Inflation, steigende Kosten und Fachkräftemangel Handwerker schlagen Alarm: "Dienstleistungen bald nicht mehr bezahlbar"

Bielefeld. Dass der Fachkräftemangel inzwischen auch das Handwerk in vollem Umfang erreicht hat und dass auch die explodierenden Energie- und Materialkosten den verschiedenen Gewerken zusetzen, ist schon länger bekannt. Trotzdem ließen zum Jahreswechsel Prognosen vom neuen obersten Handwerker Deutschlands aufhorchen. Denn Jörg Dittrich, neuer Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, zeichnete in deutlichen Worten ein überaus düsteres Bild: Er warnte davor, dass die Dienstleistungen schon bald derart teuer würden, dass sich viele Menschen keinen Handwerker mehr leisten können. Zudem stehe zu befürchten, dass man zukünftig mitunter ein halbes Jahr darauf warten müsse, ehe ein Fachbetrieb für eine neue Heizung, ein neues Dach oder ein neues Bad einen Termin frei habe. Mit seinen deutlichen Worten trifft der neue ZDH-Präsident bei vielen Menschen einen Nerv – und letztlich auch exakt den Ton, den die Verantwortlichen der Kreishandwerkerschaft Bielefeld-Gütersloh und der Handwerkskammer OWL anschlagen, wenn sie zum Fachkräftemangel, zu steigenden Preisen oder auch bürokratischen und steuerlichen Belastungen Stellung beziehen. Handwerkskammer-Präsident Peter Eul sowie die Kreishandwerksmeister Georg Effertz und Frank Wulfmeyer sehen das heimische Handwerk ebenfalls wegen der gestiegenen Energie- und Materialkosten sowie der galoppierenden Inflation unter hohem Druck stehen. Eine wie von Dittrich beschriebene &bdquo;Spaltung der Gesellschaft“ - etwa in Menschen, die sich einen Friseurbesuch leisten können und denen, die das eben nicht mehr bezahlen können - sehen sie noch nicht. &bdquo;Viele Handwerksbetriebe sind gezwungen, ihre Preise zu erhöhen, um den wirtschaftlichen Fortbestand zu sichern“, sagt Eul. &bdquo;Allerdings gehen sie dabei möglichst moderat vor, damit ihre Kundinnen und Kunden die Dienstleistungen und Waren weiterhin bezahlen können.“ Bislang hätte die Kundschaft &bdquo;viel Verständnis“ gezeigt. &bdquo;Die Handwerksbetriebe wissen diese Solidarität sehr zu schätzen“, sagt Georg Effertz. Wenig Verständnis zeigen die obersten Handwerker Bielefelds wiederum mit der Haltung der Politik, die einen stärkeren Fokus auf die Belange kleiner und mittelständischer Handwerksbetriebe legen müsse. Jörg Dittrich führte an, dass die Handwerker aktuell nicht nur mit hohen Preisen, sondern auch mit steigenden Krankenkassen-, Pflegeversicherungs- und Berufsgenossenschaftsbeiträgen zu kämpfen habe. Und weil dann am Ende noch 19 Prozent Mehrwertsteuer vom Staat obendrauf kämen, würde die Lücke zwischen dem tatsächlichen Verdienst des Handwerkers und dem, was der Kunde bezahlt, immer größer. &bdquo;Hier muss die Politik gegensteuern“, so der ZDH-Präsident. Auch hier trifft er ziemlich genau den Nerv der Ostwestfalen. &bdquo;Wir appellieren seit vielen Jahren an die Politik, kleine und mittelständische Unternehmen zu entlasten“, sagt Frank Wulfmeyer. Denn diese würden im Vergleich zu Großunternehmen ohnehin schon höhere Abgaben zahlen, die durch die gestiegenen Kosten noch höher ausfielen. In der aktuellen Situation brauche es daher neben der Strom- und Energiepreisbremse auch steuerliche und bürokratische Erleichterungen sowie schnell wirksame Härtefallhilfen für besonders energieintensive Betriebe. Nur dann könne das regionale Handwerk auch weiterhin seiner Rolle als &bdquo;Nahversorger und Dienstleister der Energie- und Klimawende“ gerecht werden. Handwerker fordern Fachkräfteoffensive Beim Fachkräftemangel - und den damit verbundenen Wartezeiten auf einen Handwerker – fordert Jörg Dittrich in erster Linie mehr Mitarbeiter, die er etwa durch eine verstärkte Zuwanderung auch von bislang ungelernten Menschen gewinnen möchte. &bdquo;Es geht um junge Leute, die bereit sind, in Deutschland ein Handwerk zu lernen und hier zu arbeiten“, so der Dachdeckermeister aus Dresden. Diese wünschen sich auch die Bielefelder Handwerker – allerdings fordern sie in erster Linie eine &bdquo;Fachkräfteoffensive im Handwerk“ und eine &bdquo;Stärkung der beruflichen Bildung“. &bdquo;Trotz gestiegener Ausbildungszahlen bleiben zahlreiche Ausbildungs- und Arbeitsplätze im regionalen Handwerk unbesetzt“, sagt Peter Eul. Verschärfend käme hinzu, dass es in den nächsten Jahren zu zahlreichen Betriebsschließungen kommen könne, da viele Betriebsinhaberinnen und -inhaber in den Ruhestand gehen. Eul. Effertz und Wulfmeyer sehen hier noch einiges Potenzial an den weiterführenden Schulen, wo ihrer Meinung nach der Tenor der Berufsorientierung immer stärker auf ein Studium und Karrieren mit Hochschulabschluss abzielt. &bdquo;Wir fordern daher eine echte Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, die über die Karrieremöglichkeiten einer handwerklichen Berufsausbildung informiert“, so Eul.

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