18 Schüsse: Neue Details zum Amoklauf an Bielefelder Berufskolleg

Bielefeld. Am letzten Tag vor den Sommerferien kam es am Campus Rosenhöhe zu einem Amoklauf durch einen bewaffneten jungen Mann, der mehrfach mit Schreckschusswaffen auf Schüler und Lehrer schoss. Inzwischen sind weitere erschreckende Details der Tat bekannt geworden. Nach den bisherigen Ermittlungen gehen Kripo und Staatsanwaltschaft davon aus, dass der 20-jährige Bielefelder am 24. Juni gegen 12 Uhr mindestens 18-mal im Gebäude des Berufskollegs Senne und auch vor den Gebäude geschossen hat, sagt Philipp Kalbertodt, Sprecher der Staatsanwaltschaft. &bdquo;Bei seinen Schusswaffen handelte es sich um einen PTB-Revolver und eine PTB-Pistole." Die Abkürzung &bdquo;PTB" steht für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die diese erlaubnisfreien Waffen zulässt und die nur mit einem Siegel oder Stempel der Bundesanstalt in Deutschland vertrieben werden dürfen. PTB-Waffen können theoretisch Schreckschusspatronen, Reizgas oder pyrotechnische Signale abfeuern. Der Bielefelder Amokläufer hatte allerdings mit Platzpatronen agiert. Der 20-Jährige schoss also keine tödlichen Projektile ab, gefährlich waren die Schüsse dennoch. Zwei Opfer des Amoklaufs erleiden Verletzungen Wie Kalbertodt mitteilte, erlitt ein Schüler des Berufskollegs Senne durch einen Schussknall einen vorübergehenden Hörverlust auf beiden Ohren. Zum Glück dauerte der Hörsturz nur kurze Zeit an. Es ist davon auszugehen, dass die Waffe in unmittelbarer Nähe des Schülers abgefeuert wurde. Mehrere Zeugen berichteten nach der Tat, dass der Unbekannte teilweise direkt auf die Schüler gezielt und abgedrückt haben soll. Zusätzlich zu den Schreckschusswaffen hatte der 20-Jährige – wie berichtet – einen Dolch und ein Messer sowie mehrere einsatzbereite Molotowcocktails dabei, die aber nicht zur Anwendung kamen. Eine weitere Person erlitt in der entstandenen Panik in dem Schulgebäude eine Rippenprellung. Sie war bei der Flucht vom Tatort gestürzt, so der Behördensprecher. Damit hatte die Amoktat nun doch auch physische Verletzungen zur Folge, der deutlich größere Teil der Betroffenen dürfte allerdings eher psychisch unter dem Erlebten leiden. Stundenlanger SEK-Einsatz in den Schulgebäuden Was sich für die Betroffenen im Schulgebäude und auf dem Schulcampus elendig lange anfühlte, war aus Sicht des 20-Jährigen ein verhältnismäßig kurzer Vorfall. Nach 15 Minuten hatten SEK-Spezialkräfte den Amoktäter, der das Berufskolleg verlassen hatte, auf dem Dach der Mensa identifiziert und kurz darauf zu Boden gebracht, entwaffnet und abgeführt. Für die 300 bis 400 betroffenen Schüler und Lehrer, die gegen 12 Uhr noch auf dem Campus waren, war damit aber das unerträglich lange Warten noch nicht beendet. Zahlreiche SEK-Einheiten aus ganz NRW trafen nun in Bielefeld ein, um das Schulgebäude zu durchsuchen und die Betroffenen in Sicherheit zu bringen. Schwer bewaffnet durchkämmten sie alle Gebäude, konnten aber weder mögliche Komplizen noch andere gefährliche Gegenstände ausfindig machen. Der SEK-Großeinsatz dauerte bis zum Abend. Die letzten betroffenen Schüler und Lehrer konnten das Gelände erst am Abend verlassen. Kann der junge Mann für die Amoktat bestraft werden? Wie berichtet, wurde der 20-Jährige nach seiner Festnahme aufgrund seiner psychischen Erkrankung vorläufig in der Forensischen Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn untergebracht, bestätigt Kalbertodt. Seither ist der Patient dort in der geschlossenen Psychiatrie in Behandlung. Vermutlich wird man ihn für die Tat aufgrund fehlender oder verminderter Schuldfähigkeit nicht strafrechtlich belangen können. Sollte sich das während der Ermittlungen etwa in einem psychiatrischen Gutachten bestätigen, geht es am Ende um die Frage, ob der junge Mann dauerhaft untergebracht werden muss, weil es für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Der Beschuldigte war vor der Amoktat bereits zwei Jahre lang in Bethel in psychiatrischer Behandlung gewesen. Die Stadt hatte ihn ordnungsbehördlich in eine Einrichtung für Menschen mit psychischen Erkrankungen eingewiesen. 2020 war er bereits zweimal mit Amokdrohungen im Internet wegen &bdquo;Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten" bei ausländischen Sicherheitsbehörden aufgefallen. Als die ausländischen Sicherheitsbehörden Ende 2021 die deutschen Kollegen vor dem Mann warnten, geriet der Bielefelder auch hier als potenzieller Gefährder in den Fokus der Polizei Bielefeld. In enger Abstimmung mit den Betreuern sei man damals zu dem Ergebnis gekommen, er sei ausreichend stabilisiert. Täter-Video von ausländischen Behörden gestoppt Am 24. Juni schlug er dann trotzdem zu. Sein Motiv für die Tat ist aufgrund seiner Erkrankung schwer zu ergründen. Zwar veröffentlichte der Beschuldigte bekanntlich kurz vor dem Amoklauf ein Video, dass die Tat ankündigte. &bdquo;Mündliche Äußerungen des Beschuldigten sind der Videoaufnahme aber nicht zu entnehmen", sagt Kalbertodt. Ausländische Behörden hätten das etwa 90 Sekunden lange Video durch automatische Scans relativ schnell im Internet ausfindig gemacht. Das Video sei durch das Eingreifen der Cybercrime-Abteilungen nur kurzzeitig online gewesen. "Über die Existenz des Videos wurden die deutschen Behörden am Nachmittag des Tattages unterrichtet, berichtet Kalbertodt. Also nach der Tat. &bdquo;Es besteht aus zusammengeschnittenen Bildern und ist mit Hintergrundmusik untermalt", so der Staatsanwalt. &bdquo;Das Video enthält eine Überschrift, die auf eine Amoktat am 24. Juni 2022 an einer Bielefelder Schule hindeutet." Weitere Hinweise zur Motivation des 20-Jährigen soll das Video nicht hergeben. Heavy Metal-Musik als Begleitung des Amoklaufs Die Ermittlungen in dem Fall führt dennoch das Dezernat der Staatsanwaltschaft für politische Taten. Nach Informationen der NW war in dem kurzen Clip eine Gestalt mit Kopfbedeckung zu sehen, eine Maske mit grinsendem Schädel und Waffe. Dazu lief Heavy Metal-Musik. Diese Musik soll der 20-Jährige auch während der Tat über Boxen laut gehört haben. Die Ermittlungen in dem Fall dauern weiterhin an.

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