Kinderbetreuung Bielefelder Familie zahlt 3.000 Euro, um sich Tagespflegeplatz zu sichern

Bielefeld. Immer mehr Kinder kommen heutzutage früh in die Betreuung, weil die Eltern beide wieder arbeiten möchten - oder müssen. Nicht immer ist es da einfach, einen passenden Platz zu finden. Vor allem, wenn Kinder erst nach dem 1. August eines Jahres ein Jahr alt werden, berichten Eltern. Um sich Plätze zu sichern, zahlten sie dann mitunter mehrere Hundert Euro aus eigener Tasche, um sich einen Tagespflegeplatz zu sichern. Bei Familie Müller (Name von der Redaktion geändert) sind es insgesamt über 3.000 Euro. Sie könne sich doch eine andere Tagespflege suchen. Oder sonst könnten ihr vielleicht die Tagespflegepersonen entgegen kommen bei den Gebühren: Ziemlich unglaublich findet Sarah Müller die Vorschläge der zuständigen Mitarbeiter im Jugendamt, denen sie ihr Anliegen geschildert hat. Und wenig hilfreich. Jetzt zahlt die Familie monatlich ab August 800 Euro aus, damit ihre jüngste Tochter dann ab November eine Tagespflege im Bielefelder Westen besuchen und Müller nach einem Jahr Elternzeit wieder in ihren Job als Lehrerin einsteigen kann. Das Problem: Die Tochter wird erst im November ein Jahr alt. Auf "Little-Bird", der Plattform, über die in Bielefeld die Betreuungsplätze vergeben werden, kann man sich erst nach der Geburt des Kindes anmelden. Ein Großteil der Plätze sei dann allerdings zum Kita-Stichtag 1. August vergeben, berichtet nicht nur Müller. "Ich habe dort erst einmal gar kein passendes Angebot entsprechend der benötigten Betreuungszahl gefunden", berichtet die Lehrerin. Im Februar dieses Jahres dann zumindest eins: den Platz bei einer Tagespflege im Bielefelder Westen. Dieser sollte aber nur zu 1. August vergeben werden. "Eine Alternative gab es nicht", sagt Müller. Vielleicht hätte sich irgendwann und irgendwo in der Stadt auch zum 1. November noch ein anderer Platz aufgetan. &bdquo;Aber den wählt man sich ja für sein Kind ganz bewusst aus, gerade wenn es noch so klein ist." Bei ihrer älteren Tochter habe sie da leider sehr negative Erfahrungen machen müssen. Außerdem wolle man ja nicht morgens vor der Arbeit noch quer durch die Stadt fahren müssen. Sie habe zudem nicht weiter abwarten können, da auch ihr Arbeitgeber wissen wollte, wann sie denn nun wiederkommt. So habe sie im April den Vertrag zum 1. August unterschrieben. Bis November zahlt die Familie jetzt insgesamt rund 3.000 Euro. Denn, bis auf Ausnahmen, besteht erst ab der Vollendung des ersten Jahres ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Dann müssen die Eltern dafür nur noch einen einkommensabhängigen Anteil tragen. Das "Einstiegsalter" der Kinder sinkt &bdquo;Viele Tagespflegepersonen vergeben die Plätze aber zum 1. August, weil dann die Älteren in die Kita wechseln“, sagt Müller. Das sei auch vollkommen verständlich, denn es sei ja ihre Existenz. &bdquo;Man würde ja auch keinen Manager fragen, ob er mal eben ein paar Monate auf einen Teil seines Gehalts verzichten würde“, sagen die beiden Tagespflegepersonen, die insgesamt neun Kleinkinder, alle unter zwei Jahren, in angemieteten Räumen betreuen. Beide sind selbst Mütter – und alleinerziehend. &bdquo;Wir machen das nicht aus Spaß, sind auf das Einkommen angewiesen“, sagen sie. Zuschüsse für die Miete bekämen sie, anders als Tagespflegepersonen in Nachbarkreisen wie Gütersloh oder Herford, in Bielefeld nicht. Die Rechtslage sei eindeutig, heißt es auf Nachfrage von der Stadt. &bdquo;Gefördert wird nur die tatsächliche Betreuung eines Kindes mit Rechtsanspruch.“ Es bestehe keine Möglichkeit, einen Platz zu fördern, wenn das Kind noch keinen Rechtsanspruch auf eine Förderung habe. Das gelte erst recht, wenn der Platz noch gar nicht genutzt werde, so Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Die Betreuungsplätze in der Kindertagespflege könnten und würden auch unterjährig besetzt, belegten auch die Statistiken. Die Verwaltung sei bemüht, sie in ausreichender Anzahl vorzuhalten, um auch die unterjährigen Bedarfe der Eltern decken zu können. "Little-Bird" sei nicht das alleinige Instrument ist, um einen Kinderbetreuungsplatz zu finden. Auf der Plattform wie auf der Homepage der Stadt würden suchende Eltern darauf aufmerksam gemacht, dass parallele Wege möglich sind. Extra dafür seien zwei Vermittlungsstellen eingerichtet worden. Grundsätzlich suchten Eltern heute früher als noch vor zehn Jahren Betreuungsplätze für ihre Kinder. Das &bdquo;Einstiegsalter“ der Kinder sinke, was einen erhöhten Platzbedarf auslöse. Auch sei die Zahl der Neugeborenen, wie viele Jahre lang erwartet, nicht stagniert. &bdquo;Im Jahr 2013 umfasste der jüngste Jahrgang der Kinder, die bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen sind, keine 2.800 Kinder“, berichtet Nürnberger. Er sei danach im Prinzip Jahr für Jahr gestiegen und bewege sich heute bei etwa 3.350 bis 3.400. Auch das löse Platzbedarf aus. Auf die Entwicklung habe die Verwaltung reagiert und die Zahl der Betreuungsplätze permanent ausgebaut. Einen passenden Platz nach dem 1. August zu finden, sei aber extrem schwierig, beklagen auch andere Eltern. Das liege mit daran, dass gesamte System hier bei uns, anders als in anderen Bundesländern wie Hamburg, auf den Termin ausgerichtet ist. Die Konsequenz: Mütter seien gezwungen, noch bis zum 1. August des Folgejahres zu Hause zu bleiben, so Müller. Nicht jeder könne mal eben mehrere Hunderte oder sogar mehrere Tausend Euro aus eigener Tasche bezahlen, um sich einen Platz zu sichern. &bdquo;Dann wundert man sich, wenn in allen Bereichen Fachkräfte fehlen“, ergänzt die Lehrerin. Das Problem betreffe also die ganze Gesellschaft. Für Frauen, die in der freien Wirtschaft arbeiten, sei das oft noch viel problematischer. Eine Freundin habe letztendlich ihren Job in einer Werbeagentur verloren, weil sie nicht zeitig wieder eingestiegen ist. &bdquo;Viele Frauen würden gern wieder arbeiten, die Regelung macht es ihnen aber unnötig schwer."

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