Armut durch Teuerung Bielefelder "Tafel für Tiere": Zahl der Bedürftigen steigt plötzlich stark

Bielefeld. Der Andrang beim Bielefelder "Tiertisch" ist groß. An diesem Samstagvormittag hat das Team der Tiertafel früher als sonst mit der Ausgabe begonnen, denn einige Hilfsbedürftige warten bereits vor der großen Eisentür in der Kälte. Die Öffnungszeiten an den Ausgabetagen von 13 bis 16 Uhr können längst nicht mehr eingehalten werden. "Wir werden hier wohl auch noch zwei Stunden länger als eigentlich geplant stehen", sagt Ute Wattenberg-Stuckmann, die Organisatorin der Futterausgabestelle. "Bei uns soll niemand mit leeren Händen gehen müssen." Wie lange sie jedoch noch alle Bedürftigen mit Tierfutter ausstatten könne, wisse sie nicht. Viele Probleme kämen zusammen. Die "Tafel für Tiere" gründete Wattenberg-Stuckmann mit ihrem Mann vor dreizehn Jahren. Eine wichtige Anlaufstelle für viele Tierbesitzer, die am Existenzminimum leben und sich das Futter für ihr Tier nicht oder nur schwer leisten können. Nach Prüfung der Bedürftigkeit bekommen die Kunden der Tiertafel für eine geringe Grundgebühr das Futter für ihr Haustier. "Oft sind die Tiere ein Halt. Viele Menschen, die hier herkommen, sind psychisch krank, leben von einer sehr kleinen Rente oder haben im Krieg Schreckliches erlebt", sagt Wattenberg-Stuckmann. Teilweise kämen sie auch aus umliegenden Städten, wie Herford, Bünde oder Bad Salzuflen nach Bielefeld. Die nächsten Anlaufstellen sind in Paderborn und Hannover. Immer mehr Menschen sind auf die Hilfe des Tiertischs angewiesen Einen weiten Weg hat auch Marco Hellmann. "Ich bin froh, dass es den Tiertisch gibt", sagt der Bünder, der bei der "Tiertafel" seit acht Jahren Futter für seinen Hund Miko bekommt. Hellmann hat gesundheitliche Probleme, lebt von Hartz IV und ist auf die Hilfe des Tiertischs angewiesen. "Das spezielle Futter, das ich hier bekomme, weil Miko nicht alles verträgt, könnte ich mir nicht leisten", erklärt er. Er ist dankbar. "Ab und an packe ich mit an und verlade die Futterspenden, dann habe ich das Gefühl, dass ich etwas zurückgeben kann." So geht es auch Alexander Löpp. "Ich war selber Kunde und habe gesehen, dass die Leute hier Hilfe brauchen." Seit Anfang des Jahres kommen viele Geflüchtete aus der Ukraine, die Futter für ihre Tiere benötigen. Löpp ist selbst 1990 aus Kasachstan nach Deutschland gekommen, spricht Russisch und bot sich gleich an, beim Übersetzen zu helfen. Tierfutter ist deutlich teurer geworden "Seit zwei Monaten kommen deutlich mehr Bedürftige als sonst", sagt Wattenberg-Stuckmann. Jetzt seien es Menschen, die sich steigende Energiekosten und Inflation nicht mehr leisten könnten. "Auch das Tierfutter ist teurer geworden", bemerkt Wattenberg-Stuckmann. Damit hätten nicht nur die privaten Tierhalter zu kämpfen, sondern auch die Tafel selbst. Zudem habe die Spendenbereitschaft nachgelassen, wodurch weniger Ware zum Verteilen da sei. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt ein Satz, den die Tierfreundin ungern ausspricht: "Es kann sein, dass ich heute das erste Mal jemanden ohne Futter wegschicken muss." Besonders Katzenfutter sei nachgefragt, ebenso spezielle Hundenahrung. "Die Tiere werden kränker", sagt Wattenberg-Stuckmann. Hauptsächlich gebe sie daher Allergikerfutter aus. "Wir versuchen, auf die Wünsche der Tierhalter einzugehen - das geht nicht immer", sagt sie. "Mit der Futterausgabe ist es allerdings nicht getan", sagt Manfred Stuckmann, der sich im Hintergrund auch um die Logistik kümmert. Die Sachspenden von größeren Unternehmen, wie beispielsweise "Fressnapf", müssten abgeholt und bis zur Ausgabe gelagert werden. Transport, Miete, Strom, Versicherungen - all das koste den Tiertisch zusätzliches Geld. "Ich leihe dann manchmal den 40-Tonner und hole das Futter selbst ab", sagt der Rentner. "Leider werden es aber immer weniger Spenden, die wir abholen dürfen". Denn auch die großen Märkte würden strenger kalkulieren als vor der Pandemie. Steigende Tierarztkosten sind problematisch Anfragen zur Übernahme von Tierarztkosten muss der Tiertisch strikt ablehnen, obwohl auch die in den vergangenen Wochen stark zugenommen haben. "Das können wir einfach nicht leisten", sagt Ute Wattenberg-Stuckmann. Dass die Kosten durch die neue Gebührenordnung für Tierärzte nun steigen werden, sieht sie kritisch. "Das ist für viele Menschen ein großes Problem", sagt sie, findet aber selbst keine Lösung. Schon seit geraumer Zeit wird beim Tiertisch sichtbar: Es gibt mehr Hilfsbedürftige als Spenden und Helfer. "Das ist eine Schere, die immer weiter auseinander geht und sich vermutlich nicht mehr schließen lässt", sagt Wattenberg-Stuckmann deutlich. Sie hoffe, möglichst lange alle Kunden der Tafel bedienen zu können. Doch da blickt sie ins Ungewisse.

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