Millionen-Kosten Stadt Bielefeld verzockt sich beim Energieeinkauf

Bielefeld. Selten ging es auf den Energiemärkten so turbulent zu wie in diesem Jahr: Die Börsenpreise für Strom, Erdgas und Rohöl sind im Sommer in schwindelerregende Höhen gestiegen. Es kommt in diesen Zeiten nicht selten vor, dass Einkäufer Millionenschäden verursachen, weil sie gezockt und zum falschen Zeitpunkt zu kaufen gezwungen waren. Nach Informationen der NW ist die Stadt selbst in diese Falle geraten. Es hätte ein Schaden in Höhe von bis zu 40 Millionen Euro entstehen können. Das Thema kommt heute in einer nicht-öffentlichen Runde im Rathaus auf den Tisch. Was ist passiert? Zur Erklärung bedarf es einer Einordnung: Für Haushaltskunden beschaffen die Stadtwerke den passenden Bedarf an Energie. Der Versorger kennt den Verbraucher so gut, dass er ungefähr einschätzen kann, wie viel Energie er für seine Kunden einkaufen muss. Die Stadtwerke kaufen Gas im dreijährigen Rhythmus. Das ist der Grund, warum die Preise für Privathaushalte jetzt noch vergleichsweise günstiger sind. Die Stadtwerke hatten zuletzt noch vor der Krise Gas zu günstigeren Preisen gekauft. Bei großen Unternehmen läuft das anders. Für die beschafft der Versorger nach Weisung und Auftrag des Großkunden. Diese bestellen bei den Stadtwerken bestimmte Mengen zu aktuellen Preisen am Energiemarkt. Die Stadtwerke können für ein paar Tage Angebote legen, der Großkunde entscheidet dann, ob er kaufen will. So macht es auch die Stadt Bielefeld als Kunde der Stadtwerke. Der Immobilienservicebetrieb (ISB) beschafft die benötigten Energien zentral für die städtischen Gebäude, die Einrichtungen des Umweltbetriebes sowie für die Anlagen des Amtes für Verkehr. Dabei geht es rund um 7,9 Millionen Kilowattstunden Strom und 3,9 Millionen Kilowattstunden Gas im Jahr. Erster Betriebsleiter des ISB ist der Beigeordnete Gregor Moss. Die Einkaufsstrategie verlief bisher stets in enger Abstimmung mit den Stadtwerken. Der Energieversorger riet der Stadt, sich nicht vom stark schwankenden Energiemarkt beeinflussen zu lassen. Stattdessen solle die Stadt in regelmäßigen Tranchen Energie kaufen. Unterm Strich sei das weniger risikobehaftet. Die Stadt hat sich daran in diesem Jahr offenbar nicht gehalten. Nach Informationen der NW hatten die Stadtwerke der Stadt bereits im Oktober 2021 empfohlen, möglichst früh in mehreren Tranchen Gas einzukaufen. Das geht aus Protokollen hervor, die der Redaktion vorliegen. Auf der Grundlage einer Präsentation des heimischen Energieversorgers erfolgte schließlich in der Sitzung des Betriebsausschusses des ISB am 26. April 2022 ein politischer Beschluss, dass das bewährte Tranchenmodell fortgeführt werden soll. Passiert ist dennoch nichts. Der ISB zeigte sich weiterhin sehr zurückhaltend bei der Beschaffung von Energie. Übersetzt: Die Stadt zockte in der Hoffnung, dass die Preise wieder sinken. Taten sie aber nicht, sie stiegen unaufhörlich: Bis der Stadt die Zeit weglief und sie sich gezwungen sah, statt kleiner Tranchen eine größere Menge zu kaufen. Das geschah Ende August – ausgerechnet auf der absoluten Spitze des Energiepreises. Nach den Sommerferien galoppierten die Gaspreise davon. Schon kurz danach, im Verlauf des Septembers, sanken sie wieder. Nach Informationen der NW verursachte diese Zockerei zwischenzeitlich 30 bis 40 Millionen Euro Mehrkosten. Es wäre ein Desaster für den städtischen Haushalt gewesen. Doch die Stadt hatte Glück. Die vom Bund beschlossene Gas- und Strombremse relativiert den Verlust signifikant. Am Ende wird er geringer sein als 20 Millionen. Moss erklärte auf Anfrage, der ISB sei bei der Beschaffung den Empfehlungen der Stadtwerke gefolgt. Den Vorwurf, gezockt zu haben, weist er zurück. Da es sich um eine Vertragsangelegenheit handele, die nicht öffentlich behandelt werde, wolle er in der Sitzung an diesem Donnerstag die Genehmigung einholen, sich im Anschluss öffentlich dazu äußern zu können.

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