Das Bielefelder Gold Der Beweis: Die Bielefelder sind besonders engagierte Menschen

Bielefeld. Unsere Stadt ist engagiert. Wussten Sie schon? Prima, jetzt aber darf sich Bielefeld auch offiziell "Engagierte Stadt" nennen. Das Kompliment gilt Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Einrichtungen wie Freiwilligenagentur, Freiwilligenakademie und Freiwilligenagentur Bethel - und der Stadt selbst. Bielefeld zählt zu 113 Städten bundesweit, 15 in NRW, die als "Engagierte Stadt" in einem Netzwerk voneinander lernen, miteinander sprechen, sich befruchten. Denn: Was bis 30 Millionen Menschen in Deutschland freiwillig und ehrenamtlich leisten, ist nicht in Gold aufzuwiegen, sorgt parallel aber auch für Zufriedenheit, Zusammenhalt, Gemeinschaft. Das Netzwerkprogramm "Engagierte Stadt" startete 2015, Ziel: Professionelle und gut vernetzte Akteure in der Stadt, die stabile Strukturen fürs Ehrenamt schaffen und erhalten. Laut Bertelsmann-Stiftung wirkt das Netzwerk: Gemeinnützige Organisationen seien "deutlich besser vernetzt" und profitierten. Bielefeld, so Richildis Wälter von der "Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrtsverbände", habe alle Anforderungen schon längst erfüllt, steige auf einem hohen Niveau ein. Und hat einen Partner für den Austausch: Bocholt. Auf vieles aufbauen Gisela Krutwage, Chefin des Sozialamtes, sagt: "Wir haben gerade in den vergangenen Jahren gemerkt, wie sehr uns das bürgerschaftliche Engagement gut durch die Krisen getragen hat - es macht uns als Stadtgesellschaft stark." Ein besonderes Jahr sei 2015 gewesen, die sogenannte "Flüchtlingskrise". Krutwage: "Jetzt, wo es den Krieg in der Ukraine mit neuen Flüchtlingen gibt, können wir auf vieles von damals aufbauen, Bürger, Verbände und die Stadt sind gut vernetzt." Und werden gemeinsam besser: "Kleiderspendeaktionen laufen dann eben einmal und nicht dreimal", nennt sie ein Beispiel. Ein anderes: Etliche Ruheständler hätten sich in der Energiekrise aufgemacht und beispielsweise Energieberatungen angeboten. "Gemeinsam zu wirken, das ist in Bielefeld ausgeprägt", sagt Krutwage. Sozialdezernent Ingo Nürnberger: "Bürgerschaftliches Engagement hat hier einen hohen Stellenwert." Friedje Bormann von der Freiwilligenagentur erlebt das Engagement über ihre Institution: "Wir haben immer Zulauf von Menschen, die sich engagieren wollen - jede Woche haben wir vier bis fünf Beratungen." In Krisenzeiten explodiere diese Zahl - auf bis zu 20 am Tag. Hinzu kämen noch viele Bürger, die in Datenbanken der Agentur Infos suchten und direkt Kontakt aufnähmen. Von anderen Städten lernen Das ist Bielefeld, ist Teil der Identität der Menschen. Doch wie kann alles noch besser werden? Für Wälter ist klar: "Das Monetäre ist nicht unwichtig, aber auch nicht vordergründig das Wichtigste - viel mehr brauchen wir eine gute Unterstützung, Beratung und Anerkennung." Bormann: "Das Netzwerk, dem wir jetzt angehören, bietet die Chance, auf best-practice-Beispiele zu stoßen." Also: Wo läuft was besonders gut, was kann übernommen werden? Das sei das Wertvolle am Label "Engagierte Stadt". Dass es auch Fördertöpfe öffnen kann, sei ein willkommener Nebeneffekt, so Krutwage. Für Bormann ist entscheidend, eine "gute Anerkennungskultur" zu schaffen. Dafür seien "gezielte Leitfäden" wichtig, es müsse in Vereinen, Einrichtungen und Initiativen verankert werden, dass Anerkennung mehr als ein knappes Dankeschön oder eine kleine Aufwandspauschale ist. Anerkennung sei auch, aktiv nach Doppelbesetzungen zu suchen, sodass sich Ehrenamtliche weniger alleine fühlten, weniger unter Druck, weniger gefesselt. "Geteilte Verantwortung ist auch Anerkennung." Das werde immer wichtiger, weil sowohl die jungen Ehrenamtlichen als auch die älteren immer flexibler würden. Und sich so das Ehrenamt verändere. Auch ein klar organisierter Austausch, klar definierte Ansprechpartner, gute Fortbildungen seien ein Stück Wertschätzung für jenen Menschen, der sich ehrenamtlich engagiere. Ziel: Bunte Ehrenamts-Formate Wälter: "Wir dürfen das Ehrenamt nicht ausreizen - es bedarf großer Ehrlichkeit." Wer Rentner sei und sich auf Freizeit und Ehrenamt freue, müsse "passende Möglichkeiten bekommen". Bormann: "Wir müssen ganz bunte Engagement-Formate finden." Sie sieht Bielefeld gut aufgestellt, sagt aber auch: "Wir müssen erst einmal die Lage klarhaben, bevor wir auf Akteure zugehen." Eine Stütze werde der Stadtsportbund sein, der am besten an die Vereine herantreten und fragen könne: "Was braucht Ihr für eine Stärkung des Engagements bei Euch?" Menschen ans Ehrenamt binden Ein guter Weg, so Bormann, sei, Vorhandenes zu nutzen. Ihr Beispiel: Zurzeit sei die Bildungshilfe für Kinder beliebt im Ehrenamt. "Diesen Aufschwung müssen wir mitnehmen." Heißt: Wer einmal im Ehrenamt war, darf nicht verloren gehen; seine Bereitschaft ist da, es braucht oft nur einen neuen Impuls, eine passende Aufgabe. Wenn es dann noch gelinge, so Krutwage, junge Menschen fürs Ehrenamt zu begeistern, sei das doppelt sinnvoll - denn es liegen ja vielleicht engagierte Jahrzehnte vor den Jüngeren. Nur, wie erreicht Bielefeld sie? "Da werden wir viele Ideen mit viel Energie entwickeln müssen", weiß Krutwage um die komplizierte Aufgabe. Jetzt aber werde es erst einmal eine Info-Vorlage für die Politik geben, das Thema habe Stellenwert im Rathaus. Denn: "Engagement-Förderung wirkt nicht sofort, trägt dann aber viele Früchte."

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