kulturen leben friedlich zusammen. Die Beckhofkirche war und ist ein einmaliges Modell für die Integration verschiedener Nationalitäten und Konfessionen und damit etwas ganz Besonderes.
Dies ist auch dem Förderverein der Beckhofkirche zu verdanken. Im Jahr 2000 gegründet und im Moment rund 70 Mitglieder stark, setzt sich der Verein für den Erhalt der Kirche und des Gemeindehauses ein. "Die Kirche und die Gottesdienste sind für die Menschen ein wichtiges Stück Heimat, und das muss erhalten bleiben", sagt Herrmann.
Für die Feierlichkeiten wurde auch in Zusammenarbeit mit dem Förderverein die kleine Kirche ein wenig auf Vordermann gebracht. Neben einem neuen Dach und einem neuen Innen- und Außenanstrich schmücken vor allem neue Ikonen das Innere der Kirche. "Wir sind gut für unser Jubiläum ausgestattet", sagt Herrmann, der auch die Festschrift für das Jubiläum vorbereitet hat.
Die Feierlichkeiten unter dem Motto "Lasset und denken – Jetzt wächst Neues auf", starten jeweils am Samstag, 8. September, und Sonntag, 9.September um 10 Uhr. Dabei werden in der Kirche und im Gemeindezentrum der russisch-orthodoxen Gemeinde, Am Beckhof 16, verschiedene konfessionelle Gottesdienste stattfinden und bei einem gemeinsamen Essen oder bei der Darbietung der serbischen Folkloregruppe können die unterschiedlichen Gemeinden gemeinsam das Kirchenjubiläum feiern.