Bielefeld. Festlicher Auftakt für die neue Theaterspielzeit. Mehr als 1.000 Gäste erlebten am Samstag mit, wie Schauspielerin Carmen Priego in der Oetkerhalle mit dem Schauspieltaler der Theater- und Konzertfreunde für ihr "intensives Spiel" geehrt wurde. Es war der berührendste Moment eines unterhaltsamen Abends als die 44-Jährige in ihrer sehr persönlichen Rede bekannte: "Ich möchte im Theaterspiel sein wie ein Kind."
Und dann sprach die seit 1998 am Bielefelder Theater engagierte Schauspielerin über das Theaterspiel, "das eine Art Selbstprovokation oder Selbstgefährdung braucht", um zu gelingen, und plädierte leidenschaftlich für "Atemlücken in der Unbegreiflichkeit der Welt". Ihr Fazit: "Wenn im Theater der Raum dunkel wird, entsteht eine ganz besondere Spannung, denn jetzt gibt es einen leeren Warteraum, in dem wir uns entscheiden können, unsere Bewertungsschemata für zwei oder drei Stunden beiseite zulegen. Wirklichkeit wird so durchlässig wie im Traum."
Eine Rede für die es viel Applaus gab und die zum Motto der Spielzeit passte, das trotzig behauptet: "Alles echt." Intendant Michael Heicks sagte dazu in seiner Begrüßungsrede: "In einer Welt, in der Lüge und Wahrheit, Realität und Fake immer schwerer zu unterscheiden sind, sorgt das Theater für Momente der Berührung und der Nähe." Und Christiane Pfitzner, Vorsitzende der Thekos, umschrieb das Theater als "wunderbaren Zauberkessel, der Teil unserer Stadt ist und dessen Türen allen offen stehen."
Dass "alles echt", hand- und für den Augenblick gemacht ist beim Theater, davon konnten sich die Besucher schließlich selbst überzeugen, denn alle Sparten gaben Einblicke in ihre Produktionen. Schauspielerin Christina Huckle und ihr Kollege Thomas Wolff, der kurzfristig für den erkrankten John Wesley Zielmann einsprang, übernahmen es, die Gäste mit launigen Moderationen durch das Programm zu führen, verzichteten dabei aber auf die in den Vorjahren üblichen Erklärungen zu den aufgeführten Werken – was nicht jedem im Saal gefiel.
Doch künstlerisch brodelte es sogleich gewaltig im Zauberkessel. Daniel Billings glänzte mit einer Arie aus Mozarts "Don Giovanni", Michael Pflumm machte Lust auf das Musical "My Fair Lady" und Sünne Peters beruhte mit "Dansons!" aus Jacques Offenbachs "Die schöne Helena". Besonderen Anklang fand Melanie Forgeron mit dem traurig-schönen Lamento aus Henry Purcells Oper "Dido und Aeneas".
Bass Jacek Janiszewski elektrisierte mit "Studia il passo, o mio figlio!" aus Macbeth und Christiane Linke überzeugte mit einer Arie der Liú aus "Turandot". Auch die Musicalfreunde kamen mit zwei Titeln aus "Chess" (Premiere am 25. September) auf ihre Kosten. Für einen intensiven, stillen Moment sorgte hingegen Nicole Lippold, die einen ergreifenden Monolog der Iphigenie aus Goethes "Iphigenie auf Tauris" sprach. Das Tanztheater machte mit einen Ausschnitt "Vier Temperamente" neugierig auf Neues.
Bielefelds Philharmoniker, dirigiert von Generalmusikdirektor Alexander Kalajdzic und Witolf Werner, sprühten vor Spiel- und der Opernchor vor Sangesfreude. Tenor Eric Laporte, der mit dem Operntaler der Thekos – wie der Schauspieltaler mit 3.000 Euro dotiert – für seine Leistungen geehrt wurde, sang sich mit "La Donna è Mobile" aus Verdis Rigoletto in die Herzen des Publikums. In seiner Dankesrede sagte er kurz und knapp: "Ich liebe die Bühne und die Musik, weil sie Wege sind, um zu kommunizieren." Der festliche Auftakt belegte genau das.