Frauenpreis Bielefelder Frauenpreis-Nominierte Anke Schmidt im Porträt: Aus dem Viertel für das Viertel

Bielefeld. "Raissa Gorbatschova hat mich mal begrüßt", erzählt Anke Schmidt. Die Frau des gerade verstorbenen früheren sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschov war in den 90er Jahren zu Gast bei im früheren "Stalag 326" in Stukenbrock. Im "Stammlager 326" mussten während des Zweiten Weltkrieges Zehntausende meist russische Kriegsgefangene unter schlimmsten Bedingungen leben und zum Teil ihr Leben lassen. "Das dürfen wir nie vergessen", sagt die 62-Jährige. "Inzwischen wird dort eine Gedenkstätte geplant, die den Namen verdient." Die Erinnerung an die Opfer des Stalag 326 wachzuhalten, gehört zum vielfachen ehrenamtlichen Engagement von Anke Schmidt. Bekannt ist sie als Geschäftsführerin der "Kurz Um"-Meisterbetriebe. Das Beschäftigungsprojekt, in dem Auszubildende und Qualifizierungsteilnehmer eng mit erfahrenen Meistern, Facharbeitern und Gesellinnen zusammenarbeiten, gibt es seit mehr als 35 Jahren. 1989 kam Anke Schmidt dazu, zunächst als Projektleiterin, später als Chefin. Menschen für den Beruf qualifizieren "Anfangs war Kurz Um eine Alternative zum klassischen Street Work", sagt Anke Schmidt. Viele Punks gehörten zu den ersten Klienten, "Leute, die noch nicht den richtigen Zugang zur Arbeitswelt gefunden hatten", beschreibt sie die Qualifizierungsteilnehmer von einst. Das habe sich inzwischen vollständig geändert. Jetzt sind es häufig Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, die in eine Qualifizierung oder eine Ausbildung gebracht werden. Auch dabei helfen Anke Schmidt Erfahrungen, die sie bei ihrer Arbeit im Bielefelder Flüchtlingsrat oder im IBZ an der Teutoburger Straße gesammelt hatte. 2015, als Flüchtlinge zu Hunderttausenden nach Deutschland strömten, ist ihr noch in guter Erinnerung. "Da waren sehr viele Lernwillige dabei", erzählt sie. Eine Reihe von ihnen habe bei Kurz Um erfolgreich eine Ausbildung durchlaufen und sei jetzt in den Arbeitsmarkt voll integriert. So etwas macht Anke Schmidt zufrieden. Und zufrieden macht es sie auch, wenn es in ihrem Viertel gut läuft. Das ist der Bielefelder Westen. Dort, an der Friedrichstraße, ist Kurz Um ansässig. Dort, unweit ihres Arbeitsplatzes, lebt sie auch selbst - und engagiert sich ebenfalls für die Nachbarschaft. Sie arbeitet mit im Vorstand des Vereins "Rund um den Siggi" und ist Redakteurin der ersten Stunde des "Siggi-Magazins". Der Siegfriedplatz ist vitales Zentrum des Quartiers. Hier pulsiert das Stadtteil-Leben. "Ein Glücksfall", findet Anke Schmidt. Ein Glücksfall sei es auch, dass "Rund um den Siggi" weit mehr geworden sei als ein Zusammenschluss der örtlichen Kaufmannschaft in einer Werbegemeinschaft. "Hier machen alle mit", sagt sie. Händler, Vereine, Initiativen, Einzelpersonen. Entstanden war das Ganze, als es darum ging, einen Weihnachtsmarkt auf dem Siggi zu organisieren. "Da brauchten wir so etwas wie eine Organisationsstruktur." Daraus wurde eine lebendige Stadtteil-Initiative. Dass der Bielefelder Westen zu ihrem beruflichen und privaten Lebensmittelpunkt wurde, hat Anke Schmidt als junge Frau nicht geahnt. Nach dem Studium an der Uni Bielefeld hatte sie eher einen Job in den Medien im Sinn. Eine Stellenanzeige brachte sie dann auf die Spur von "Kurz Um". Dass sie als Frau früh zur Chefin und Verantwortlichen für inzwischen 60 Beschäftigte wurde, sei auch "mit den üblichen Konflikten" verbunden gewesen. "Manchmal musste man schon klären, wer welche Rolle hatte", sagt sie. Schon lange ist ihre Rolle klar: "Ich übernehme gern Verantwortung." Persönliches Anke Schmidt ist 1960 in Hannover geboren, kam mit zwei Jahren nach Isingdorf, mit fünf Jahren nach Werther, mit zehn Jahren nach Bielefeld. Abitur am Bavink (Waldhof)-Gymnasium Studium an der Uni Bielefeld (Germanistik, Geschichte, Philosophie), nebenbei jahrelang im Filmkunsttheater Kamera gejobbt und als Redakteurin für den Mieterverein Zweieinhalb Jahre war sie Kreisgeschäftsführerin der Grünen/Bunte Liste, zweieinhalb Jahre Mitarbeiterin Bielefelder Büro der grünen Bundestagsabgeordneten Antje Vollmer. Der Ausstieg aus der "Berufspolitik" sei gewollt gewesen. Seit 1989 bei Kurz Um-Meisterbetriebe, erst Projektleiterin, dann Geschäftsführerin. Anke Schmidt ist Fußballfan, Mitglied im DSC Arminia und im Fanclub "The Firm".

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