Ungewöhnliche Hilfsaktion Bielefelder Arzt versorgt ukrainische Soldaten mit Geländefahrzeugen für die Front

Bielefeld. Eine Zufallsbegegnung in New York sorgt dafür, dass ein Bielefelder Urologe jetzt plötzlich und hautnah mit dem Ukraine-Krieg konfrontiert ist. Martin Betge ist am Freitagmorgen mit einem selbstorganisierten Konvoi an die polnisch-ukrainische Grenze gestartet, um mit Freunden und Bekannten dringend benötigte Fahrzeuge für die Front und weitere Hilfsmaterialien zu liefern. Ein fast 2.500-Kilometer-Trip, der auf alle Fälle keine Eintagsfliege bleiben soll. Zwei Männer, zwei Kinderwagen, zwei Töchter - vor sechs Jahren trafen sich Martin Betge und Sergej aus Kiew in der amerikanischen Metropole und kamen ins Gespräch. Seither sind der Arzt und der selbstständige Möbelbauer in Kontakt geblieben. Daran hat auch der Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nichts geändert. In der vergangenen Woche hat der 53-jährige Mediziner dann Sergej eine Frage gestellt, die seinen Alltag kurzfristig auf den Kopf stellen sollte. "Ich habe ihn gefragt, was am meisten für die Verteidigung seines Landes benötigt wird", schildert der Urologe im Gespräch mit der "Neuen Westfälischen". Er hat an vieles gedacht: Geld, Waffen, Munition, aber die Antwort sei verblüffend anders gewesen. "Nein, er sagte, am dringendsten benötigt würden Geländewagen, SUVs oder Bullis", sagt Betge. Sie würden nach Sergejs Worten gebraucht, um die Soldatinnen und Soldaten an der Frontlinie hin- und herzutransportieren. Die Russen würden diese Fahrzeuge ständig kaputtschießen. Sergej selbst ist noch nicht beim Militär, hat dorthin aber sehr gute Kontakte, wie der 53-Jährige erzählt. WhatsApp-Gruppe mit mehr als 350 Mitgliedern Martin Betge zögerte nicht lange. Er kaufte vier alte, gebrauchte, aber noch funktionstüchtige Fahrzeuge an, zwei weitere wurden von der Kfz-Werkstatt Wacker in seinem Heimatort Leopoldshöhe gespendet und die nötigen Tageszulassungen besorgt. Der Arzt rief zudem eine eigene WhatsApp-Gruppe ins Leben mit bislang 350 Mitgliedern aus seinen Kontakten, um weitere Unterstützung zu requirieren. Seine Bitte im Chat um Sachspenden, Geld und vor allem Fahrer blieb nicht ungehört. Unter anderem hat Thorsten Kaminiski von der Lippischen Landesbrand die nötigen Versicherungen für die Wagen gespendet. Die Firma Potthast im lippischen Barntrup hat die Fahrzeuge mit großen Aufklebern mit der ukrainischen Flagge versehen. Außerdem kamen rund 15.000 Euro an Spendengeldern zusammen. Und das alles in nur wenigen Tagen. "Die ukrainischen Soldaten, die ukrainischen Frauen und Männer verteidigen die Freiheit Europas", sagt der Bielefelder Arzt. "Darum halte ich es für sehr wichtig, sie mit den notwendigen Mitteln auszustatten." Nach der Übergabe sollen die Wagen noch gepanzert und damit fronttauglich gemacht werden. Martin Betge selbst fährt mit seinem siebensitzigen VW-Sharan Richtung Ukraine und sichert damit den Rücktransport. Am Steuer der übrigen Fahrzeuge im Konvoi sitzen Holger Warnat, Geschäftsführer der Gesellschaft für ambulante Urologie aus Mühlheim an der Ruhr, Jens Rüdiger, Max Bayer, Arthur Brakowski, Jolante Meyer sowie Björn Knoche. Familie ist aus der Ukraine nach London geflüchtet Sie sind am Freitagmorgen um 8 Uhr bei Martin Betge in Leopoldshöhe gestartet und wollten bis Freitagabend die polnisch-ukrainische Grenze erreichen. Ob sein Freund Sergej am geheimen Treffpunkt sein wird, kann Martin Betge nicht sagen. Die Familie seines ukrainischen Freundes, seine Frau und seine beiden Kinder im Alter von vier und acht Jahren, sind glücklicherweise in Sicherheit. "Nach drei Monaten in Bulgarien sind sie nach London weitergezogen, um dem Krieg zu entgehen", schildert der Arzt. Die Hilfsaktion soll auch nach der Rückkehr weitergehen. Martin Betge möchte weiterhin Fahrzeuge, medizinisches Material, warme Kleidung oder was immer sein Freund Sergej und seine Landsleute benötigen organisieren. Er hat sich mit der Bundeswehr in Augustdorf in Verbindung gesetzt und will auch Kiews Bürgermeister Witali Klitschko mit ins Boot holen, der Kontakte nach Ostwestfalen-Lippe hat. Antworten stehen allerdings noch aus. Zudem hat Betge die Homepage www.ukraine-Bielefeld.de ins Leben gerufen, auf der auch eine Spendenkontonummer zu finden ist.

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