Räumungsverkauf Wieder schließt ein Modegeschäft in der Bielefelder Innenstadt

Bielefeld. Von der Vermessungstechnikerin zur Modekauffrau: Petra Richter kam als Quereinsteigerin in die Branche, gab den Job bei der Landesentwicklungsgesellschaft auf und machte sich 1985 selbstständig. Bereut hat sie den Wechsel bis heute nicht. Richter kam damals nicht unvorbereitet in die Altstadt. Bevor sie in den Laden mit 80 Quadratmetern Verkaufsfläche an der Rathausstraße einzog, hatte sie in Münster ein betriebswirtschaftliches Training absolviert und zeitgleich ein Existenzgründungsdarlehen beantragt. Eine hilfreiche Finanzspritze auch zur Gestaltung ihres Geschäfts, das sie mit Designklassikern unter anderem von Le Corbusier einrichtete, dazu viel Glas- und Stahlelemente. Der minimalistische Stil wirkt auch nach 38 Jahren nicht altbacken. Deutlich opulenter fielen dagegen die Kollektionen aus, die Richter anfangs verkaufte. &bdquo;Ich bin rundum bunt gestartet“, erinnert sie sich. Mit knalligen Farben wie grellem Gelb, schrillem Türkis, Neon-Orange. Dazu gepolsterte Schultern, Marlene-Hosen mit Schlag – ein Look vor allem für junge Frauen. Modemarken Tandem und Girbeaud für Bielefeld So war das in den 80er Jahren, als die Mode, anders als heute, die Zielgruppen, ihrem jeweiligen Alter entsprechend, ansprach. Und noch etwas war anders: Während in den 1980ern das Sortiment bei Konfektionsgröße 34 begann und bei 40 endete, reicht die Skala heute von 36 bis 46. Chic soll auch in Plus-Size funktionieren, so die Absichtserklärung der Branche. Die Labels damals? Richter nennt Tandem und auch Girbeaud, bis heute eine angesagte Hosenmarke. Und die Nachbarschaft an der Rathausstraße? Überwiegend Modeanbieter, so ist es geblieben. Direkt nebenan (heute &bdquo;By Eva“) war ein Kindermodengeschäft. Gegenüber residierte im heutigen Copenhagen-Store der Modehändler &bdquo;Ulrichs“, und Läden wie Landhäuser oder Roeckl waren damals schon am selben Platz. Auch an einen Messeranbieter und -schleifer erinnert sich Richter. Mode allerdings habe stets eine besondere Bedeutung gehabt. >>>> Altstadt soll bis 2026 deutlich attraktiver werden Gern denkt sie noch an die Jahre zurück, als Modeevents das gesellschaftliche Leben in der Stadt prägten, wie im Ratscafé, wo der legendäre Michael Rosinski seinen Friseursalon auf der gesamten Fläche der ersten Etage führte. Der Coiffeur liebte spektakuläre Inszenierungen und fand immer wieder begeisterungsfähige Kooperationspartner. Familiäres Miteinander in der Rathausstraße Petra Richter war eine von ihnen. Gemeinsam mit dem Herrenausstatter LUomo aus dem Ratscafé zeigten sie dem Bielefelder Publikum, was Trend ist. &bdquo;Hervorragende Kundenkontakte“ seien so entstanden. Heute gehörten Modenschauen eher zu den Ausnahme-Veranstaltungen. Doch vergangenen Zeiten nachzutrauern, das ist nicht ihre Art. Die Modekauffrau hat sich schnell den vielen Veränderungen im Einzelhandel angepasst. Während der Corona-Lockdowns war sie eine der ersten in Bielefeld, die Window-Shopping angeboten haben. Flexibel war sie auch, als die Friseurin von gegenüber ihren Salon renovieren ließ und deswegen zwei Wochen schließen musste. Richter schob einige Kleiderstangen zur Seite, um Platz zu schaffen für die junge Frau, die im Laden zwei Stühle aufstellen und weiter arbeiten konnte. &bdquo;Wir hatten hier an der Rathausstraße immer ein freundschaftliches und familiäres Miteinander“, sagt Richter mit Blick auf die vergangenen Jahre. Aufzuhören sei nicht leicht, doch weitermachen auch keine Option. 50 bis 60 Stunden in der Woche hat sie, inzwischen im Rentenalter, gearbeitet. &bdquo;Von 100 auf null runterzufahren ist aber auch nicht so einfach“, gibt sie zu. Deswegen wird sie sich künftig ehrenamtlich betätigen und bei der Betreuung älterer Menschen helfen. Der Abschied von der Modebranche sei dann, wenn Inventar und letzte Kollektionsteile verkauft sind, zum 31. März endgültig. Die gelegentliche Wehmut lindert vor allem eine Gewissheit: In Richters Laden wird auch künftig Mode verkauft. Eine Bielefelder Händlerin zieht ein, um dort ein völlig anderes Konzept umzusetzen.

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