Neue Baugebiete am Bielefelder Stadtrand – Umweltexperte Martin Enderle warnt

Bielefeld. Für die Freilegung des Flüsschens Lutter in der Bielefelder Innenstadt ist der renommierte Landschaftsplaner Martin Enderle vor wenigen Wochen geehrt worden. Mit beeindruckender Beharrlichkeit hatte er mehr als 20 Jahre lang für die Lutter geworben und getrommelt – der Erfolg gab ihm recht. Dafür hat ihm der Bielefelder Verkehrsverein jüngst die Leineweber-Medaille verliehen. Doch der 70-jährige Enderle, der sich von 1992 bis 2000 als Umweltdezernent der Stadt verdient gemacht hatte, will weiterhin keine Ruhe geben. Er warnt vor einer weiteren Zersiedlung der Landschaften am Bielefelder Stadtrand. Immer neue Siedlungs- und Gewerbegebiete führen dazu, dass der Stadtrand immer weiter ausfranst, so lautet seine Befürchtung. &bdquo;Wir müssen auf unsere Stadt aufpassen, es gibt große langfristige Gefährdungen“, sagt Enderle. Ein besonderer Wert Bielefelds liege gerade in den Außenbereichen der Stadt, etwa an den Hängen des Teutoburger Waldes, in der Senne und entlang einiger Fluss- und Bachläufe. &bdquo;Diese schützenswerten Landschaften sind für die Stadt auch weiche Standortfaktoren“, gibt er zu bedenken. Sprich: Die Natur gehört zu den Pluspunkten, die Bielefeld im Wettbewerb der Städte attraktiv machen. An drei aktuellen Beispielen zeigt Martin Enderle, dass die Stadtplaner möglicherweise allzu sorglos mit den natürlichen Schätzen der Stadt umgehen. Millionen für Mini-Fluss: Lutter soll weiter offengelegt werden Baugebiet Windflöte dreimal so groß wie die Altstadt Im Bielefelder Südosten werde mit dem &bdquo;Struktur- und Nutzungskonzept Windflöte“ im Dreieck zwischen den Autobahnen A33 und A2 derzeit ein etwa 90 Hektar großes Gelände verplant – zum Teil sollen hier Wohngebiete entstehen und zum Teil Gewerbe- und Industrieflächen. &bdquo;Das Gewerbe wird als interkommunales Gewerbegebiet mit regionalem Bezug entwickelt“, heißt es in dem Konzept, das damit auch die Anforderungen des geltenden Regionalentwicklungsplanes erfüllen will. Enderle moniert zunächst vor allem die Größe des Gebietes, das künftig bebaut werden soll – auf einer Fläche, die dreimal so groß ist wie die Bielefelder Altstadt. &bdquo;An Gewerbeflächen hat Bielefeld tatsächlich Bedarf, aber nicht für so große Wohnungsbauflächen am Stadtrand“, kritisiert er. Enderles zweites Beispiel: Die Pläne für neue Siedlungsflächen am Rand von Milse. Die Straßenbahn war hier schon vor zehn Jahren verlängert und am Ende mit der neuen Haltestelle Buschbachtal versehen worden. Bisher nutzt freilich kaum jemand die Geister-Haltestelle. Doch das soll sich ändern – zu Enderles Bedauern. Siedlung am Stadtrand &bdquo;im Prinzip eine Planungssünde“ Bedroht sieht er drittens etwa die Gebiete südlich der Johannisbachaue im Norden von Gellershagen und Schildesche: Hier seien zwei neue Wohnungsbaugebiete geplant, möglicherweise flankiert von der Verlängerung der Stadtbahn-Linie 4. &bdquo;Und damit liegt dann auch wieder das zehn Jahre alte Konzept der Wissenschaftsstadt auf dem Tisch, wo zwischen Uni, Hochschule Bielefeld und dem Johannisbach große Siedlungsgebiete entstehen könnten“, sagt Enderle. Der frühere Umweltdezernent mahnt, der angesichts einer unbestrittenen Wohnungsnot benötigte Wohnraum könne zu großen Teilen auch durch eine stärkere Verdichtung der Siedlungsbereiche ermöglicht werden. Auch in den bestehenden städtischen Bereichen gebe es zahlreiche freie Baulücken oder nutzbare Brachen. Andere Städte würden es vormachen und litten weniger an einer Zersiedelung des Stadtrandes. &bdquo;Vor allem brauchen wir weniger neue Einfamilienhausgebiete draußen im Grünen“, mahnt er. Relativ junge Siedlungen wie Breipohls Hof in der Senne seien &bdquo;im Prinzip eine Planungssünde“. Enderle erinnert an bestehendes Baulückenkataster Es gebe einen Bestand an Einfamilienhaus-Siedlungen, die erhalten bleiben sollten. Neue Pläne aber sollten wohlüberlegt sein: Gibt es auch Innenstadtflächen, die genutzt werden könnten? Ein gutes Beispiel sei die kürzlich in Gang gesetzte Nachverdichtung des Quartiers Am Brodhagen. Früherer Umweltdezernent: &bdquo;Ich vermisse eine Vision für diese Stadt“ Enderle weiß, dass der von der Bundesregierung verfügte Stopp für die Umwandlung von Kasernenflächen gerade einige ehrgeizige Pläne der Stadt zu durchkreuzen droht. Etwa die schon weit gediehene Entwicklung des Rochdale-Quartiers, wo 650 Wohnungen entstehen sollten, die ganz im Sinne Enderles sehr innerstädtisch gelegen wären. Doch Martin Enderle glaubt trotzdem, dass die grüne Wiese nicht die einzige Ausweichmöglichkeit ist. Mit dem Baulücken- und Leerstandskataster, der heute teilweise in der Obhut der Stadt Bielefeld ist, hatten der Verein Pro Grün und Enderle bereits vor mehr als vier Jahren einen Anstoß geben wollen. &bdquo;Es gibt übrigens Kommunen, die definieren einen Leerstand als Zweckentfremdung“, sagt Enderle. Das sei für Bielefeld allerdings nie gefordert worden.

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