Zum Welttag des Bieres So wird in der ersten Bielefelder Biermanufaktur Bier gebraut

Bielefeld. Durch die riesigen Glasfassaden knallt schon am frühen Morgen die Sonne, drinnen strahlen große Edelstahlbehälter zusätzliche Hitze ab. Sebastian Bienemann wird es in seiner schwarzen Arbeitskluft an diesem Tag noch sehr warm werden. Der 32-Jährige ist schwer beschäftigt, schaut durch große Bullaugen in verschiedene Behälter, auf Messgeräte und immer wieder auf sein Tablet, das er flink mit dem Pen bedient. Ein schriller Alarm lässt ihn auf eine Empore eilen. Die Maische will kontrolliert werden. Nur noch 14 Tage bis zur Eröffnung der ersten großen Brauerei in der Leineweberstadt, bis zur Präsentation des ersten Bielefelder Pils, das der Mann mit dem Pferdeschwanz kreiert hat. Auf Bienemanns Shirt steht schlicht nur &bdquo;Bielefelder“, genauso wie an dem Gebäude an der Brockhagener Straße, das dort in den vergangenen Monaten gewachsen ist. Das steht für die &bdquo;Bielefelder Braumanufaktur“, die mit der Einweihung ihren früheren Namen Ravensberger Brauerei ablegt und nach rund 100 Jahren eine neue Bielefelder Biertradition begründen will. Der 32-Jährige aus Baden-Württemberg ist der Braumeister, der dem Ganzen seinen Stempel aufdrücken darf. Aktuell muss der studierte Brau- und Getränketechnologe so viel obergäriges &bdquo;Flutlicht“ produzieren wie es geht – bisher die gefragteste Marke der Braumanufaktur. Sein Premieren-Pils für die Einweihungsfeier ist bereits fertig. Abgefüllt wird es in Flaschen mit dem neuen Branding; die stilisierten Zinnen der Sparrenburg zieren künftig die Etiketten. Das Abfüllen geschieht allerdings außerhalb Bielefelds, da sich die junge Brauerei noch keine eigene Abfüllanlage leisten kann. Die älteste Brauerei der Welt ist fast 1.000 Jahre alt Sieben bis acht Stunden braucht es, bis aus Malz, Wasser und Hopfen das Bier gebraut ist – selbstverständlich nach Deutschem Reinheitsgebot von 1516. 2.000 Liter können in einem Brauvorgang hergestellt werden. Sein Handwerk hat Bienemann an der Fachhochschule Weihenstephan gelernt, unweit der ältesten Brauerei der Welt, die fast 1.000 Jahre auf den Buckel hat. Ein kleiner Schnitt an der richtigen Stelle, schon kann Sebastian Bienemann den genähten Verschluss des weißen 25-Kilo-Malzsackes ganz leicht aufrebbeln. Er greift hinein und lässt Getreide, das bereits kurz gekeimt hat und dann getrocknet wurde, durch die Hände rinnen. Er sucht nach dunklen Körnern, die von minderer Qualität zeugen könnten. Aber heute ist alles gut, die Ware aus Bamberg einwandfrei. Das Malz kommt über den Vorlagebehälter in die Mühle, wo es geschrotet wird. &bdquo;Dabei versuchen wir, die Korn-Hülle nicht zu zerstören“, erklärt der Braumeister, denn später wird das beim Filtern des Malz-Wasser-Gemisches helfen. &bdquo;Es gibt etwa 80 verschiedene Malzsorten, die, je nach Röstgrad, Einfluss auf Geschmack und Farbe des Bieres haben. Und je mehr Malz, desto mehr Alkohol.“ Bienemann hat sechs verschiedene Sorten auf Lager, die zu seinen Bieren (Flutlicht, Pils, Helles und Abendrot) passen. Das Radler ist für ihn, wie er einräumt, kein wirkliches Bier, eher eine Erfrischungsgetränk, ebenso wie die alkoholfreie &bdquo;Freiheit“. Das große Geheimnis des Braumeisters Im Maische-Bottich wird das Schrot mit Wasser verrührt. Vollautomatisch. Der 32-Jährige schaut auf der Empore durchs Bullauge des ersten Bottichs, das mit großen Schrauben gesichert ist. Manchmal dreht er einen Hahn auf, gibt selbst noch manuell etwas Wasser hinzu. Im nächsten Schritt wird die hellbraune Maische in mehreren Stufen bis auf fast 80 Grad Celsius erhitzt, so dass die unterschiedlichen Enzyme im Malz ihre Arbeit erledigen können. &bdquo;Durch die Auswahl der Zeiten beeinflusse ich, wie schlank oder vollmundig mein Bier ist“, verrät Bienemann. Schlank meint trocken, vollmundig heißt lieblich – wie beim Wein. Etwa eineinhalb Stunden dauert es, die gesamte Stärke in Zucker umzuwandeln. Der Alarm geht los, hallt durch das Sudhaus und erinnert den Braumeister, dass der Prozess abgeschlossen sein könnte. Mit einem Messbecher geht er unter die &bdquo;Maischepfanne“ und füllt etwas von der trüben Masse ab. Dann nimmt er eine Tüpfelplatte, die aussieht wie ein rechteckiger Eierbecher mit sechs Fächern. Mit der Pipette träufelt Bienemann Jod auf und schaut genau hin: Es verfärbt sich nicht, also ist alle Stärke raus. &bdquo;Wirds schwarz gebe ich noch mal fünf Minuten zu.“ Bei der Kontrolle der Maische-Arbeit ist etwas daneben gegangen. Er spült die Arbeitsfläche direkt mit Wasser ab, poliert das Edelstahl mit einem Trockentuch nach. Sauberkeit ist für ihn wichtig, das merkt man. Erst danach kümmert er sich um den nächsten Schritt: das Läutern. Ummelner Rinder profitieren von Bielefelder Brauerei Der Läuterbottich hat am Boden viele feine Schlitze, durch die die gefilterte Maische, die Würze, abfließen wird. Gefiltert wird sie durch die festen Bestandteile der Maische selbst, die sich als bis zu 30 Zentimeter dicker Filterkuchen auf dem Boden über den Schlitzen absetzen. Die Filterkuchen, den Treber, holt übrigens ein Ummelner Landwirt frisch nach der Produktion ab, füttert mit dem ballaststoff- und eiweißreichen Abfallprodukt seine Rinder. Im Sudhaus wird die zuckrige Würze nach dem Läutern gekocht, um alle Keime abzutöten, um die Enzyme zu deaktivieren und vor allem, um die dritte Zutat des Bieres, den Hopfen, einzukochen. Im &bdquo;Whirlpool“ wird anschließend die Flüssigkeit in Rotation versetzt, so dass durch die Zentrifugalkraft Hopfenblätter und stückige Partikel abgetrennt werden. Das Ergebnis ist die nun recht klare Würze, deren Stammwürzegehalt – das richtige Verhältnis von Malzzucker zu Flüssigkeit – den späteren Alkoholgehalt bestimmt. Das Geheimnis eines jeden Braumeisters und seiner Biere. Sebastian Bienemann prüft im Verlauf des Prozesses mit Hilfe einer Spindel, ob seine Stammwürze den richtigen Extrakt-Gehalt, die richtige Dichte, hat. Das Ergebnis wird in &bdquo;Grad Plato“ angegeben. Das allererste am 13. Juli in der nagelneuen Brauerei gebraute &bdquo;Flutlicht“-Bier hat vor der Reife 11,7 °P – also 117 Gramm Extrakt in einem Kilo Würze. Nach dem Reifen sollen davon noch 4 °P übrig bleiben, die das Bier etwas süßer machen als das Pils mit 2 °P. Bierbrauen war früher Glückssache &bdquo;Der Hopfen ist das ,Gewürz, das dem Bier sein bitteres und zugleich erfrischendes Aroma gibt“, erklärt Sebastian Bienemann.“ Das Malz ist der Körper des Bieres, der Hopfen die Seele.“ Kein Wunder also, dass sich begeisterte Biertrinker bereits seit dem Mittelalter zuprosten: &bdquo;Hopfen und Malz, Gott erhalts“. Da wusste man allerdings noch nicht, wie wichtig die Hefe für den Gärprozess ist. Gutes Bier war damals reine Glückssache. Auffällig war allerdings ein scheinbar seltsamer Zufall: Hausbrauereien, die neben einer Backstube lagen, produzierten ein schmackhafteres Bier. Durch die Luft gelangten nämlich die winzigen einzelligen Hefe-Organismen ungehindert in den Braukessel und bewirkten dort den alkoholischen Gärungsprozess. Diesen Zufall braucht der junge Bielefelder Braumeister natürlich nicht. Dank Louis Pasteurs, der 1870 das geheimnisvolle Wirken der Hefepilze enträtselt hat. Bienemann wartet, bis im Würzekühler das Gebräu runtergekühlt ist, die richtige Temperatur hat und vom Sudhaus in den Gär- und Lagertank rübergepumpt werden kann. Die großen Tanks fassen 8.000 Liter, die kleinen Tanks haben 4.000 Liter Volumen. Dort wird die Hefe zugesetzt, die den Zucker der Würze in Alkohol und Kohlensäure umwandelt. Bielefelder Bier bleibt ungefiltert &bdquo;Hefe“, weiß der 32-Jährige, &bdquo;braucht eine angenehme Badetemperatur.“ Fürs obergärige Flutlicht liegt die bei 18 bis 22 Grad, bei untergärigen Pils bei 8 bis 12 Grad. Obergärig? Untergärig? &bdquo;Bei niedrigen Temperaturen“, erklärt Bienemann, gärt die Hefe sehr langsam und setzt sich bei diesem Prozess unten im Lagerbehälter ab. Beim obergärigen Bier ballen sich die gärenden Hefezellen schnell zu großen Verbünden zusammen und steigen aufgrund der entstehenden Kohlensäure als dicke Schaumschicht nach oben. Pils, das in Deutschland beliebteste Bier, gehört übrigens zu den untergärigen Sorten. Knapp eine Woche dauert dieser Prozess, dann ist das Jungbier entstanden und der gesamte Zucker hat sich in Alkohol und Kohlensäure verwandelt. Der Braumeister lässt jetzt das obergärige Flutlicht noch zwei bis drei Wochen reifen, dann ist der Prozess des Brauens abgeschlossen. Das Pils-Bier gärt etwa zehn Tage bei um die Null Grad und reift knapp fünf Wochen. Viele Brauereien filtern ihr Bier dann noch einmal, bevor es in Flaschen und Fässer gezogen wird. Die Bielefelder Braumanufaktur verzichtet darauf, mag es naturbelassen. Noch ist das Brauen in Bielefeld eine einsame Sache Im Moment ist das Brauen für Sebastian Bienemann noch eine einsame Sache. &bdquo;Wir kommen aber sehr schnell an den Punkt, an dem ich das allein nicht mehr schaffe“, sagt der 32-Jährige und wischt sich den Schweiß ab, bevor er sich dranmacht, einen benutzten Lagertank mit einer Wasser-Lauge-Mischung zu reinigen. In diesem Jahr will er 2.000 Hektoliter (20.000 Liter) brauen, &bdquo;aber wir wollen schnell auf 5.000 Hektoliter kommen“. Maximal sind in der jetzigen Konfiguration der kleinen Brauerei 10.000 Hektoliter im Jahr möglich (zum Vergleich: Absatz Krombacher 2021 rund 4,1 Millionen Hektoliter). Dafür wäre es aber gut, wenn der Bier-Absatz wieder steigen könnte. Zwar trinken die Deutschen wieder mehr Bier, aber der Absatz liegt laut Statistischem Bundesamt noch 5,5 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau. Und, welches Bier trinkt der Braumeister am liebsten? Bienemann verzieht das Gesicht – typische Frage. &bdquo;Entweder das eigene oder keins“, sagt er und grinst. Dann verrät er aber doch, dass ihm der Stil des New England Pale Ale gefällt – ein helles bis kupferfarbenes, obergäriges Bier. Am Einweihungstag dürfte aber sein Pils sein Lieblingsgetränk des Tages sein.

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