Rohrteichstraße und Ehlentruper Weg Bielefelds erste Fahrradstraße ist ein Streitobjekt, hat aber durchaus viele Fans

Bielefeld. Die erste echte Fahrradstraße: Was die Stadt in Rohrteichstraße und Ehlentruper Weg ausgewiesen hat, sorgt für Schlagzeilen. Die Kritiker sind da. Und Zufriedene? Gibt es die? Ja, Radfahrer, die die Fahrradstraße nutzen, äußern sich. Bisher ruhige Anwohner auch. Deutlich wird: Es gibt auch sehr viele Menschen, die entspannt auf das Neue schauen - die auch Positives sehen. Nicht alle hier fahren täglich Auto, nicht alle sind gestresst von den vielen neuen Einbahnstraßenregelungen und gestrichenen Parkplätzen. Viele genießen die neue Ruhe. Und stellen auch Dinge in Frage, es ist ja eine Testphase. Jürgen Lienau radelt werktags die Strecke Klinikum Mitte/Stieghorst. "Früher war es hier gefährlich, genauso wie auf der Oldentruper Straße", sagt er. Überall parkende Autos, eine große Rücksichtslosigkeit der Autofahrer gegenüber Radfahrern. "Es fühlte sich oft an wie ein Spießrutenlauf." Er, der selbst auch Auto fährt, schaut jetzt den Ehlentruper Weg entlang, sagt: "Es ist sehr entspannt, echtes Genussradeln." Ihm ist wichtig, zu betonen, dass er "kein Revoluzzer", kein verbohrter Radler ist. Aber: "Jahrzehntelang war alles in der Verkehrsplanung auf das Auto ausgelegt, gut, dass jetzt auch das Fahrrad in den Blick genommen wird". "Auch Spielstraße vorstellbar" Das sieht auch Michael Wend so, der fast täglich von Uerentrup nach Oldentrup und zurück radelt. "Es fühlt sich hier jetzt richtig gut an", sagt er mit Blick auf die Fahrradstraße. Aber: Es hätte aus seiner Sicht nicht zwingend eine Fahrradstraße sein müssen. "Ich bin nicht so sehr fürs Ausgrenzen", betont er, und sagt: "Ich hätte mir hier auch eine Spielstraße vorstellen können, ohne Bordsteine, mit einer Fläche für alle." Jetzt sei es mit all den Einbahnstraßen für Autofahrer schwierig sich umzugewöhnen. Er glaube, dass die vielen Falschfahrer "die Schilder schlicht übersehen". Auch Nora Niebel, Planerin der Stadt, und Dezernent Martin Adamski sehen eher die Macht der Gewohnheit als Grund denn pure Absicht. Radfahrer Wend sieht es ebenfalls eher defensiv: "Auch wenn ich mich innerlich aufrege, verstehe ich das." Er glaubt, dass eine gemischte Fläche für alle, auf der Fußgänger und Radfahrer bevorrechtigt sind, aber Autofahrer auch fahren dürfen, besser gewesen wäre - "das gibt nicht so viel böses Blut". Dass Parkplätze weggefallen sind, sei sicher richtig, aber auch hier versteht er Anwohner, "für die das jetzt erstmal blöd ist". Er glaubt jedoch, dass die neue Ruhe "vielen Anwohnern sehr gut tun wird" und "dass zukünftig statt über Parkplätze über eine neue Oase geredet wird". Stadt sucht nach Parkplätzen Stichwort Parkplätze: Adamski betont, er sei in Gesprächen mit dem Klinikum Mitte über Stellplätze im Parkhaus, zudem solle Carsharing etabliert werden - und es werde auch nach Parkplätzen "im zumutbaren Umfeld" geschaut. Anwohner müssten dann aber auch bereit sein, sich zu Fuß oder mit E-Roller und E-Scooter zum Stellplatz zu bewegen. "Der Raum für Autos ist nun einmal endlich und nicht unbegrenzt vorhanden." Er hoffe, dass sich nach den Testphasen und der sich daraus ergebenden endgültigen "baulichen Umsetzung" alles einruckeln werde. "Das verharmlost sich dann, da bin ich mir sicher - und nächstes Jahr zu dieser Zeit ist das dann kein Thema mehr". Auch Daniel Mörchen vom Radentscheid blickt gerade gespannt auf die zwei Versuche, die geplant sind. Aktuell findet eine Steuerung des Autoverkehrs in kleinen Runden ums Quartier durch mehrere kleine Einbahnstraßenabschnitte statt - ein Blocksystem, wie es oft in Holland und auch in Barcelona zu finden ist. Diese Idee könnte für ihn am Ende die Nase vorne haben gegenüber der anderen Variante, bei der die Durchfahrt offen bleibt, aber die Querverbindungen für Autos abgebunden werden. Das schaffe zwar klarere Fakten, könne aber zu mehr langen Durchfahrten über die gesamte Länge der Fahrradstraße führen. Genau das aber verhinderten jetzt die kleinen, wechselnden Einbahnstraßen-Lösungen. "Hier sind nicht alle dagegen" Gespannt auf das, was nach Ostern umgesetzt wird, ist auch Anwohnerin Regine Meinerts. Sie betont: "Hier sind nicht alle gegen die Fahrradstraße, der Eindruck trügt. Die meisten meiner Nachbarn finden das eher gut, viele haben ja auch gar kein Auto - es ist eine Minderheit, die laut dagegen ist; und ein weiterer Teil wartet ab und schaut sich das erst einmal an." Von der Fahrradstraße längst begeistert sind Victoria und Christian Doths. Das Ehepaar radelt regelmäßig von Oerlinghausen zur Arbeit in die City. Er sagt: "Gefühlt sind es jetzt schon mehr Radler als früher, und die Abstände zu den Autos sind größer geworden." Sie sagt: "Ich fühle mich jetzt mehr im Recht, wenn ich hier fahre, vor allem, wenn wir nebeneinander fahren." Das meint sie nicht rechthaberisch, sondern eher als Grundgefühl. Jetzt hat sie Vorfahrt, und wenn ein Autofahrer nicht defensiv fahre, "dann zeige ich auch mal auf die Schilder und auf mich". Bisher seien es Autofahrer gewohnt gewesen, dass Radler schon Platz machten, nun müssten sie sich umgewöhnen. "Viele entschuldigen sich sofort, einige sind genervt, aber angegangen hat mich noch keiner." Kleine Indizien fürs Umgewöhnen. Kampagne pro Fahrradstraße Das will Nahmobilitätsbeauftragte Barbara Choryan allen erleichtern, indem sie mit ihrem Team im Amt für Verkehr verstärkt in die Öffentlichkeitsarbeit einsteigt. Plakate erklären, was eine Fahrradstraße ist, Flyer gibt es, auf Social Media sollen Kampagnen folgen. Auch analog soll aufgeklärt werden: Postkarten könnten bald alle Bielefelder informieren.

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