Krisensitzung am Donnerstag AWO-Beschäftigte vor ungewisser Zukunft - Kitas könnten abgegeben werden

Bielefeld. Kündigungswelle, Kita-Schließungen, Stellenabbau, Sparmaßnahmen: Im Vorfeld der für Donnerstag anberaumten Betriebsversammlung beantwortet Thomas Euler per Mail die Fragen von Mitarbeitenden des Bezirksverbandes der Arbeiterwohlfahrt Ostwestfalen-Lippe (AWO OWL). Ursprünglich sollte die Veranstaltung drei Stunden dauern, mit dem Hinweis, dass keine Verpflegung der Besucher eingeplant sei. Doch kaum machte die Nachricht von der Krisen-Sitzung die Runde, da meldeten die betroffenen Mitarbeitenden offenbar erhöhten Gesprächsbedarf an. Prompt geht das Treffen in die Verlängerung, von 9.30 Uhr bis 15 Uhr sollen auf der großen Bühne der Kuks in Sieker endlich Wege gefunden werden aus der Finanzkrise. In der befindet sich die AWO OWL offiziell seit August 2022. Damals schockten die beiden noch frischen Vorständler Thomas Euler und Benjamin Kramer die Belegschaft sowie die wohltätigkeits-affine Öffentlichkeit mit der Schließung von mutmaßlich unrentablen oder stark sanierungsbedürftigen karitativen Einrichtungen: darunter ein Frauenhaus, eine Unterkunft für Menschen mit Autismus – und auch das Berufskolleg zur Ausbildung von dringend benötigten Erziehern, allein für die eigenen 110 Kitas, stand plötzlich und völlig unerwartet zur Disposition. Die Stadt Bielefeld rettete das Berufskolleg per Übernahme, gab jedoch keine Auskunft zu den Kosten. Die anderen sozialen Einrichtungen befinden sich in der Abwicklung oder sind bereits geschlossen. Auf der Basis sei das Budget für das kommende Wirtschaftsjahr 2023 bereits beschlossen gewesen, da ereilte die Verantwortlichen unvorbereitet die Nachricht von der einmalig zu zahlenden Zulage für die Mitarbeitenden in den Kitas, erklärt Euler in der Mail. Die Zulage würde 5 Millionen Euro kosten. Keine Corona-Pauschale für AWO-Beschäftigte Geld, das der AWO OWL offenbar fehlt. Warum andere Träger die Zulage zahlen können, bloß die AWO OWL nicht, begründet Euler mit der Investitionsfreude als Arbeitgeber: Man habe Überschüsse aus den Pauschalen für die Refinanzierung nicht &bdquo;in den Sparstrumpf gesteckt“, sondern dafür mehr Personal engagiert als andere, mehr für &bdquo;Sachkosten“ ausgegeben und für Gebäudesanierungen. Dabei hatten die Mitarbeitenden zuvor auch schon auf die Corona-Pauschale verzichten müssen, die andere Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden auf freiwilliger Basis längst ausgezahlt hatten. Weil es sich bei der jüngsten Zulage um eine Pflichtzahlung handelt, konnte die AWO OWL diese rechtlich korrekt nur durch Tarifflucht vermeiden. Nach dem Abschied als Vollmitglied aus dem Arbeitgeberverband der AWO ging selbst die Gewerkschaft Verdi auf Distanz zur Geschäftsführung – dabei genießen Verdi-Mitglieder einige Privilegien im Haus. Der Frage, ob diese zukünftig gefährdet seien, wie beispielsweise der extra Urlaubstag, begegnet Euler diplomatisch: &bdquo;Das klären wir aktuell gemeinsam mit dem Betriebsrat.“ Schließungen von AWO-Kitas nicht ausgeschlossen Noch bis zum 31. Mai werden die Beschäftigen nach dem geltenden Tarif bezahlt, dann endet das Vertragswerk. Entsprechend machen sich viele Betroffene Gedanken darüber, ob sie zukünftig noch von ausgehandelten Gehaltserhöhungen profitieren und weiter in den Genuss bestehender Sozialleistungen kommen, wie das Weihnachtsgeld. Während bei den bestehenden Verträgen die Konditionen bestehen bleiben sollen (Urlaubsansprüche, Sonderzahlungen, Krankengeld, Zusatzrenten), sieht es bei den Neueinstellungen etwas anders aus: So sollen neue Kräfte nicht zu schlechteren Bedingungen eingestellt werden, allerdings orientiere sich die AWO OWL dann nur noch am geltenden Tarif. Die Beschäftigten sehen die Situation sehr kritisch, befürchten eine Kündigungswelle sowie einen erheblichen Bewerberschwund, was zwangsläufig zu steigenden Belastungen und vielleicht sogar zu Schließung von Kitas führen könnte. &bdquo;Kitas werden nicht im Zusammenhang mit der Tarifzulage geschlossen“, beschwichtigt Euler, doch offenbar strebt die AWO OWL an, einzelne Einrichtungen an andere Träger abzugeben. &bdquo;Wir werden zeitnah für die Eltern ein Informationsschreiben anfertigen“ lautet die Antwort. Was insofern irritiert, weil Euler an anderer Stelle in dem Schreiben besonders die sogenannten Alleinstellungsmerkmale der AWO-Kitas hervorhebt, so gelten aus seiner Sicht die mit modernsten Arbeitsbedingungen als Garant gegen eine Kündigungswelle. Am Donnerstag erwarten die Beschäftigten der AWO OWL dann fast sechs Stunden der Wahrheit.

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