Urteil Richter: „Sie haben die Stadt in Angst und Schrecken versetzt“

Bielefeld. Weil sie die Stimmen in ihrem Kopf loswerden wollte, hat eine junge, unter einer schweren Psychose leidende Bielefelderin Ende Februar und Anfang März Wartende an Stadtbahn-Haltestellen gegen einfahrende Züge geschubst. Die beiden Opfer (22, 26) überlebten die Mordversuche, weil sie nicht ins Gleis vor die tonnenschwere Bahn stürzten. Weil das aber ihr Ziel gewesen sei, ordnete die X. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Christoph Meiring nun die dauerhafte Unterbringung der 23-Jährigen wegen zweifachen versuchten Mordes in einer geschlossenen Psychiatrie an. &bdquo;Sie haben damals die Stadt in Angst und Schrecken versetzt“, betonte Meiring in seiner Urteilsverkündung. &bdquo;Wer in diesen Tagen Stadtbahn gefahren ist, der war in Gefahr. Ihre Angriffe kamen überraschend und die Opfer hatten fast keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.“ Zehn verschiedene Stimmen beschimpften sie Tatsächlich hatte ein Gutachter verdeutlicht, dass beim ersten Fall am 27. Februar nur Sekunden über Leben oder Tod entschieden hatten: Hätte der Bahnfahrer etwas früher reagiert, wäre der Student (22) vor die Bahn gestürzt. In seinem Plädoyer machte Staatsanwalt Christopher York deutlich, dass es &bdquo;ganz großes Glück“ gewesen sei, dass hier nicht die Leiche des jungen Mannes geborgen werden musste. Bereits zum Prozessauftakt hatte die &bdquo;Stadtbahnschubserin“ gestanden, in Tötungsabsicht gehandelt zu haben. Sie war im Zustand der Schuldunfähigkeit davon ausgegangen, dass die Stimmen im Kopf verstummen, wenn sie jemanden umbringe. Der psychiatrische Gutachter, Bernhard Bätz, hatte vor Gericht berichtet, dass die 23-Jährige in ihrem psychotischen Wahn bereits seit sieben Jahren Stimmen gehört habe. Zuletzt waren es zehn verschiedene - teilweise von bekannten Personen aus Familie und Umfeld. Vor allem eine männliche Stimme habe sie immer wieder beschimpft und ihr auch Befehle gegeben. Kiffen und Amphetamine verstärkten das Leiden Doch die Halluzinationen der 23-Jährigen beschränkten sich nicht nur auf diese Stimmen, sie habe sich auch Gerüche und Berührungen im Gesicht eingebildet. Manchmal habe sie Geister gesehen. Der Sachverständige sprach von einer schweren paranoiden Schizophrenie, deren Auswirkungen durch regelmäßiges Kiffen und Amphetamin-Konsum noch verstärkt worden seien. Zum Tatzeitpunkt hatte sie besonders viele Drogen und Aufputschmittel konsumiert und dabei ihre Medikamente nicht mehr genommen. &bdquo;Das hält der Kopf eines Psychotikers nicht gut aus“, betonte Bätz. Kurz vor der ersten Tat hatte sie sich selbst aus der Psychiatrie in Bethel entlassen. Bätz geht davon aus, dass in der Phase ihre Steuerungsfähigkeit aufgehoben war. Ein Zeuge brachte den Durchbruch bei der Suche Die Vorwürfe zum zweiten Fall, als am 1. März ein 40-jähriger Fahrgast früh morgens an der Haltestelle &bdquo;Klinikum Mitte“ die Frau bemerkte und diese durch seine Reaktion davon abhielt, ihn zu schubsen, wurden übrigens fallengelassen. Trotzdem hatte dieser Zeuge den Durchbruch der Ermittlungen gebracht. &bdquo;Er allein hatte eine hilfreiche Beschreibung geliefert“, so York. Zwei Tage später konnten Polizisten die Beschriebene identifizieren und festnehmen. Kurz darauf kam sie in die forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn. Das Gericht hatte nun zu entscheiden, ob die 23-Jährige weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Diese Frage beantwortete der Psychiater eindeutig: &bdquo;Wenn sie psychotisch bleibt, ist von weiteren vergleichbaren Taten auszugehen.“ Eine Therapie werde lange, vielleicht Jahre, dauern. Denn die Bielefelderin wird bereits seit ihrer Festnahme im März mit Medikamenten behandelt und nimmt seither keine Drogen mehr. Trotzdem hört sie weiterhin diese Stimmen, die sie so peinigen. &bdquo;Ich möchte mich für meine Taten entschuldigen“ Verteidigerin Susanne Renner schloss sich deshalb dem Plädoyer von Staatsanwalt Christopher York an, der die Unterbringung in der Forensik beantragt hatte. &bdquo;Ich mache das im Sinne meiner Mandatin“, sagte Renner. &bdquo;Sie weiß, dass nicht nur die Opfer großes Glück hatten, sondern auch meine Mandatin. Wäre jemand gestorben, wäre sie nicht mehr glücklich geworden.“ Die schüchtern wirkende 23-Jährige, die jederzeit während des Verfahrens ansprechbar war, signalisierte, dass sie die Chance der Therapie in der geschlossenen Klinik ergreifen wolle. Abschließend sagte sie: &bdquo;Ich möchte mich für meine Taten entschuldigen.“ Zum Thema: Festnahme nach "zweifachem versuchten Mord" am Bielefelder Stadtbahnsteig

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