Stadtentwicklung Wildwuchs: Bielefelder sehen nur noch protzige Luxusbauten in Wohngebieten

Bielefeld. Der Südhang des Teutoburger Waldes gehört zu den bevorzugten Wohnlagen in Bielefeld. Viele Alarmanlagen und hohe Grundstückseinfriedungen sprechen eine deutliche Sprache. Entsprechend hoch sind die Bodenrichtwerte. Um den Senner Hellweg in Senne herum liegt er beispielsweise bei 470 Euro pro Quadratmeter, am Frölenberg in Brackwede bei 540 Euro. Beide Gebiete befinden sich im Umbruch, der nach Meinung vieler zu Wildwuchs führt. Der Versuch, regulatorisch einzugreifen, läuft bislang ins Leere. Vor allem in Senne sind die Veränderungen gut zu beobachten. Parkähnliche Grundstücke mit bis zu 70 Jahre alten Ein- oder Zweifamilienhäusern sind teils Mehrfamilienhäusern mit hochpreisigen Eigentumswohnungen gewichen. Weil der Generationenwechsel in vollem Gange ist, jetzt schon viele Häuser im Bereich oberhalb der ehemaligen B68 leer stehen und Grundstücke freigeräumt sind, wächst die Sorge darüber, dass noch mehr Neubauten entstehen, die nicht mehr ins gewachsene Bild passen. &bdquo;Wer entscheidet, was sich in die Umgebung einpasst?“, fragt Sennes Bezirksbürgermeister Gerhard Haupt mit gerunzelter Stirn und schaut auf die beiden exklusiven Stadtvillen am Senner Hellweg mit zwei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss, deren elf Eigentumswohnungen 2017 bezogen worden sind. Lange gepflasterte Zufahrten führen zu den Carportstellplätzen oder zur Tiefgarage. Auf dem rund 3.200 Quadratmeter großen Grundstück in direkter Waldrandlage waren zwei verwaiste Bungalows aus den 1960er Jahren abgerissen worden. Vom ursprünglichen Baumbestand ist nichts erhalten. Viel Platz für Neubauten auf großen Grundstücken An der Ecke Senner Hellweg/Ecke Nolkenfeld steht ein Neubau, der durch die Hanglage vier Etagen hat – das Souterrain mitgezählt. Gegenüber stehen zwei dreigeschossige Neubauten mit Flachdach, die genauso hoch wirken. Daneben ältere, auch recht großzügige Häuser, aber nicht so hoch. In der weiteren Nachbarschaft finden sich überwiegend ältere Gebäude von einem Geschoss bis zweieinhalb Geschossen. Das riesige Gelände des ehemaligen Erholungsheimes &bdquo;Stille Kammer“ von Bethel direkt am Waldrand ist mit neun neuen Häusern bebaut, die noch in den Rahmen passen, wie Haupt findet. &bdquo;Es geht nicht darum, eine Bebauung zu verhindern“, betont der Senner Bezirksbürgermeister, der auch positive Beispiele in der Siedlung findet. Angesichts des Wohnraummangels und der Investitionskosten sei es verständlich, dass Luxus-Grundstücke von 3.000 bis 4.000 Quadratmetern nicht nur wieder mit einem Haus bebaut würden. &bdquo;Aber die Gestaltung sollte geregelt sein“, weil der bisherige Weg aus Sicht der Senner nicht funktioniert. &bdquo;Wir müssen eine gewisse Linie reinbringen.“ Für den Bereich zwischen Osningstraße und Spiegelsberger Weg, zwischen Brackweder Straße und Togdrang gibt es keine Bebauungspläne, die beispielsweise Baufenster vorgeben, Firsthöhen, Dachformen oder maximale Gebäudelängen. Die Siedlung stellt größtenteils einen &bdquo;im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ im Sinne des Paragrafen 34 des Baugesetzbuches (BauGB) dar. Der sieht vor, dass sich Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaute Fläche in die Umgebungsbebauung einfügen muss. Beschlossene Bebauungspläne noch nicht aufgestellt Die Bezirksvertretung hat bereits 2019 angestoßen, dass für den gut 51 Hektar großen Bereich insgesamt fünf Bebauungspläne aufgestellt werden. Der Stadtrat hat dem 2020 ebenfalls zugestimmt und die Aufstellungsbeschlüsse gefasst. &bdquo;Passiert ist seitdem nichts“, kritisiert Haupt. Wenn diese Bebauungspläne nicht zeitnah auf den Weg gebracht würden, könnte man sich die Sache bald ganz schenken, erklärt der Bezirksbürgermeister. Dann seien nämlich so viele große Neubauten entstanden, dass weitere gleichgeartete Bauvorhaben sich dann sehr wohl in diese massive Nachbarschaft einpassen. Gerhard Haupt spricht von einem &bdquo;Kipppunkt“. Das sieht übrigens auch das städtische Umweltamt ähnlich. Ohne planerisches Eingreifen werde sich das Gebiet &bdquo;zwangsläufig ungesteuert verändern“, heißt es in einer Vorlage für den Naturschutzbeirat in der Sache. Für das mit 15,3 Hektar größte der fünf Plangebiete (&bdquo;Wohngebiet östlich des Feuerbachweges und beiderseits des Senner Hellwegs“) wird eine abwechselnd offene und geschlossene Bauweise mit überwiegend kleinteiliger Bebauung vorgeschlagen, die von &bdquo;gebietstypischen Einfamilienhäusern, über vereinzelte Doppelhäusern bis hin zu kleinen Mehrfamilienhäuser reicht“. Dazu ist die Rede von geringere Versiegelung und extensiver Begrünung von Flachdächern. Auf Brackweder Filetgrundstücken wird Ähnliches befürchtet Am Frölenberg in Brackwede wird eine ähnliche Entwicklung wie in Senne befürchtet, vor allem von der CDU-Fraktion. Ein großer neuer Mehrfamilienkomplex ist dort schon entstanden. Leerstehende Häuser und verwahrloste Gärten ließen befürchten, dass nach einem Verkauf durch die Erben oder Eigentümer in der teuren Wohngegend weitere hochpreisige große Wohnkomplexe gebaut würden. Weil es schon Mehrfamilienhäuser dort gebe, könnten nach Paragraf 34 BauGB weitere folgen. Die Brackweder sehen aber auch noch ein anderes Problem: die Kaltluftschneise. Sie versorge die Hauptstraße in Troglage mit Frischluft. &bdquo;Wenn wir hier oben Fehler machen, wird das Auswirkungen auch auf den Bereich Hauptstraße und darüber hinaus haben“, sagt CDU-Sprecher Carsten Krumhöfner. Die CDU hat daher gefordert, dass die Stadt anfängt, das Filetstück von Brackwede zu steuern und zu planen. Einen entsprechenden Prüfauftrag der Bezirksvertretung habe das Bauamt jedoch negativ beschieden. Die von der CDU dargestellte Entwicklung sei am Frölenberg nicht zu befürchten, daher reiche Paragraf 34 weiter zur Steuerung aus.

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