Bundesverdienstkreuz

Im Kofferraum eingeschleust: Bundespräsident ehrt Bielefelderin mit besonderer Geschichte

Heidrun Macha-Krau, Logopädin und Vorsitzende des Kinderschutzbundes, erhält das Bundesverdienstkreuz. Nach Bielefeld ist sie auf abenteuerliche Weise gekommen.

Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht Heidrun Macha-Krau aus Bielefeld das Bundesverdienstkreuz. | © Noah Wedel

Ivonne Michel
18.03.2024 | 19.03.2024, 12:30

Bielefeld/Espelkamp. Es hätte auch schief gehen und im Gefängnis enden können: Unter abenteuerlichen Bedingungen sei sie 1976 aus der ehemaligen DDR nach Bielefeld geflohen. „Im Kofferraum von Schleusern“, erinnert sich Heidrun Macha-Krau. Ein Segen für viele Familien, dass alles gut gegangen ist.

Als Logopädin und Vorsitzende des Bielefelder Kinderschutzbundes hat die heute 72-Jährige vielen in Not geholfen. Für ihr besonderes Engagement hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie vergangnene Woche bei seinem dreitägigen Besuch in Espelkamp im Schloss Benkhausen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

„Vollkommen überraschend“, wie Macha-Krau, selbst Mutter zweier erwachsener Kinder und Großmutter, bescheiden sagt. Aber es sei eine große Ehre. Und sie sehe die Auszeichnung als Anerkennung „der tollen, so wertvollen Arbeit aller rund 180 Ehrenamtlichen“, die sich beim Kinderschutzbund engagieren. Ob individuell als Paten oder bei Projekten in Schulen oder Kitas: „Es ist schön zu sehen, wie sehr sich das positiv auf die Kinder auswirkt“, sagt Macha-Krau, die 1951 in Stralsund geboren wurde und an der Humboldt-Universität in Berlin Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Logopädie studiert hat.

Fördert akademisierung der Logopädie

Auch dafür, dass das Fach in der Bundesrepublik akademisiert wird, „so wie in allen anderen Ländern“, setzt sie sich ein. Wie auch für Frauenrechte und Gleichberechtigung - seit einigen Monaten als stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Bielefelder Frauenvereine. „Es ist zwar besser geworden, aber es ist da längst noch nicht alles erreicht.“ Gleiche Bezahlung sei da nur eines von vielen Themen.

Nicht nur ihre Flucht war abenteuerlich, auch der Hintergrund ihre Tätigkeit nach dem Studium, in einer Reha-Einrichtung für „stimmgestörte Lehrer und Erzieher“. Sich dem Regime so unterzuordnen, habe viele enorm unter Druck gesetzt. „Das war für viele eine Riesenbelastung“, sagt die Expertin für Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen. Auch Macha-Krau und ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann Axel, Anästhesist und Schmerztherapeut, wollten nicht in dem restriktiven System leben und so flohen sie 1976 zu Verwandten nach Bielefeld.

Lehrauftrag und Buch an der Uni Bielefeld

Logopädische Praxen, in denen sie hätte arbeiten können, habe es zu dieser Zeit in ganz NRW aber fast noch gar nicht gegeben. So machte Macha-Krau sich „gezwungenermaßen“ selbstständig - und sei schnell sehr gefragt gewesen. Der Bedarf bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen mit Sprach- oder Sprechproblemen, etwa nach einem Schlaganfall, „war sehr groß“. Es folgte ein Lehrauftrag an der Bielefelder Uni, zusammen mit einer Freundin schrieb sie ein Buch über die „Emanzipationsgeschichte der Logopädie in Deutschland“.

Zum Kinderschutzbund kam Macha-Krau über eine Bekannte. Die Arbeit des Vereins habe sie sofort sehr angesprochen und interessiert, „und passt ja auch zu meiner beruflichen Tätigkeit“. Ihre Praxis an der Detmolder Straße hat die 72-Jährige mittlerweile „wunderbaren Nachfolgerinnen“ übergeben. So habe sie Zeit für ihre Ehrenämter.

Dass sie den Verdienstorden der Bundesrepublik – die höchste Auszeichnung des Staates – bekommen hat, feierte Heidrun Macha-Krau am Donnerstagabend erst einmal im Kreis ihrer Familie. „Und am Montag dann mit selbst gebackenem Kuchen bei der Vorstandssitzung im Kinderschutzbund“, verrät sie.