Rechtsstreit Interner Krieg bei Bielefelder Sicherheitsfirma

Bielefeld. Die Firma &bdquo;Prodiac Sicherheit“ war lange Zeit in der Sicherheitsbranche der Platzhirsch in OWL – sie stellte jahrelang den Sicherheitsdienst bei Arminia und den Gerry Weber Open, fuhr Geldtransporter und patrouillierte in grünen Uniformen in der Stadt wie auch in Bussen und Stadtbahnen. Doch das ist lange her. Heute ist Prodiac nur noch ein Kleinunternehmen mit Sitz am Telgenbrink zwischen Theesen und Vilsendorf. Trotzdem berichten Süddeutsche Zeitung und NDR von ungewöhnlichen Auseinandersetzungen innerhalb des Unternehmens. Dabei geht es um die Verantwortlichen der Firma, den Mutterkonzern – die Kieler Wach- und Sicherheitsgesellschaft KWS – und ihre mutmaßliche Weigerung, Arbeitnehmerrechte umzusetzen und den Betriebsrat in die üblichen Personal-Entscheidungen einzubinden. Dagegen jedenfalls kämpfe seit drei Jahren der Betriebsrat dort. Süddeutsche Zeitung und NDR berichten über Auseinandersetzung in Bielefeld In dem TV-Format &bdquo;Panorama 3“ sowie in der Süddeutschen Zeitung berichtet der Betriebsratsvorsitzende Jan Schneberger von regelmäßigen Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte. Dazu gehörten deutlich überzogene Arbeitszeiten. Die Rede sei von Dienstplänen, die teilweise mehr als 300 Arbeitsstunden pro Monat ausgewiesen haben sollen. Die Maximalgrenze liegt laut Verdi-Gewerkschaftssekretär Andreas Rech bei 228 Stunden. Auch seien Zwölf-Stunden-Schichten genehmigt worden, in denen die vorgeschriebene Mindestbereitschaftszeit von 30 Prozent nicht eingehalten worden sei. Immer wieder sollen die Einwände des Betriebsrates schlicht ignoriert worden sein: &bdquo;Der Arbeitgeber hält sich nicht an rudimentäre Rechte, wie das Mitspracherecht des Betriebsrates etwa bei Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen“, sagt Schneberger im TV-Interview. Die KWS-Tochter widerspricht. Trotzdem gab das Arbeitsgericht Bielefeld bei mehr als 40 Beschlussanträgen in nahezu allen Fällen dem Betriebsrat recht. Wie Gerichtssprecher Joachim Kleveman bestätigte, &bdquo;waren die rechtlichen Grundlagen eindeutig“. Deutschlandweit neu: &bdquo;Plötzlich behauptete Prodiac, dass man gar keinen Betriebsrat habe“ Doch die Arbeitgeber lernten offenbar aus den Urteilen nichts. &bdquo;Der Betriebsrat dokumentiert immer weiter Verstöße“, erklärt Rech. Als daraufhin Arbeitsrichter sogar mit Ordnungsgeld drohten, kam es laut Rech zu einer Reaktion der Firma, die es deutschlandweit noch nicht gegeben habe: &bdquo;Plötzlich behauptete Prodiac, dass man gar keinen Betriebsrat habe.“ Hintergrund: Seit 2008 erst existiert überhaupt ein Betriebsrat bei Prodiac. In der Sicherheitsbranche gilt seit 2003 ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag. Das heißt, tarifliche Bezahlung ist ohnehin Pflicht. Betriebsräte sind in der Branche dennoch selten. Andere Wege, die Kosten zu drücken, seien in der Branche üblich. Bielefelder Unternehmen erklärt Betriebsratswahl für nichtig Mutterkonzern KWS, laut SZ Deutschlands drittgrößter Anbieter von Sicherheitsleistungen, soll in seinen Unternehmen keine Betriebsräte dulden, sagt der Verdi-Funktionär. Mit dem Kauf der Bielefelder Firma habe sich KWS aber 2016 einen Betriebsrat eingekauft. &bdquo;Und das schmeckt denen offensichtlich nicht.“ Doch warum kann die Firma behaupten, sie habe gar keinen Betriebsrat? Der Arbeitgeber hatte die Wahl des jüngsten Betriebsrates 2022 für nichtig erklärt, bestätigt Arbeitsgerichtssprecher Kleveman. Der Wahlvorstand hatte die arbeitgebernahe Gegenliste &bdquo;pro Prodiac“ mit der Personalchefin an der Spitze kurz vor der Wahl ausgeschlossen. Aus formalen Gründen, wie es hieß. Wurde auch auf der Gegenseite mit Tricks gearbeitet? Die Betroffenen sollen darüber zu spät informiert worden sein, um noch reagieren zu können. Auch in diesem Fall ging es vor Gericht: &bdquo;Die Wahl ist aus diesen Gründen anfechtbar, aber nicht nichtig“, erklärte Kleveman. Wenn dieser Trick Schule macht, dann "gute Nacht Betriebsrat" Der entscheidende Unterschied: Wird eine Wahl angefochten, bleibt der neu gewählte Betriebsrat bis zur Neuwahl im Amt und kann weiterhin in Personalangelegenheiten eingebunden werden. Wird eine Wahl für nichtig erklärt, ist der neue Betriebsrat formell gar nicht mehr existent und muss weder gehört, geschweige denn bezahlt werden. Das schloss das Bielefelder Arbeitsgericht aber aus. Doch Prodiac blieb bei dieser Einschätzung und legte Rechtsmittel ein. &bdquo;Das ist völlig neu in Deutschland“, wettert Gewerkschafter Rech: &bdquo;Der Arbeitgeber hat seinen Betriebsrat mit diesem Nichtigkeitstrick über Monate handlungsunfähig gemacht.“ Tatsächlich musste das Arbeitsgericht alle Verfahren für ruhend erklären und konnte auch nicht mehr auf neue Beschlussanträge reagieren. Möglicherweise gewollter Nebeneffekt: Die freigestellten Mitglieder des strittigen Betriebsrates, erhielten über Monate auch kein Gehalt mehr. So ließe man die Gegenseite &bdquo;ausbluten“, betont Rech. Er befürchtet, dass diese Masche Schule machen könnte: &bdquo;Das wäre hochdramatisch. So kann theoretisch jeder Arbeitgeber durchsetzen, dass es bei ihm vorübergehend keine Mitbestimmungsrechte gibt.“ In der SZ sagt der Verdi-Mann: "Wenn wir solches Verhalten dulden, dann 'Gute Nacht Betriebsrat' in Deutschland". Auch die Neuwahlen landen wieder vor dem Arbeitsgericht Bielefeld Anfang Mai entschied nun das Landesarbeitsgericht in Hamm auch in zweiter Instanz, dass die Betriebsratswahl anfechtbar sei, aber nicht nichtig. Doch auch die Neuwahlen vom März 2023 wurden von Prodiac inzwischen für nichtig erklärt. Diesmal gehe es darum, dass zu viele Betriebsräte gewählt worden sein sollen, sagt Kleveman. Die Größe des Betriebsrates richtet sich nach der Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen. Laut Rech soll mitgeteilt worden sein, dass das Bielefelder Unternehmen seit dem 1. April nur noch über 30 Betriebsangehörige verfüge. &bdquo;Allein bei der Vollversammlung wurden aber mehr als 60 Mitarbeiter gezählt“, so Rech. Auch dieser Fall liegt nun vor Gericht. Beobachter befürchten, dass KWS keine Lust mehr auf die 1985 in Bielefeld gegründete Sicherheitsfirma hat. 2022 soll eine Welle von Auftragskündigungen losgegangen sein, die Zahl der Mitarbeiter schrumpft. 2016 waren hier noch gut 300 Sicherheitsleute angestellt, einige wechselten seitdem zum Mutterkonzern. Das Unternehmen Prodiac weist die Vorwürfe zurück Prodiac reagierte bisher nicht auf Fragen der NW. Bei NDR und SZ weist man die Vorwürfe zurück. Dass das Unternehmen seit Jahren gegen Betriebsräte vorgehe, davon könne keine Rede sein. Und Dienstpläne über 300 Stunden pro Monat seien in Ausnahmefällen möglich. Prodiac räume auch Fehler ein: Man habe Dienstpläne ausgegeben, nachdem sie vom Betriebsrat abgelehnt wurden. Das sei falsch gewesen, sei aber bereits mit den Verantwortlichen besprochen worden. Wer ist Prodiac Sicherheit? Die Firma Prodiac Sicherheit ging aus der ADS Sicherheit GmbH hervor und existiert seit 1985 in Bielefeld. Jahrelang war Prodiac das marktführende Sicherheitsunternehmen in OWL. 2008 hatte Prodiac noch 750 Mitarbeiter. Nach einer Zollrazzia mit weitreichenden Folgen für das Unternehmen gründet sich der erste Betriebsrat. 2011 gab die Firma den Bereich Geldtransporte ab. 2012 endete auch die langjährige Kooperation mit Arminia Bielefeld als Sicherheitspartner. 2016 Insolvenz des Mutterkonzerns, der DNZ Holding in Dresden. 2016 Kurz darauf übernimmt die Kieler Wach- und Sicherheitsgesellschaft Prodiac als eigenständiges Unternehmen mit 380 Mitarbeitern. 2023 berichten SZ und NDR über jahrelange Rechtsstreitigkeiten zwischen Betriebsrat und Unternehmen.

Mehr zum Thema