Interview Made in Bielefeld: Miele-Staubsauger sind "ein bisschen wie ein Haustier"

Bielefeld. Es ist nicht egal, wie ein Staubsauger aussieht. Im Gegenteil. Form und Oberfläche des Gerätes sind genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als die eigentliche Funktion des Produktes. Im Interview verrät der Vizepräsident des Miele-Design-Centers, Andreas Enslin, was Design bewirken kann. Er und sein Team haben auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin ausgestellt. Auch die in Bielefeld gefertigten Staubsauger waren zu sehen. Herr Enslin, warum ist das Design eines Staubsaugers wichtig? Andreas Enslin: Das Design spielt eine entscheidende Rolle für das Vertrauen in ein Produkt und damit für die Kaufentscheidung. Menschen handeln nicht logisch, sondern intuitiv. Das ist ein Erbe der Evolution. Wird ein Objekt zum Beispiel als hässlich empfunden, lässt es sich nur schwer oder gar nicht verkaufen, da weder Vertrauen in dessen Qualität noch besondere Erwartungen in dessen Leistung entstehen. Design ist eine preiswerte Investition eines Unternehmens in die Marke und Kundenzufriedenheit. Auf das Design der Staubsauger bezogen bedeutet dies: Wie bei allen Geräten ist das Design von Bedeutung für den Erfolg des Produkts und eines Unternehmens. Wie wichtig sind Wiedererkennungsmerkmale? Das Design sollte immer deutlich machen, dass ein Produkt von Miele stammt, auch ohne Logo. Das tun sogenannte A-Marken. Marken, die eine Eigenständigkeit, ein Alleinstellungsmerkmal haben. Für uns ist es der Ausdruck dessen, was wir im Unternehmen als sehr wichtig erachten. So hat jedes Unternehmen ein Wertegefüge, das sich in den Produkten wiederfindet. Welche Kundenwünsche müssen heute erfüllt werden? Die Wünsche haben sich im Laufe der Zeit geändert. Bei einem der ersten Staubsauger Anfang des letzten Jahrhunderts waren die Menschen froh, dass es überhaupt ein Produkt mit solch einer Funktion gab. Das erste Staub-Reinigungsgerät war ein riesiges Gerät, das auf einem Pferdefuhrwerk transportiert werden musste. Das Staubsaugen war damals eine aufwendige Aktion und wurde als Service den wohlhabenden Haushalten angeboten. In der Entwicklung wurden Staubsauger immer kleiner und leichter. Und heute reinigen Staubsauger die Wohnung autonom. Insgesamt war das eine fast hundertjährige Entwicklung in Technologie, Materialien und Design, um ein Produkt wie den Saugroboter von Miele, den Scout RX3, anbieten zu können. Heute steht aber weniger die Technologie im Fokus, sondern vielmehr das Kundenerlebnis. Ein Staubsauger muss die Erwartungen der Kundinnen und Kunden immer wieder aufs Neue erfüllen - und das ein Produktleben lang. Was kann Design bewirken? Wir haben über hundert Jahre gelernt, wie ein Staubsauger auszusehen hat. Im Design sprechen wir von Archetypen, also formale, typische Grundmuster, anhand derer wir ganz schnell Zuordnungen machen. Beim Staubsauger besteht dieser Archetypus aus einem Körper, einem Schlauch und einem Rohr. Bei der Waschmaschine aus einem rechteckigen Kasten, einer runden Tür und einem Drehwahlschalter. Diese Archetypen brauchen wir, um uns im Alltag orientieren zu können. Es ist die Aufgabe des Designs, Produkten eine Form zu geben, die Menschen die Funktion erklärt und die einfache Nutzung von komplexer Technologie ermöglicht. Die zunehmende Integration von Produkten in die Wohnräume führt nun zu neuen Bildern. Staubsauger sehen jetzt anders als noch vor 20 Jahren aus. Der Miele-Saugroboter unterscheidet sich hinsichtlich seiner Funktion erst einmal nicht von einem herkömmlichen Staubsauger. Er befreit den Boden der Wohnung von Staub. Die erforderliche Technologie, die das Gerät autonom saugen lässt, führt aber zu einer völlig anderen Form. Das Gerät ist klein und kompakt. Es gibt keinen Schlauch und auch kein Rohr mehr. Im Design stellte sich die Frage, wie jetzt Vertrauen in seine Leistung und Qualität entstehen kann, wenn es keinen Bezug mehr zu bekannten Produkten aus dem Bereich Bodenpflege von Miele gibt. Daher wirkt er intelligent und ein wenig wie ein Haustier. Wir wissen aus Umfragen, dass 80 Prozent unserer Kundinnen und Kunden ihrem Saugroboter einen Namen geben. Der Saugroboter ist eben mehr als nur ein Haushaltsgerät. Und: Er steht jetzt neben dem Sofa, und nicht mehr im Schrank. Wie werden Haushaltsgeräte in Zukunft aussehen? Wir stehen erst am Anfang dessen, was die Technologien ermöglichen werden. Die Nutzung ist das Entscheidende geworden, nicht die Technik. Das, was wir bereits in der Arbeitswelt sehen, werden wir auch im Privaten sehen. Viele Dinge, die aufwendig sind, werden uns Maschinen abnehmen. Die Waschmaschine ist auch so ein Fortschritt gewesen – sie gibt uns Zeit zurück. Es gibt zahlreiche Studien zu Haushaltsrobotern, die gerade die Möglichkeiten ausloten. Alle möglichen Ideen sind da, die Leistung ist es noch nicht ganz. Ich bin überzeugt davon, dass so wie die Saugroboter, mehr und mehr Geräte im Haushalt eine Art Grundversorgung ermöglichen werden. Dann müssen wir uns nicht mehr um Routinen wie Putzen, Waschen oder Einkaufen kümmern. Es bleibt mehr Zeit für die wichtigen und schönen Dinge im Leben. Das werden wir auch in anderen Bereichen sehen. Auch beim Kochen wird sich viel verändern. Assistenzsysteme werden es uns erleichtern, gesund zu kochen und uns ermöglichen, kreativ zu sein. Oder uns im Alter länger ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Die Möglichkeiten, die sich im Bereich der Haushalte eröffnen, sind lange noch nicht alle erforscht. Die Designerinnen und Designer bauen mit ihrer Arbeit jeden Tag an den Brücken zwischen neuen Technologien und den Nutzern, die es bedarf, damit unsere Kundinnen und Kunden lange Freude an den Produkten und Lösungen von Miele haben.

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